Sozialminister Stöger bereitet mit dem Kanzleramt ein Paket gegen eine "Aushöhlung" des österreichischen Sozialsystems vor.
Noch heuer soll es strengere Richtlinien für den Arbeitsmarkt geben.
Vor dem Hintergrund von fast einer halben Million Arbeitslosen in Österreich laufen regierungsintern in der SPÖ die Vorbereitungen für ein Maßnahmenpaket, um den Zuzug billiger Arbeitskräfte aus Osteuropa einzudämmen. Der Hebel dazu ist eine Neuregelung der sogenannten "Entsenderichtlinie" für Arbeitnehmer, die von ausländischen Firmen nach Österreich geschickt werden. Im Kern geht es darum, künftig zwingend nicht nur in der Baubranche gleiche Löhne sicherzustellen sowie ein Unterlaufen der Sozialversicherung zu verhindern und die Entsendung zeitlich einzugrenzen.
Im Sozialministerium wurde der "Presse" am Sonntag erklärt, dass die nationale Ausformung der Entsenderichtlinie jedenfalls noch heuer geändert werden soll. Zuvor geht es nach dem bisher letzten Stand des Zeitplanes am 7. März im EU-Sozialministerrat auf europäischer Ebene um die Entsenderichtlinie. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat jedoch in Zusammenarbeit und Abstimmung mit Bundeskanzler Werner Faymann bereits konkrete Pläne für Verschärfungen in Österreich ausgearbeitet.
Die Vorschläge, die der "Presse" vorliegen", umfassen derzeit vier konkrete Punkte:
1) Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort: Die Entsenderichtlinie sieht bisher nur für die Baubranche zwingend ein volles Entgelt für von ausländischen Unternahmen nach Österreich entsandte Arbeitnehmer vor. Die Neuregelung soll dazu führen, dass der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit auf alle Branchen ausgeweitet wird.
2) Keine Aushöhlung des österreichischen Sozialsystems: Sozialversicherungsbeträge werden derzeit im Entsenderstaat eingehoben, damit werden Arbeiter speziell aus osteuroäpischen Staaten für österreichische Auftraggeber billiger. Kanzleramt und Sozialministerium planen, dass künftig zwingend die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherung in Österreich herangezogen wird. Außerdem sollen die Formulare für ausländische Arbeitskräfte alle Informationen enthalten, damit eine bessere Kontrolle möglich wird.
3) Maximaldauer für Entsendung: Die Entsendung ausländischer Arbeitskräfte nach Österreich darf nach SPÖ-Ansicht "kein Dauerzustand" sein, es soll daher eine Maximaldauer für die Entsendung von Arbeitnehmern festgelegt werden. Bei längeren oder wiederholten Beschäftigungen müsse verpflichtend österreichisches Recht (Kollektivvertragsbestimmungen als auch Arbeitsrecht) für betroffene ausländische Arbeitskräfte zur Anwendung kommen.
4) Mehr nationale Spielräume beim Schutz der Arbeitnehmer. Die SPÖ betont, dass laut Europäischem Gerichtshof die Entsenderichtlinie vielfach eine Maximalregelung darstelle. Künftig sollen günstigere Regelungen für ausländische Arbeitnehmer jedenfalls aus nationaler Ebene zulässig sein.
An der Freizügigkeit des Personenverkehrs in der Europäischen Union, einem Eckpfeiler der EU, wird im SPÖ-Regierungsteam nicht gerüttelt. Burgenlands SPÖ-Landeshautpmann Hans Niessl hat hingegen einen Vorstoß von Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm, mittels Notfallklausel die Personenfreizügigkeit befristet auszusetzen, ausdrücklich unterstützt. Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske hat dies am Sonntag in der ORF-Pressestunde nur als Denkanstoß betrachtet. Der AK-Chef drängt vor allem auf vermehrte Kontrolllen, um ein Unterlaufen der gesetzlichen Regelungen und des Kollektivvertrags zu unterbinden. Er forderte deswegen, die Zahl der Mitarbeiter der Finanzpolizei von knapp 500 auf 1000 zu verdoppeln. Außerdem müse es für künftige neue EU-Mitglieder in Osteuropa ebenfalls Übergangsfristen geben, bevor sie frei auf den österreichischen Arbeitsmarkt tätig sein dürfen.
In der ÖVP und in der Wirtschaft wird jedenfalls das Infragestellen der Freizügigkeit des Personenverkehrs strikt abgelehnt. Dafür wäre auch die Zustimmung der 28 EU-Staaten notwendig. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner spricht deswegen auch von einer "Phantomdebatte". Viel wichtiger seien weitere bürokratische Entlastungen für die Unternehmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2016)