Jobwechsel statt Frühpension

Winfried Pinggera
Winfried Pinggera(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Generaldirektor der größten Pensionsversicherungsanstalt (PVA) in Österreich, Winfried Pinggera, tritt für ein Aufweichen des strengen Berufsschutzes ein.

Wien. Der Mann ist 33, Facharbeiter, aber gesundheitlich schon so angeschlagen, dass er seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Folge: Er geht krankheitsbedingt vorzeitig in Pension. Der sogenannte Berufsschutz bewahrt den Betroffenen davor, dass er einen anderen Beruf annehmen muss, den er trotz Gesundheitsproblemen übernehmen könnte.

Winfried Pinggera, der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), der mit Abstand größten österreichischen Pensionsinstitution, rüttelt an einem Beinahe-Tabu, dem strengen Berufsschutz für gelernte Arbeiter sowie Angestellte. Dieser gelte als „so heilig“, meint Pinggera. Damit sei Österreich aber „der letzte Staat in Europa“ – eine Kampfansage an die bisherige Verteidigungsposition der Gewerkschaft. Das Aufweichen der Schutzklausel zählt für den PVA-Chef zu jenen Maßnahmen, die dazu beitragen würden, dass die Österreicher im Schnitt später in Pension gehen. Schauplatz seines Tabubruchs war eine interne Veranstaltung des Wiener ÖAAB, zu der „Die Presse“ eingeladen war.

Pinggera kam Einwänden, dass Männer in anstrengenden, handwerklichen Berufen aus Gesundheitsgründen nicht bis zum gesetzlichen Pensionsalter von 65 Jahren arbeiten könnten, gleich zuvor. Ein Akkordfliesenleger mit 58 Jahren könne tatsächlich nicht bis 65 durchmachen: „Da sind die Bandscheiben und die Knie vorher kaputt.“ Aber er könne in einem Baumarkt, wo sich viele Kunden ohnehin über fehlende Beratung beklagten, arbeiten.

Einkommensschutz besser

Theoretisch. Denn praktisch scheitert das oft daran, dass der Betroffene einen Lohnverlust hinnehmen muss. Der PVA-Generaldirektor warnt daher selbst: „Es ist zu wenig, allein den Berufsschutz aufzulösen.“ Er spricht sich für einen Einkommensschutz aus, wobei mit staatlichen Mitteln Gehaltseinbußen abgefangen werden.

Beim Beispiel des 33-Jährigen sei ein anderes Vorgehen sinnvoll. Damit es nicht zur vorzeitigen Pensionierung wegen des Berufsschutzes kommt, müsse es eine Änderung geben. Zuerst sei zu klären, wie viel und was der Betroffene noch arbeiten könnte. „Wie schaut das Restleistungskalkül aus?“, heißt das in den Worten des PVA-Chefs. Umschulungen müssten einfach früher als bisher erfolgen.

Pinggera, der nicht in die Verhandlungen der Bundesregierung über das am 29. Februar geschnürte, kleine Pensionspaket eingebunden war, begrüßt daher ausdrücklich den vereinbarten Ausbau und die Verbesserung der Maßnahmen zur Rehabilitation. In der Runde des Wiener ÖAAB hielt er allerdings auch mit genereller Kritik nicht hinterm Berg. Man dürfe das Thema Pensionen und deren Reform „nicht isoliert“ sehen, sondern müsse es gemeinsam mit der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik betrachten. Neben langfristigen Pensionsreformen, die allerdings einmal eingeleitet werden müssten, sollten daher Rehabilitation und Umschulungsmaßnahmen früher einsetzen. Darüber hinaus müssten, damit Ältere länger im Beruf bleiben, auch mehr altersgerechte Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit dieser Forderung rennt er bei SPÖ und Arbeitnehmervertretern offene Türen ein.

Nur Minderheit splittet Pension

Das Pensionspaket der rot-schwarzen Regierung sieht unter anderem vor, dass das Pensionssplitting zwischen Ehepartnern für die Zeit der Kindererziehung ausgeweitet wird. Erklärtes Ziel: Mütter sollen damit mehr Pension erhalten. Statt bis zu vier Jahren, wie seit der Einführung im Jahr 2005, können künftig bis zu sieben Jahre als Kindererziehungszeit angerechnet und weiterhin freiwillig geteilt werden. „Vom gesetzlich zwingenden Pensionssplitting halte ich wenig“, stellt Pinggera klar.

Die freiwillige Teilung finde er aber gut, weil dies Frauen mehr Pension bringe. Freilich schränkt der PVA-Chef selbst ein: „Das Pensionssplitting ist ein Minderheitenprogramm.“ In den vergangenen Jahren haben es nur einige hundert Personen genützt. Die Gastgeberin, Wiens ÖAAB-Chefin Nationalratsabgeordnete Gabriele Tamandl, hat für diese Zurückhaltung eine Erklärung: Bei niedrigen Einkommen ergebe ein Splitting „zwei relativ niedrige Pensionen“.

ZUR PERSON

Winfried Pinggera ist seit 2009 Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Der Niederösterreicher hat in Wien Jus studiert. Er war während der schwarz-blauen Regierung von 2000 bis 2007 im Kabinett von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel maßgeblich an Pensionsreformen beteiligt: etwa am Anheben des Frühpensionsalters oder der Vorbereitung zur Abschaffung der Beamtenpensionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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