Entwurf zu neuem Tabakgesetz „verfassungsrechtlich bedenklich“

Rauchende Frau mit einer Zigarette
Rauchende Frau mit einer Zigarette(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Hunderte Stellungnahmen sind zum neuen Tabakgesetz eingelangt. Experten warnen vor einer Verfassungswidrigkeit.

Wien. Man könnte es als parlamentarischen Shitstorm bezeichnen: 506 Stellungnahmen gingen bis vergangenen Montag zum Entwurf für ein neues Tabakgesetz ein. Mehr gab es nur bei der Änderung des Lehrerdienstrechts (mehr als 1000). Es sind in erster Linie Raucher und Inhaber von Tabaktrafiken, die sich gegen die neuen Verbote und strengeren Vorschriften wehren.

Wirklich interessant sind unter den Hunderten Stellungnahmen zwei, die den Verfassern des Gesetzentwurfes ordentliches Kopfzerbrechen bereiten werden: Denn in ihnen warnen die Juristen des Verfassungsdienstes und auch des Finanzministeriums, dass der Entwurf möglicherweise gegen die Bundesverfassung verstößt. Wörtlich halten die Rechtsexperten des Finanzressorts mehrere Punkte für „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Massive Schockfotos

Konkret stoßen sich die zwei Stellen an den „weitreichenden Befugnissen“, die der Gesundheitsministerin in dem Gesetzentwurf eingeräumt werden. Sie kann künftig per Verordnung weitere Auflagen, Verbote und Vorschriften erlassen. „Diese Ermächtigungen scheinen völlig unbestimmt und damit verfassungsrechtlich bedenklich“, heißt es in der fünfseitigen Erklärung des Finanzministeriums zum geplanten neuen Tabakgesetz.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts schlägt in dieselbe Kerbe, drückt seine Warnung allerdings etwas zurückhaltender aus: Man müsse bei den Verordnungsermächtigungen ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH, 17.735/2005) beachten. Es bestehe die Gefahr, dass die Bestimmungen im Entwurf diesem Erkenntnis nicht genügten. Auf Deutsch: Dass sie also verfassungswidrig sind.

Mit den Warnungen bekommen Gegner des Entwurfs Auftrieb, die die unklaren Regelungen kritisieren. Damit habe man keine Planungssicherheit, meinen verschiedene Hersteller von Tabakprodukten. Kurt Rauscher, Geschäftsführer des E-Zigarettenvertriebs Steamzone, erklärte, man könne „keine Pläne für die Zukunft“ machen, weil man nie wisse, ob nicht das Ministerium durch einen Erlass alle Vorhaben zunichtemache. Auch die Zulassungsbestimmungen für Produkte seien „nebulös“.

Wie berichtet, bringt die Novelle zum Tabakgesetz unter anderem Warnhinweise auf den Packungen mit schockierenden Fotos: eine abgestorbene Zehe wegen Durchblutungsstörungen, eine schwarze Lunge, verfaulte Zähne, ein amputiertes Bein. Fast zwei Drittel der Vorder- und Rückseite einer Packung müssen mit Warnungen samt Bild versehen sein, ebenso die seitlichen Oberflächen.

Das geplante neue Tabakgesetz, das am 20. Mai in Kraft treten soll, bringt auch ein Verbot von Kautabak und Einschränkungen beim Verkauf von E-Zigaretten. Die elektronischen Zigaretten dürfen beispielsweise nicht mehr über das Internet vertrieben werden. Erstmals gibt es überhaupt detaillierte Vorschriften für die in den vergangenen Jahren populär gewordenen E-Zigaretten bis hin zum Volumen von Nachfüllbehältern.

In Österreich rauchen 24,3 Prozent der über 15-Jährigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2016)

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