Hofburg-Wahl: Die Heimspiele der Irmgard Griss

Former President of the Supreme Court of Justice Griss addresses a news conference in Vienna
Former President of the Supreme Court of Justice Griss addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Bei den Rotariern, im Anwaltsklub, beim Ladies Business Lunch: Irmgard Griss macht derzeit Zielgruppenwahlkampf. Und in der Flüchtlingsfrage ein wenig auf Angela Merkel.

Der Gustav-Mahler-Saal im Hotel Sacher in Wien, alte Gemälde an den Wänden, gesetztes Essen, an den Tischen Anwälte und Anwältinnen vom Advokatenklub Soupirium, mit 140 Jahren der älteste der Stadt.

Die Kandidatin im blauen Kostüm, weiße Bluse, Perlenkette. In freier Rede legt sie pointiert ihre politischen Positionen dar. Begleitet von zustimmendem Nicken oder Lachen im Publikum.

So stellt man sich einen Wahlkampf der britischen Tories vor. In diesem Fall wirbt jedoch die Unabhängige Irmgard Griss um Stimmen für die Hofburg. Die Kandidatin des steirischen (Groß-)Bürgertums und – wie es aussieht – auch der Jurisprudenz dieser Republik.

In Kontakt mit dem kleinen Mann auf der Straße ist sie derzeit kaum, das Beackern der Märkte und Plätze soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Im Moment macht Irmgard Griss Zielgruppenwahlkampf. Zielgruppe Elite. Ein kleiner Auszug aus dem Programm dieser Woche: Montagnachmittag beim Rotary Club Wien-Nord ein Vortrag über die Hypo, am Abend dann bei den Anwälten im Sacher. Am Dienstag Ladies Business Lunch in einer Steuerberatungskanzlei in Linz. Am Donnerstag zuerst bei Soziologiestudenten an der Uni Klagenfurt, danach ein Vortrag beim Rotary Club in St. Veit an der Glan.

„Frau Präsident!“

Mit „Küss die Hand“ und „Frau Präsident“ wird Irmgard Griss von den Anwälten im Sacher begrüßt. In ihrem dreiköpfigen Begleittross ist auch eine frühere Mitarbeiterin der Neos. Für die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshof ist es ein Heimspiel hier unter ihresgleichen. Viele kennen sie von früher. Und so erzählt Griss zu Beginn auch von ihrem juristischen Werdegang, ihrer „schönsten Zeit am Handelsgericht“ und flicht Anekdoten von (früheren) Gerichtspräsidenten und Uni-Professoren ein – zum Amüsement der Zuhörer.

Der rote Faden im politischen Teil ihrer Rede: Es gebe zu viel PR in der Politik und zu wenig Sachlichkeit. „Das hat mich schon sehr erstaunt.“ Es gehe den Parteien stets nur um deren Vorteile. Ihr selbst würden Menschen immer bedeuten, sie würden ja gerne was für ihre Kampagne spenden, „aber Sie machen das dann ja öffentlich – also kann ich nicht“. Ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht könnte hier Abhilfe schaffen. Ebenso mehr direktdemokratische Instrumente.

Als Bundespräsidentin, sagt Griss, würde sie auf die wirklich wichtigen Themen hinweisen und Debatten anstoßen wollen. Und sie gönnt sich einen kleinen Seitenhieb: „Ich habe als Bundespräsident nur ein Handicap – ich kann keine Inserate vergeben.“

„Großzügig Asyl gewähren“

In der Flüchtlingsfrage meint Irmgard Griss zwar, dass man einen Mittelweg finden müsse zwischen den Extremen der Blauäugigen auf der einen Seite und den Abschottern auf der anderen. Dann sagt sie allerdings auch Sätze wie „Wir müssen großzügig Asyl gewähren“. Und greift die Innenministerin an: „Johanna Mikl-Leitner hat gesagt, wir machen eine Obergrenze und das Rechtliche schauen wir uns später an. Das ist für mich indiskutabel. Österreich ist ein Rechtsstaat!“ Sie selbst empfiehlt in der Flüchtlingsfrage „eine Politik der kleinen Schritte“, ein Drehen an mehreren Schrauben.

Griss spricht sich dafür aus, dem Bundesheer die Mittel zu erhöhen. Die EU sei für sie der größte Glücksfall der Geschichte. Und ihr wichtiges Anliegen sei die Ganztagsschule. Um die Beantwortung der Frage „Gesamtschule Ja oder Nein“ drückt sie sich allerdings herum: „Maßgebend sind immer die Lehrer.“ Diese müssten mehr Wertschätzung erfahren.

Auch sie selbst habe eigentlich Lehrerin werden wollen, „das Recht hat mich zuerst nicht so sehr interessiert“. Erst nach ihrem Studium sei sie zur begeisterten Juristin geworden.

Vor allem aber müsse man auch einmal die Frage stellen: „Was ist unverhandelbar an Österreich?“ Sie selbst nähert sich dem erst auf Nachfrage an: „Menschen, die zwischen Gläubigen und Ungläubigen unterscheiden – das geht gar nicht.“ Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau und eine solidarische Gesellschaft seien solche Schlüsselpunkte.

„Halten Ihnen alle die Daumen“

Selbstverständlich werde man Griss wählen, sagt einer der Anwälte. Nicht nur, weil sie Juristin sei, sondern auch, weil sie die beste Kandidatin sei. Andere pflichten ihm bei. Und Michael Rohregger, der Chef des Anwaltsklubs Soupirium – Tischwart heißt das hier –, sagt nach der Rede von Irmgard Griss, an die Kandidatin adressiert: „Ich habe noch nie einen politischen Vortrag auf so hohem Niveau erlebt. Wir halten Ihnen alle die Daumen!“

Die Erlagscheine und die Infozettel für die Unterstützungserklärungen gehen an diesem Abend weg wie die warmen Semmeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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