Gesundheitspolitik: Immer mehr gehen zum Wahlarzt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Grünen warnen vor einer zunehmenden Zweiklassenmedizin. Sie fordern die Aufwertung des Allgemeinmediziners zum Facharzt.

Wien. Stundenlange Wartezeiten für Patienten in den Spitalsambulanzen, unzufriedene Ärzte wegen der Reformvorhaben von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ): Neben der Bildungsreform macht der grünen Parlamentspartei die Entwicklung im österreichischen Gesundheitswesen Kopfzerbrechen. Sie ortet eine Tendenz in Richtung Zweiklassenmedizin.

Ein Indiz dafür: Die Zahl der Wahlärzte nimmt im Vergleich mit den Kassenarztstellen zu, ganz besonders bei den Fachärzten. Die Versicherten weichen zunehmend zu Wahlärzten aus, um längeren Wartezeiten zu entgehen.

Die Gesundheitssprecherin der Grünen, Eva Mückstein, sieht Vergleichszahlen basierend auf Daten der Ärztekammer als Bestätigung. Demnach standen im Jänner dieses Jahres 9655Mediziner ohne Kassenvertrag insgesamt 6946 Ärzten mit Kassenvertrag gegenüber. Damit stieg die Zahl der Wahlärzte um rund 30Prozent, jene der Wahlärzte bei den Allgemeinmedizinern um 17 Prozent.

Die Antwort der Grünen auf diese Entwicklung: Es müsse vor allem der Allgemeinmediziner aufgewertet werden. Denn grundsätzlich gebe es in Österreich genug Ärzte, aber es herrsche vor allem ein Mangel an niedergelassenen Ärzten im ländlichen Raum. Die Grünen treten daher für eine Aufwertung der Allgemeinmediziner zu Fachärzten ein.

Hausarzt mit Hausapotheke

Der niedergelassene Bereich soll vor allem für junge Ärzte attraktiver werden: durch Gruppenpraxen, bessere Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben. Unterstützung gibt es von den Grünen für Ministerin Oberhauser bei der Schaffung von Primärversorgungszentren, in denen Allgemeinmediziner künftig etwa auch mit Pflegepersonal oder Sozialarbeitern zusammenarbeiten sollen.

SPÖ und ÖVP haben erst diese Woche im Parlament eine Initiative gestartet, damit Arztpraxen auf dem Land leichter nachbesetzt werden können. In diesen Fällen sollen niedergelassene Allgemeinmediziner künftig Hausapotheken führen dürfen, wenn es keine öffentliche Apotheke im Umkreis von vier Kilometern statt bisher sechs Kilometern gibt. Versorgungsmängel ortet Mückstein außerdem vor allem bei Kinderärzten, Gynäkologen, Psychiatern sowie Psychotherapeuten.

Ihre grüne Klubkollegin Gabriela Moser hält vor allem Änderungen im Zuge des neuen Finanzausgleichs für notwendig, um von einem Sparkurs im Gesundheitswesen wegzukommen. Eine der Forderungen: Ausweitung der Kompetenzen des Bundes und damit der Gesundheitsministerin. Zur Entlastung der Ärzte, und damit diese mehr Zeit für Patienten haben, müsse der Pflegeberuf aufgewertet werden. Es solle auch sogenannte „district nurses“, eine Art Gemeindekrankenschwester, geben.

Gründe für den jetzigen Vorstoß der Grünen sind die bis zum Sommer geplante Neuregelung des Finanzausgleichs sowie das heftige Tauziehen um die geplanten Primärversorgungszentren. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2016)

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