Insassen: Oftmals zu späte Kontrollen

JUSTIZANSTALT GERASDORF AM STEINFELD
JUSTIZANSTALT GERASDORF AM STEINFELD(c) APA/ROBERT JAEGER
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Bei geistig abnormen Rechtsbrechern finden Überprüfungen nach wie vor nicht zeitgerecht statt, obwohl Österreich dafür schon verurteilt wurde. Weitere Strafen drohen.

Wien. Zu 3000 Euro Schadenersatz war Österreich im Vorjahr vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden. Der Grund: Die Überprüfung, ob jemand weiterhin in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher bleiben muss, dauerte zu lange. Dabei handle es sich um keinen Einzelfall, sagt der grüne Justizsprecher, Albert Steinhauser, zur „Presse“. Das habe seine parlamentarische Anfrage an Justizminister Wolfgang Brandstetter gezeigt.

So befanden sich mit Stand 1. Oktober 2015 in Österreich 788 Personen im Maßnahmenvollzug. In diesen kommt man als gefährlicher Rückfallstäter, als entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher oder wenn man als geistig abnormer Rechtsbrecher eingestuft wurde. Durch Überprüfungen soll nach jeweils einem Jahr festgestellt werden, ob noch Grund dafür besteht, die Person als Insassen zu behalten. Der EGMR hatte Österreich gerügt, weil man hier der Meinung war, dass es reiche, die Überprüfung innerhalb eines Jahres einzuleiten, aber nicht abzuschließen. Im Beschwerdefall war die Überprüfung erst nach 16 Monaten abgeschlossen.

Bei zumindest 539 Personen der 788 Insassen waren Überprüfungen nötig, es fanden aber bloß in 169 Fällen die Überprüfungen innerhalb eines Jahres statt. „Das heißt im Umkehrschluss, dass es bei 370 Häftlingen zu Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Überprüfungsverfahren gekommen ist“, sagt Steinhauser. Bei 136 Insassen habe die Überschreitung sogar mehr als 100 Tage betragen.

Mittersteig besonders betroffen

Besonders ins Auge stechen die Überprüfungsintervalle der Justizanstalt Wien-Mittersteig. Dort beträgt bereits das durchschnittliche Überprüfungsintervall 395 Tage − also mehr als das eigentlich vorgeschriebene Jahr. Von 96 überprüften Personen wurden bloß in sechs Fällen die Überprüfungsintervalle eingehalten.

„Aus rechtsstaatlicher Sicht sind die verspäteten Überprüfungen hoch problematisch. Gerade im sensiblen Bereich des Freiheitsentzugs ist höchste Sorgfalt notwendig“, sagt Steinhauser. Weitere Schadenersatzzahlungen an Insassen könnten auf die Republik zukommen, warnt der Abgeordnete. Er fordert, dass die Vollzugsgerichte konsequenter dafür sorgen müssten, dass der zeitliche Rahmen eingehalten werde. Zudem fehle es schlicht an geeigneten Gutachtern.

Mehr Geld für Psychiater?

Ein Problem dürfte die Bezahlung sein. So erhält man für ein Gutachten 116,20 Euro – egal, wie kompliziert und zeitaufwendig der konkrete Fall ist. Auch im Justizministerium weiß man von dem Problem. „Wir haben bereits im Herbst 2014 versucht, mit der Novelle des Gebührenanspruchsgesetzes gegenzusteuern, und waren auch bereit, circa drei Millionen Euro an jährlichen Mehrkosten dafür in Kauf zu nehmen“, wird erklärt.

Ziel sei ein Stundentarif für Psychiater gewesen, damit diese für aufwendige und zeitintensive Gutachten adäquat honoriert würden, erklärt eine Sprecherin Brandstetters. Der damals bereits fertige Entwurf sei aber am Widerstand der Ärztekammer gescheitert, vor allem, weil diese eine Verbesserung für alle Ärzte gefordert habe.

Man führe weiter Gespräche, betont das Ministerium. Und hoffe, im Rahmen des neuen Maßnahmenvollzugsgesetzes beim Entgelt für Psychiater zu einem Ergebnis zu kommen. Der Gesetzesentwurf wird für den Sommer erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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