Faymann: "Obergrenze, Zaun, was Sie hören wollen“

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Faymann: "Obergrenze, Zaun, was sie hören wollen“(c) APA
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Der SP-Kanzler verteidigte bei seinem umstrittenen Solo-Auftritt in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" den Schwenk in der Flüchtlingspolitik.

Selten hat eine ORF-Sendung für so viel Furore gesorgt, bevor noch eine einzige Minute davon über die Bildschirme lief. Von „Bestellfernsehen“ sprach die ÖVP, von einem „Kniefall“ die FPÖ, als der ORF (nach dem Vorbild der ARD) ankündigte, sein Diskussionsformat „Im Zentrum“ am Sonntagabend ausschließlich Werner Faymann und dessen Flüchtlingspolitik zu widmen. Die Sendung selbst lieferte dann nicht gleichermaßen viel Diskussionsstoff: Der Bundeskanzler wiederholte großteils bekannte Schlagworte von „kein Durchwinken mehr“ bis „Menschlichkeit und Ordnung“. Im Kern verteidigte Faymann erneut die österreichische Obergrenze für Asylanträge, forderte die Sicherung der EU-Außengrenze und eine Verteilung der Flüchtlinge auf die gesamte EU.

Die Bilder aus dem überfüllten griechischen Flüchtlingslager Idomeni nannte der SP-Chef „schrecklich“, dafür sei aber nicht die österreichische Politik verantwortlich. Die Lage dort zeige nur, dass man eine europäische Lösung brauche. In Verteilzentren in Griechenland müsse den Menschen klargemacht werden, „dass sie sich nicht aussuchen können, in welches Land sie kommen. Viele Flüchtlinge sehen das nicht ein oder wissen das nicht.“

"Sind nicht das Wartezimmer Deutschlands"

Neben Griechenland, das nicht für genügend Quartiere gesorgt habe, kritisierte Faymann auch jene EU-Länder, die nicht zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit sind. Leider habe sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel seinem Vorschlag, solchen Ländern auch mit Kürzungen von EU-Förderungen zu drohen, nicht angeschlossen. Auch bei anderer Gelegenheit setzte es Seitenhiebe für die einst wichtigste Verbündete in der Flüchtlingskrise: „Wir sind nicht das Wartezimmer Deutschlands“, betonte Faymann. Trotz seiner Willkommenspolitik habe sich Deutschland nicht sonderlich bemüht, Flüchtlinge direkt ins Land zu holen, sondern habe sie durch Österreich marschieren lassen. „Und da habe ich gesagt: 'Das kommt nicht in Frage'.“ Überhaupt bemühte sich der Kanzler sichtlich, Stärke zu demonstrieren, nachdem ihm im vergangenen Jahr vorgehalten worden war, in der Flüchtlingspolitik als bloßes Anhängsel der deutschen Kanzlerin zu fungieren.

Einen großen Teil der Sendung widmete Moderatorin Ingrid Thurnher der Frage, wie es zu diesem Schwenk kam: Er habe sich weder von der ÖVP („das ist eine Überschätzung des Koalitionspartners“) noch von schlechten Umfragewerten („beeindrucken mich überhaupt nicht“) umstimmen lassen, betonte der Kanzler. Er habe eben festgestellt, dass der Flüchtlingsstrom nicht abreiße und Österreich an seine Grenzen komme: „Es wäre zynisch, 100.000 unterzubringen und dann so zu tun, als könnte man Millionen aufnehmen.“

Im Vorjahr habe man „die Ärmel aufkrempeln und sich mit Notmaßnahmen behelfen“ müssen. Österreich alleine könne das aber nicht stemmen. „Das schaffen wir nicht“, so Faymanns Abwandlung von Merkels berühmten Motto in der Flüchtlingskrise. Es sei auch nicht menschlich, wenn Menschen in Parks übernachten müssten und man keine Arbeit oder Kindergartenplätze für sie habe. Mit der Einführung der Obergrenze habe Österreich „die Kollegen aufgeweckt, und sie haben das Durchwinken beendet“, sagte Faymann mit Hinweis auf die Schließung der Balkanroute.

Apropos Obergrenze: Zum Streit zwischen seiner Partei, die nur von einem „Richtwert“ sprechen wollte, und der ÖVP, die auf „Obergrenze“ bestand, meinte der Kanzler salopp: „Vergess mas, ist doch egal.“ Auch, dass sich viele Menschen über seinen Ausdruck „Türl mit Seitenteilen“ in Spielfeld lustig machten, störe ihn nicht. Er habe eben klarmachen wollen, dass der Zaun im Verhältnis zur gesamten Grenze sehr kurz sei. Aber auf Bezeichnungen kommt es dem SP-Chef offenbar ohnehin nicht mehr an: „Obergrenze, Zaun, was Sie hören wollen.“

Ein Abkommen zwischen der Türkei und der EU begrüßte Faymann zwar, er verlasse sich aber nicht darauf, dass es zustande kommt und dann auch hält. Die Türkei sei ein schwieriger Partner und habe "viele Trümpfe in der Hand", die EU werde ihre Haltung etwa in Menschenrechtsfragen aber nicht verkaufen. Einen Beitritt zur Union könne Ankara ohnehin nicht erzwingen. Zur Stunde gehöre die Türkei seiner Ansicht nach "überhaupt nicht" zur EU. 

Gedanke an künftige Auftritte

Die Aufregung über den Solo-Auftritt im Vorfeld schimmerte in der Sendung übrigens nur zwischen den Zeilen durch: „Danke, dass Sie unsere Einladung angenommen haben“, meinte Thurnher zu Beginn, mit Betonung auf „unsere Einladung“. Und Faymann dachte schon an künftige Auftritte: Zur Frage, ob Vereinbarungen mit der Türkei funktionieren, könne ihn die Moderatorin ja dann 2018 wieder einladen.

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