Heftige Kritik aus Brüssel: "Slowenien ist Opfer Österreichs"

Faymann und Schulz
Faymann und Schulz APA/BKA/KERNMAYER
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Die EU fürchtet eine Humanitätskrise wegen Österreichs Tagesobergrenze für Flüchtlinge. Parlamentspräsident Schulz spottet über die "intellektuell brillante Leistung". Kommissionschef Juncker will Faymann zur Rede stellen.

In der EU und unter den Balkanstaaten wird eine humanitäre Krise binnen weniger Tage befürchtet - nach der Entscheidung Österreichs an der Südgrenze nur noch 80 Asylanträge täglich anzunehmen. Wie aus EU-Kreisen verlautete, wurde diese Besorgnis am Mittwochabend beim Treffen der EU-Spitzen in Brüssel mit den Staats- bzw. Regierungschefs von Kroatien, Serbien, Mazedonien und Slowenien formuliert. An dem Treffen nahmen auch EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und ein Vertreter der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft teil. Der Konsens bei dem Treffen habe gelautet, "Slowenien ist ein Opfer Österreichs", hieß es in EU-Kreisen.

Es bestehe die Angst, dass es binnen Tagen zu einer humanitären Krise bei den Flüchtlingen auf der Balkanroute komme, nach der einseitigen Entscheidung Österreichs, die gegen die geplante Koordinierung der Westbalkan-Staaten verstoße.

Juncker mag Österreichs Entscheidung nicht

Deutliche Kritik gab es auch von EU-Komissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Was Österreich betrifft, muss ich sagen, dass ich die Entscheidung nicht mag. Wir hinterfragen, ob diese Entscheidung in Einklang mit EU-Recht steht." Er werde am Nachmittag "eine freundliche Diskussion" mit dem österreichischen Bundeskanzler darüber haben.

Er habe die vergangen Monate schon "perfekt klargemacht, dass wir als Kommission keine nationalen Grenzkontrollen mögen. Ich folge nicht diesem allgemeinem Trend von immer mehr Grenzkontrollen. Das passiert, weil wir keinen europäischen Ansatz haben", sagte Juncker. Er werde weiter für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise eintreten.

Schulz: "Intellektuell brillante Leistung"

Heftige Kritik an dem Schritt kommt auch von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: Er hat Äußerungen aus Österreich in Bezug auf die EU zynisch als eine "intellektuell brillante Leistung" bezeichnet. Wenn die österreichische Regierung sage, sie nehme keine Flüchtlinge auf und gleichzeitig argumentiere, dass die EU nicht funktioniere, dann "ist das eine intellektuell brillante Leistung", sagte Schulz dem ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag. Er finde es "witzig", wenn Politiker wie Mikl-Leitner von "der EU" sprächen. "Was ist denn die EU? Die EU ist ihre Mitgliedstaaten."

Kritisch äußerte sich der deutsche Sozialdemokrat generell zu Grenzschließungen: "Wenn wir Grenzen schließen, sagen wir den Leuten, ihr müsst wieder dorthin zurück, wo gebombt wird", sagte er unter Hinweis auf russische Bombardements in Nordsyrien.

Mikl-Leitner: "Ersatzlösung auf Zeit"

Mikl-Leitner ließ sich trotz der kritischen Wortmeldungen am Donnerstag nicht von ihrem Kurs abbringen. Die Regelung sei keine "Scheinlösung", wie von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel kritisiert, sondern eine "Ersatzlösung auf Zeit", weil es derzeit keine "gemeinsame europäische Lösung gebe", so Mikl-Leitner.

Natürlich setze die gesamte österreichische Regierung auf eine europäische Lösung. "Weil wir aber wissen, dass diese Zeit brauchen, geht es jetzt darum, nationale Maßnahmen zu setzen. Und diese setzen wir nicht gegen Europa, sondern für mehr Europa", erklärte die Innenministerin. "Wenn wir jetzt nicht an nationalen Maßnahmen arbeiten, überlassen wir den Nationalisten die Oberhand, dann wird das mit einem gemeinsamen Europa schneller zu Ende sein als so mancher glaubt." Zwar habe auch die EU in den vergangenen Monaten Maßnahmen beschlossen, es fehle hier aber an der Umsetzung.

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