Kirchenglocken gegen FPÖ-Demo: "Keine Provokation"

Großquartier in der Ziedlergasse
Großquartier in der ZiedlergasseAPA/HARALD SCHNEIDER
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Der Dechant der Pfarre verteidigt die Absicht, während der FPÖ-Kundgebung Glocken läuten zu lassen. Die FPÖ spricht von "Protestgebimmel". Mehrere Gegendemos sind geplant. Der ÖAMTC befürchtet umfangreiche Staus.

Die FPÖ wird am Montagabend - nicht zuletzt mit Blick auf die Bundespräsidentenwahl - eine Kundgebung gegen das neue Flüchtlingsquartier in Wien-Liesing (Ziedlergasse 21) abhalten. Nicht nur die gesamte politische Konkurrenz und eine Reihe von Initiativen rufen zu Gegendemonstrationen auf. Ebenfalls geplant ist, während der Kundgebung der Freiheitlichen Friedensgebete in den Kirchen der Region abzuhalten, die traditionell vom Läuten der Kirchenglocken begleitet werden.

Der Ursprung der Initiative geht auf die evangelische Pfarrgemeinde in Wien-Liesing zurück. Mehrere katholische Kirchen im 23. Bezirk (Dekanat Liesing) beschlossen daraufhin, zur gleichen Zeit Friedensgebete abzuhalten. Dazu werden die Gläubigen wie üblich durch das Läuten der Kirchenglocken eingeladen.

Die Aktion ist jedoch auch innerhalb der beteiligten Kirchen nicht unumstritten. Nach "Presse"-Informationen gab es zum Teil wütende Protestschreiben und -anrufe, die sowohl in Liesing, als auch in der Zentralstelle der Erzdiözese einlangen.

„Das Läuten unserer Kirchenglocken und die Friedensgebete sind katholischerseits keine Einmischung in die Politik, keine Provokation und keine Gegenveranstaltung zu der zeitgleich stattfindenden FPÖ-Demonstration“, verteidigt nun Pfarrer Bernhard Pokorny, der Dechant von Liesing, die Aktion. Unter den Einwohnern des Bezirks Liesing gebe es momentan große Ängste wegen einer Flüchtlingsunterkunft und der Menschen, die dort einziehen werden. „Die Friedensgebete sind die authentische Antwort der Kirche auf Verunsicherung und Misstrauen. Kirchenglocken sind ein hörbarer Ausdruck der christlichen Prägung unserer Kultur. Anders als manche Sprechchöre und Trillerpfeifen schüren sie nicht Angst, sondern geben den Menschen Sicherheit – als Zeichen des Friedens und der Hoffnung“, so Pokorny. Die Glocken seien für die Demonstranten zwar hörbar, aber nicht so laut, dass sie die politische Veranstaltung stören könnten.

Pfarrer will "Völker zusammenführen"

Die Gläubigen, sagt Pokorny, beten bei den in mehreren Kirchen zeitgleich stattfindenden Liesinger Friedensgebeten für alle Menschen, Flüchtlinge und Einwohner, denn auf beiden Seiten gibt es Ängste. „Flüchtlinge sind in erster Linie Menschen. Solange sie bei uns wohnen, müssen wir sie auch menschenwürdig unterbringen. Dies löst offenbar aber auch Ängste aus. Friedensgebete und Friedensglocken nehmen sich der Angst an: der Angst der Flüchtlinge, aber auch der Angst jener, die sich vor den Flüchtlingen fürchten und jener, die um die Flüchtlinge besorgt sind. Nur Christus als Friedensbringer kann es gelingen, die Völker zusammenzuführen.“

Innerhalb der FPÖ reagiert man kritisch auf die Aktion der Kirche. Der Landtagsabgeordnete Wolfgang Jung bezeichnete die Aktion als „Protestgebimmel“ und verwies darauf, "dass schon in den Türkenkriegen Kirchenglocken nicht nur zu sakralen Zwecken sodern auch als Warnung vor drohenden Gefahren verwendet wurden." Hierfür zitierte Jung aus dem Osservatore Romano: „Wir können heute von einer arabischen Invasion sprechen…, das ist eine soziale Tatsache.“

Kritik an "Asylindustrie"

Laut Jung sei die primäre Aufgabe der Kirche, die Seelsorge und nicht ungesetzlich "Pseudokirchenasyl" zu gewährleisten. "Wie damals beim Missbrauch der Votivkirche, und auch die zunehmende Verwicklung von Vorfeldorganisationen in die sich immer mehr ausbreitende Asylindustrie ist zu hinterfragen."

Auf der Straße werden andere Gruppen präsent sein. Veranstaltet wird die "Kundgebung gegen den rassistischen FPÖ-Aufmarsch", die unter dem Motto "Flüchtlinge willkommen!" steht, von der "Offensive gegen Rechts", die auch bei den alljährlichen Protesten gegen den Akademikerball an vorderster Front steht, sowie der "Plattform für eine menschliche Asylpolitik". Diese hatte am 3. Oktober 2015 die Flüchtlings-Solidaritätsdemo mit mehr als 100.000 Menschen am Heldenplatz organisiert.

"Keinen Millimeter lassen"

Die Anti-FPÖ-Veranstaltung, die von der Polizei bereits genehmigt ist, startet am Liesinger Platz - und damit in unmittelbarer Nähe zur FPÖ-Kundgebung, bei der auch Parteichef Heinz-Christian Strache und Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer dabei sein werden. "Wir werden der FPÖ auf der Straße keinen Millimeter lassen", zeigte sich Plattform-Sprecherin Karin Wilfingseder kämpferisch.

Magdalena Augustin von der "Offensive gegen Rechts" betonte, dass man "rechte Parolen" vor bzw. tätliche Angriffe auf Flüchtlingsheime, wie sie in Deutschland passieren, verhindern wolle. Kritik übte sie auch an der Flüchtlingspolitik des Bundes: "Es ist erschreckend, dass die Regierung in die Stimmungsmache der FPÖ miteingestimmt hat." Michael Genner von "Asyl in Not" und Teil der Plattform für eine menschliche Asylpolitik sprach gar von einer "perversen Arbeitsteilung zwischen Regierung und FPÖ".

Staus erwartet

Der ÖAMTC befürchtet erhebliche Verzögerungen im Montag-Abendverkehr wegen der temporären Straßensperren. Staus seien ab etwa 17 bis 21 Uhr auf den Strecken rund um den Liesinger Platz, auf der Breitenfurter Straße in beiden Richtungen, auf der Wiener Gasse stadteinwärts sowie abschnittsweise auf Ketzergasse und Brunner Straße zu erwarten.

(APA)

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