Mindestsicherung: Ohne Integration kein Sozialgeld

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Mehrere Bundesländer machen jetzt mit strengeren Auflagen für Asylberechtigte Ernst. In Vorarlberg und Niederösterreich müssen Betroffene unterschreiben, dass bei Weigerung Kürzung droht.

Bregenz/St. Pölten/Wien. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über eine bundesweite Neuregelung der Mindestsicherung (837 Euro für Alleinstehende pro Monat) laufen noch. Aber einzelne Bundesländer preschen angesichts des Flüchtlingsandrangs bereits vor. Sie schreiben ausdrücklich für das Land fest, dass es bei der Verweigerung von Integrationsmaßnahmen, etwa von Deutsch- oder Wertekursen, zur Kürzung der Mindestsicherung bis hin zum Wegfall kommt. In Vorarlberg müssen Asylberechtigte seit gestern, Montag, eine entsprechende Integrationsvereinbarung unterschreiben.

In Niederösterreich wird das künftig mit dem Antrag auf Mindestsicherung verpflichtend vorgeschrieben. Zwar sind Sanktionen grundsätzlich schon möglich, allerdings gibt es keine bundesweiten Daten, in wie vielen Fällen und ob dies bisher überhaupt gemacht wurde. Die ÖVP drängt deswegen darauf, dass bei der Mindestsicherung bundesweit Sanktionen in Form einer Muss- statt der bisherigen Kann-Bestimmung verankert werden.


Vorarlberg: Im westlichsten Bundesland müssen Konventionsflüchtlinge (Asylberechtigte) sowie subsidiär Schutzbedürftige (Personen ohne Asylstatus, die aber nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können) nun bei den Bezirkshauptmannschaften eine Integrationsvereinbarung unterschreiben. Darin werden sie auch aufmerksam gemacht, dass ein Boykott von Integrationsmaßnahmen wie schon bisher das Verweigern angebotener Arbeit zu Strafen führt, die im äußersten Fall das Ende des Aufenthalts in Österreich nach sich ziehen können. Die Regelung gilt rückwirkend für Asylberechtigte ab 1. Jänner 2016. Es wird erwartet, dass 500 bis 800 der gut 1500 Asylberechtigten die Integrationsvereinbarung unterzeichnen müssen. Ab 25. Februar beginnt in Vorarlberg ein erster Wertekurs für Flüchtlinge. Die ÖVP mit Vorarlbergs Landeshauptmann, Markus Wallner, hat auf die Integrationsvereinbarung gedrängt, die Grünen als Koalitionspartner mit Landesrat Grünen-Chef Johannes Rauch tragen die Maßnahme mit.


Niederösterreich: Im Landtag wird übermorgen, Donnerstag, über Antrag der ÖVP unter Verweis auf die Flüchtlingssituation und die steigenden Kosten für die Mindestsicherung eine Verschärfung beschlossen. Asylberechtigte müssen beim Antrag auf Mindestsicherung mittels Unterschrift bestätigen, dass sie mit dem Erhalt des Sozialgelds Integrationsverpflichtungen übernehmen. Wird das nicht eingehalten, drohen Kürzungen der Mindestsicherung wie bei Arbeitsverweigerung. Fix ist weiters: Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Mindestsicherung mehr, wenn sie Leistungen aus der Asylgrundversorgung beziehen. Ende 2015 gab es in Niederösterreich 3800 Asylberechtigte und 600 subsidiär Schutzberechtigte.


Burgenland: Dort sind subsidiär Schutzberechtigte schon jetzt von der Mindestsicherung ausgeschlossen, wenn sie die Grundversorgung in Höhe von rund 320 Euro pro Monat erhalten. Ende Jänner waren aber nur zwei Personen betroffen, wurde der „Presse“ im Büro von Landesrat Norbert Darabos (SPÖ) erklärt. Das rot-blau regierte Burgenland wartet vorerst Verhandlungen des Bundes über die Mindestsicherung und das bis März bestellte Gutachten ab, ob allgemein eine Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte zulässig ist. In Eisenstadt wird bestätigt, man diskutiere intern strengere Auflagen, wie den Besuch von Wertekursen.


Oberösterreich:Das seit Oktober 2015 von ÖVP und FPÖ regierte Bundesland hat bundesweit mit dem Plan zur weitreichendsten Einschränkung aufhorchen lassen. Schwarz und Blau wollen Menschen mit befristeter Asylberechtigung und subsidiär Schutzberechtigten generell die Mindestsicherung auf das Leistungsniveau der Grundversorgung von 320 Euro im Monat kürzen. Trotz scharfer Kritik von Verfassungsexperten wollen ÖVP und FPÖ an dem Vorhaben festhalten. In Kärnten fordert der Gemeindebund nun ebenfalls eine Reduktion für Flüchtlinge.

„GRUNDREGELN DES ZUSAMMENLEBENS“: WAS IN DER INTEGRATIONSVEREINBARUNG STEHT

In Vorarlberg müssen Asylberechtigte jetzt bei den Bezirkshauptmannschaften eine sogenannte Integrationsvereinbarung unterschreiben. Damit erklären sie, dass sie diese Regeln „akzeptieren“.
„Aktive Mitarbeit bei Integration“: Im ersten Teil wird erläutert, dass Österreich den Betroffenen ein Aufenthaltsrecht einräumt. „Österreich und Vorarlberg erbringen einen großen Einsatz für die Integration von Flüchtlingen. Wir erwarten daher von Ihnen die aktive Mitarbeit im Rahmen der Integration.“ Es würden „Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Geschichte friedlich zusammenleben. Das ist durch Gesetz gesichert und den Menschen wichtig.“

Keine Gewalt gegen Kinder und Frauen. Als „wichtige Grundregeln des Zusammenlebens“ werden in Teil zwei genannt: Österreich sei eine Demokratie, Gesetze würden von Vertretern des Volkes gemacht. „Das Gesetz verbietet jegliche körperliche und psychische Gewalt insbesondere gegen Kinder und Frauen.“ Das gelte im öffentlichen und privaten Bereich. „Der Staat handelt nach demokratisch vereinbarten Gesetzen“, die „von allen Religionen einzuhalten“ seien. „Jeder Mensch kann in Österreich das eigene Leben (Glauben, Tradition, Interessen, Sexualität) selbst gestalten. Er darf aber nicht gegen die Gesetze verstoßen. Frauen und Männer haben in Österreich die gleichen Rechte; beide bestimmen selbst über alle Aspekte ihres Lebens. Es besteht Kindergarten- und Schulpflicht für Mädchen und Buben.“
Integration. In Teil drei wird betont, alle Menschen, die in Österreich bleiben, müssten folgende Integrationsleistungen erfüllen: „Erlernen der deutschen Sprache – verpflichtender Besuch von Deutschkursen. Aneignen von Kenntnissen über die Grundwerte unserer Gesellschaft durch Besuch von Werte- und Orientierungskursen. Erwerb von Qualifikationen, die auf die Erwerbstätigkeit abzielen, sowie Bereitschaft zur Aufnahme von Arbeit.“
Sanktionen.
Der Verstoß gegen Gesetze oder die Verweigerung von Integrationsmaßnahmen ziehe Sanktionen nach sich – von Strafen über Leistungskürzungen bis zu „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2016)

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