Martin Schlaff: "Strache bleibt nicht in der Schmuddelecke"

Martin Schlaff vor dem Fahrrad Theodor Herzls im Jüdischen Museum.
Martin Schlaff vor dem Fahrrad Theodor Herzls im Jüdischen Museum. Die Presse
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Für Martin Schlaff zählt Stärke alles und Macht nichts. Der Milliardär über sein rotes Parteibuch, neuen Antisemitismus, die Normalisierung der FPÖ – und einen Deal mit Haider.

Den wahrhaft mächtigen Menschen erkennt man daran, dass er tiefstapelt. Ich nehme an, Sie sind keine Ausnahme, wenn ich Sie jetzt frage: Wie mächtig sind Sie?

Martin Schlaff: Jetzt müsste ich das Klischee, das Sie vorgeben, bestätigen.

Stimmt.

Ich glaube, dass es Macht in unserer Gesellschaft gar nicht mehr gibt. Ich erinnere mich, als ich als Kind mit meinen Eltern ins Passamt in der Juchgasse ging. Dort war man Bittsteller, wurde man von Beamten angeschrien, wenn man an die falsche Tür geklopft hat. Diese Beamten waren mächtig.

Nicht wirklich, oder?

Doch. Dafür gibt es den wunderbaren alten hebräischen Ausdruck „Eved ki jimloch“ – „Wenn ein Knecht regiert“. Diese Beamten könnte man als Knechte bezeichnen in der Pyramide, in der Hackordnung. In diesen paar Stunden hatten sie Macht über die Menschen, die einen Pass brauchten. Das hat sich dramatisch geändert, quer durch die Gesellschaft und Familien. Es gibt zwei Psychologen: Haim Omer und Arist von Schlippe. Ihr Schlüsselwerk heißt: „Stärke statt Macht“. Ihre These, die ich unterschreibe: In unserer Gesellschaft gibt es kaum mehr Macht, und deswegen verkraften Kinder keine Macht mehr.

Was Sie sagen, gilt vielleicht für demokratische Gesellschaften.

Ich glaube nicht, dass der Bundeskanzler mächtig ist, ich glaube nicht, dass der Passbeamte mächtig ist, und ich halte mich auch nicht für mächtig.

Ich glaube schon, dass Sie einflussreich sind. Sie sind vermögend, kennen viele wichtige Leute. Sie können erreichen, was Sie sich vornehmen. Das ist Macht.

Es ist sicher leichter für mich, Ziele zu erreichen. Ich bin privilegiert, wie auch immer es dazu gekommen ist. Heute schaffe ich es, dass mir der eine oder andere Mensch eher zuhört als einem anderen. Aber das ist nicht Macht. Das ist Stärke. Mächtig wäre jemand, der auch illegitime Ziele erreichen kann. Für mich ist Macht negativ besetzt.

Wenn es so wäre, dass Politiker nicht mehr mächtig und vielleicht auch nicht stark sind, dann bröckelt die staatliche Autorität.

Man kann heute nicht mehr auf Macht aufbauen, sondern nur noch auf echte Autorität. Politiker, die korrupt sind oder nicht authentisch oder jeden dritten Tag ihre Meinung ändern, verlieren ihre Autorität. Die Demokratie sorgt dafür, dass sie weggespült werden.

Sehen Sie einen Autoritätsverlust der politischen Kaste?

Das hängt von der Qualität der handelnden Figuren ab. Im vergangenen halben Jahr hat Angela Merkel vielleicht an breitenwirksamer Anerkennung verloren. Davor aber hatte sie eine immense Autorität aufgebaut.

Sie waren mit Gusenbauer befreundet.

Bin ich noch. Ich schätze ihn sehr.

Warum hat Gusenbauer damals als Bundeskanzler so schnell an Autorität verloren?

Da tue ich mir schwer, weil das ins Persönliche geht. Alfred Gusenbauer hat es nach seinem Wahlsieg verabsäumt, das Liebesbedürfnis der Basis zu befriedigen.

War er zu abgehoben?

Er hat sich darauf konzentriert, sein Amt als Kanzler auszuüben, und sein Amt als Parteiobmann links liegen lassen. Das haben ihm viele Funktionäre übel genommen. Das hat zu seinem Sturz geführt. Er wollte unbedingt Bundeskanzler werden. Und ich glaube, er wäre ein großartiger Kanzler bis heute gewesen.

Es geht das Gerücht, Sie hätten Gusenbauer damals geholfen, die SPÖ mit erheblichen Spenden zu sanieren. Stimmt das?

Mich hat das noch nie jemand gefragt. Ich wusste auch nicht, dass es das Gerücht gibt. Aber die Antwort ist: Nein. Ist denn die SPÖ saniert?

Einigermaßen. Sie bezeichnen sich als Sozialdemokrat. Waren Sie je aktiv in der Partei?

Ich besitze ein Parteibuch.

Seit wann?

Als nach dem Innsbrucker FPÖ-Parteitag (und Jörg Haiders Wahl zum Parteiobmann; Anm.) Kanzler Franz Vranitzky 1986 die Koalition mit der FPÖ aufgekündigt hat, ohne den Parteivorstand zu befassen, bin ich der Partei beigetreten.

Dennoch nahmen Sie Jörg Haider später als interessanten Gesprächspartner wahr.

Irgendwann einmal ist die Rechtsanwältin Huberta Gheneff zu mir ins Büro gekommen. Sie hatte die Causa Haider von ihrem Kanzleikollegen Dieter Böhmdorfer geerbt, der nun Justizminister war. Es war ihr ein großes Anliegen, einen Vergleich mit Ariel Muzicant zu erreichen, der Haider geklagt hatte (Haider hatte bei der Aschermittwochsrede 2001 gesagt: „Ich verstehe überhaupt nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann“; Anm.).Gheneff meinte – apropos Macht –, dass mir Muzicant eher zuhört. Ich sagte ihr, das interessiert mich nur, wenn sich dadurch die Stimmung zwischen Österreich und den österreichischen Juden wesentlich verbessert. Ich konnte mir nur vorstellen, Muzicant von einem Vergleich zu überzeugen, wenn Haider die Restitution unterstützt.

Die Restitution war schon in Verhandlung?

Es wurde nicht wirklich verhandelt, die Bundesregierung und auch die Länder stiegen nicht darauf ein. Ich bat den Rechtsvertreter der Kultusgemeinde, Gheneff ein Memo zur Restitution zu schicken. Nach 14 Tagen rief sie mich an und sagte mir, sie sei schockiert. Auch Landeshauptmann Haider betrachte es als Schweinerei, wie die Republik mit geraubtem jüdischen Gut umgehe. Er werde die Restitution unterstützen. Ich empfahl Muzicant den Vergleich. Haider hielt Wort. Bürgermeister Häupl erzählte mir später, in der Landeshauptleutekonferenz habe er beim Thema Restitution einen wirklichen Alliierten: Haider. Haider wollte sich irgendwann bei mir bedanken. Das konnte ich nicht ablehnen. So lernte ich ihn kennen.

Ich hatte eher den Eindruck, Haider wollte mit der Restitution das Image der schwarz-blauen Regierung verbessern.

Mein Eindruck war konträr. Haider war viel zu irrational und emotional, um irgendein pragmatisch sinnvolles Ziel zu erreichen. Ich denke, er hat an die Restitution geglaubt.

Wie sehen Sie die schwarz-blaue Regierung heute?

Man kann Schüssel mögen oder nicht, aber er hat etwas bewegt. Das war gut für Österreich. Schüssel hat mir einmal voller Stolz gesagt: Sehen Sie, ich habe es geschafft, die kleinzumachen.

Damit hat er die FPÖ gemeint.

Dieses Lager. War das seine Motivation? Nein. Hat es nachhaltig gewirkt? Nein. Eines muss man aber schon sagen: Das dritte Lager ist seither und seit der Abspaltung des BZÖ keine homogene Gruppe mehr. In der FPÖ sind sicher ein paar Ewiggestrige, mit denen ich mich nie an einen Tisch setzen würde. Aber es gibt dort auch Leute, deren Wertesystem in Ordnung ist. Diese Entwicklung kam damals in Bewegung. Das wird auch gut sein für Österreich. Die FPÖ und Strache bleiben nicht in der Schmuddelecke. Das merkt man schon jetzt. Strache äußert sich in einer Art und Weise, die ich unterschreiben könnte.

Sie gehen also davon aus, dass die FPÖ demnächst an der Regierung ist?

Erstens ist die Große Koalition, wenn man sich die Sonntagsfragen anschaut, nicht mehr mehrheitsfähig. Zweitens erwarte ich, dass sich die FPÖ zum Positiven entwickelt. In ein paar Jahren wird die FPÖ einfach irgendeine Partei sein.

Mit Strache würden Sie sich also an einen Tisch setzen.

Ich bin im Vorstand des Vereins Österreich Hilfsbereit – die Not von Flüchtlingen geht nicht an mir vorbei. Gleichzeitig müssen wir uns vor Augen halten, was diese Menschen mitbringen. Wir haben schon mit den Türken eine neue Form des Antisemitismus importiert. Das sah man im Sommer 2014, als ein paar türkische Hooligans es lustig fanden, Fußballer von Maccabi Haifa bei einem Freundschaftsmatch in Bischofshofen zu attackieren. Wer eine Ahnung hat, was in syrischen, irakischen oder afghanischen Schulbüchern steht, weiß, dass mit der Migration auch eine gewaltige Welle des Antisemitismus über uns hereinbrechen kann. Das heißt nicht, dass wir Flüchtlinge abweisen sollen. Aber wir müssen zumindest darüber nachdenken, wie wir handeln. Strache ist der Einzige, der das aufgezeigt hat.

Es gab auch andere.

Strache war der Erste. Es wäre arrogant und zynisch, ihm zu unterstellen, dass er bloß salonfähig werde wolle. Ich kenne Norbert Steger, einen wirklichen Liberalen, sehr gut. Ich weiß, dass Strache aus der Burschenschafterecke für seine Israel-Reise und israelfreundliche Äußerungen attackiert wurde. Das ist kein Populismus. Das glaubt Strache wirklich. Ich hätte mir gewünscht, dass jemand aus meiner Partei solche Worte gefunden hätte. Ich muss Ihnen sagen, ich geniere mich für die SPÖ, wenn die Regierung über die Terroropfer in einem koscheren Pariser Supermarkt lediglich sagt, sie seien zur falschen Zeit am falschen Platz gewesen. Aber ich werde deswegen nicht die FPÖ wählen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich unter Schwarz-Blau nach dem Abzug des israelischen Botschafters für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel einsetzten?

Wolfgang Schüssel bat mich darum. Ich hielt es auch für richtig. Es lag kein ausreichender Grund für einen Abbruch der Gesprächsbasis vor. Deshalb habe ich mit Ariel Scharon gesprochen. Und Scharon hat dann auch eine Normalisierung eingeleitet, wenn auch mit etwas Zeitverzögerung.

Wie war Scharon?

Extrem vielschichtig. Ein Frontoffizier, ein Held, gleichzeitig ein großartiger Violinspieler, der die Autorität seiner Mama immer akzeptiert hat. Nach dem Unabhängigkeitskrieg bot man ihm bereits mit 16 oder 17 an, Berufsoffizier zu werden. Seine Mutter erlaubte es unter zwei Bedingungen: Erstens durfte er nicht aufhören, Violinstunden zu nehmen. Zweitens musste er nebenbei ein Jus-Studium absolvieren.

Wann sahen Sie ihn zuletzt?

Eine Weile vor seinem Schlaganfall.

Sind Sie jetzt wieder öfter in Israel? Eine Zeit lang durften Sie nicht einreisen.

Ich durfte schon einreisen. Ich wollte mir nicht antun, zu zwei Freunden, von denen einer noch dazu im Koma lag, in zwei Verfahren, die mittlerweile eingestellt wurden (Verdacht der illegalen Wahlkampffinanzierung für Scharon, Anm.), auszusagen. Deswegen habe ich darauf verzichtet. Mittlerweile war ich schon öfter in Israel.

Fühlen Sie sich missverstanden in Israel?

Ich glaube, dass Israels Strafverfolgungssystem nicht unter Kontrolle ist.

Es ist unabhängig.

Es ist eben nicht unabhängig. Die israelische Justiz traut sich keine Verfahren einzustellen, die in den Schlagzeilen sind. Es ist der veröffentlichten Meinung komplett hörig.

Das Problem haben Sie in Österreich nicht.

Noch nicht.

Stimmt es, dass Sie den israelischen Premier Yitzhak Rabin noch am Tag seiner Ermordung trafen?

Das war am 4. November 1995, er wurde am Abend ermordet, und ich habe den Nachmittag mit ihm verbracht, bei ihm zu Hause, zu zweit.

Worüber haben Sie gesprochen?

Er hat leidenschaftlich gern Tennis geschaut. Bei ihm habe ich den ersten Großbildschirm gesehen. Tennis hat mich weniger interessiert. Wir haben über Fußball gesprochen, über Familie, Politik, viel über Arafat und auch über Österreich. Er hat sich sehr für Österreich interessiert.

Warum?

Weil er meinte, Österreich und Israel hätten Gemeinsamkeiten: kleine Länder mit gut geschulter Bevölkerung.

Den Grundstein Ihres Vermögens legten Sie in einem besonderen Machtumfeld: in der DDR.

Das hatte zwei spezielle Gründe. Als Österreicher – als Neutraler – war man privilegiert. Die DDR wollte ihre Feinde, die Nato-Staaten, nicht unterstützen. Daher kaufte sie lieber bei Österreichern. Zweitens konnte man dort auch sehr viel leichter Geschäfte machen als in der westlichen Welt.

Warum?

Es gab in Prag, Moskau, Budapest oder Ostberlin eine Firma, die ein Import-Export-Monopol hatte. Wenn Sie mit dieser Firma in Geschäftsbeziehung waren, waren gewaltige Umsätze möglich, weil zum Beispiel ein einziges Möbelunternehmen für die ganze DDR das überschüssige Holz exportieren oder alle Spanplatten für die Möbelindustrie importierten konnte. Das war ein Büro, eine Adresse. Für jede Artikelgruppe ein Direktor. Man musste nur Vertrauen aufbauen, das System kennen und die Leute nicht enttäuschen. Und Mut musste man haben.

Warum Mut?

Die Bürokratie war ausufernd. Wenn ein DDR-Einkaufschef dringend Spanplatten brauchte, weil die Fabriken schon ohne Rohmaterial waren, benötigte er immer noch Monate, um alle Genehmigungen und notwendige Devisen zu beschaffen. Er sagte dann zu mir: Liefern Sie die Spanplatten, ich verspreche Ihnen, in fünf Wochen unterschreibe ich und gebe Ihnen das Geld. Die Firma Egger – gestandene Tiroler Industrielle – hätte sich das nie getraut. Wir als Händler schon.

Sie haben riskiert und zwischenfinanziert.

Es war eine typische Risk-reward-Situation. Die Handelsspanne war gut.

Nehmen Sie gern Risiko?

Das ist wahrscheinlich Teil meiner Grundpersönlichkeit.

Waren Sie so etwas wie ein Troubleshooter für die DDR?

Ja, das kann man so sagen.

Hat Sie das Ende der DDR überrascht?

Als es dann so weit war, nicht mehr. Aber ein Jahr davor hätte ich mir das nie vorstellen können.

War das für Sie zunächst nicht ein Schock? Sie verloren Ihre Geschäftsbasis.

Ich bin Optimist. Irgendwie muss es weitergehen. Ein Schock war es für mich insofern, als eine Gewissheit zusammengebrochen ist. Ich hatte bis dahin das Gefühl, 50 Kilometer östlich von Wien beginnt ein riesengroßes Gefängnis, das leider für immer besteht.

Hatten Sie da nicht auch den Gedanken, dass Sie mit Ihren Geschäften mithelfen, das System aufrechtzuerhalten?

Eigentlich nicht, weil ich gedacht habe, die DDR bleibt für ewige Zeiten, und mit meinen Geschäften geht es den Menschen ein bisschen besser.

Nach dem Fall der Mauer hatte Bundeskanzler Helmut Kohl höchstes Interesse, Sie juristisch zu verfolgen, um verschwundenem SED-Vermögen auf die Spur zu kommen.

Das war nicht angenehm, ging aber ohne Schaden vorbei. Ich hatte drei Zivilprozesse, die ich dann gewann. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Half Ihnen die KPÖ-Treuhänderin Fini Steindling, sich in der DDR zurechtzufinden?

Wir waren eher Konkurrenten. Ich bin übers Holz in die DDR gekommen, das war unsere Expertise, und das hat sich ausgeweitet in andere Branchen. Steindling war dort kraft ihrer Position verankert, denn die durchaus politisch denkenden Wirtschaftsleute der DDR haben gern die KPÖ finanziell unterstützt.

Loyalität scheint eine große Rolle bei Ihnen zu spielen. Nach dem Fall der Mauer hat der ehemalige Stasi-Oberst Herbert Köhler für Sie gearbeitet.

Köhler hatte ich nicht als Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, sondern als Außenhandelsfunktionär kennengelernt. Die Stasi-Leute waren getarnt im Außenhandel. Aber Köhler blieb auch nicht lange Zeit bei mir.

Ihre Telekomgeschäfte sind durch diverse Untersuchungsausschüsse bekannt. Ex-Telekom-Vorstand Stefano Colombo wurde später Finanzvorstand bei der Firma RHI, an der Sie beteiligt sind.

Colombo war kurze Zeit Finanzvorstand, aber nicht weil ich ihm vertraut habe. Ich war ja nicht im Aufsichtsrat.

Und für Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner hinterlegten Sie 2006 in Frankreich eine Million Euro Kaution?

Den habe ich nicht beschäftigt.

Aber es war ein Zeichen Ihrer Treue und Freundschaft zu Elsner.

Ich habe das Geld auch wieder zurückbekommen. Ich wollte dazu beitragen, dass Elsner das Auslieferungsverfahren auf freiem Fuß und nicht in einem Häfen in Südfrankreich abwarten kann. Deshalb habe ich die Kaution gezahlt. Das ist eine Frage der Freundschaft.

Es heißt, Ihr größtes Vorbild sei Ihr Vater gewesen.

Er war ein unglaublich starker Mensch. Er hat von August 1939 bis 1946 keine einzige Nacht in einem richtigen Bett verbracht. Und wenn ich ihn gefragt habe, was eigentlich das Schwierigste in dieser Zeit war, hat er mir gesagt, es war keine schwere Zeit.

Kann das stimmen?

Das war authentisch. So hat er es empfunden. Er ist vor den Nazis in die Sowjetunion geflüchtet, war im Gulag, und er hat gesagt, im KZ und auf den Schlachtfeldern war es viel schlimmer. Er hat überlebt.

Worin bestand die Vorbildfunktion Ihres Vaters?

Stärke.

ZUR PERSON MARTIN SCHLAFF

Familie. Martin Schlaff, geboren am 6. August 1953 in Wien, wuchs als Sohn strenggläubiger Juden auf. Seine Eltern stammten aus der Nähe polnischen Stadt Oświęcim (Auschwitz). Sie waren vor den Nazis zunächst in die Sowjetunion geflohen und kamen 1949 auf der Flucht vor den Kommunisten nach Österreich. Zwei von Schlaffs Großeltern wurden im Holocaust ermordet.

Osthandel.
Martin Schlaff gilt als einer der reichsten Österreicher. Grundlage seines Milliardenvermögens waren Geschäfte in der DDR für die Firma Robert Placzek. Die deutsche Justiz warf ihm nach der Wende illegale Technologietransfers und Geldwäsche für die DDR vor, deren Stasi ihn als informellen Mitarbeiter führte. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Unternehmer.
1998 eröffnete Schlaff in Jericho das Casino Oasis, das jedoch wegen der Intifada zwei Jahre später geschlossen wurde. Israels Justiz ermittelte wegen des Verdachts auf illegale Finanzierung Scharons, Liebermanns und Deris. 2002 erwarb Schlaff die bulgarische Mobiltel und verkaufte sie mit großem Gewinn an die Telekom Austria. Im Untersuchungsausschuss entschlug sich Schlaff 72-mal der Aussage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2016)

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