Anspruch und Wirklichkeit: Der (wenig) mutige Präsident

HEINZ FISCHER BEI BP THOMAS KLESTIL
HEINZ FISCHER BEI BP THOMAS KLESTILRoland Schlager / APA / picturedesk.com
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Im Wahlkampf werben die Kandidaten damit, ihre Rechte als Bundespräsident energisch zu nutzen. Die Geschichte zeigt, dass die Praxis anders aussieht.

Wien. Als Staatsoberhaupt Michael Hainisch einmal sein Taschentuch verlor, hob es ein Passant auf. Hainisch bedankte sich. Das Taschentuch, so sagte der Bundespräsident, sei die einzige Sache, in die er seine Nase stecken dürfe.

Der öffentliche Anspruch an das Amt des Bundespräsidenten wandelte sich seit der Zeit Hainischs, der von 1920 bis 1928 als Staatsoberhaupt amtierte. Nicht nur, weil der Bundespräsident 1929 mit mehr Kompetenzen ausgestattet wurde, sondern auch, weil insbesondere im Wahlkampf die Kandidaten betonen, ein starker Bundespräsident sein zu wollen. „Macht braucht Kontrolle“ war schon der Wahlspruch Thomas Klestils in Richtung Regierung. Heutzutage versuchen die Kandidaten erst recht, sich bezüglich ihrer Ankündigungen zu überbieten. Mutig wollen alle sein, mancher erwägt, die Regierung zu entlassen, wenn sie nicht spurt. Oder den Nationalrat aufzulösen (das kann der Bundespräsident aber nur auf Vorschlag der Regierung).

Waren Bundespräsidenten bisher mutig, wenn es darauf ankam? Schon Wilhelm Miklas hätte allen Grund gehabt, von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Die infolge einer Abstimmungspanne geschehene Selbstausschaltung des Nationalrats 1933 benützte die Regierung von Kanzler Engelbert Dollfuß, um einen austrofaschistischen Ständestaat zu errichten. Miklas entließ die Regierung trotz seiner Gewissensbisse nicht. Auch forderte er nie von der Regierung einen Vorschlag zur Auflösung des Nationalrats ein, wodurch man das Parlament hätte wiederbeleben können.

In der Hofburg die Tagespolitik vermisst

In der Zweiten Republik gaben sich die Bundespräsidenten auch eher zurückhaltend. Niemand ließ es auf eine echte Machtprobe ankommen. Wenn, dann wurde nur im Hintergrund Macht ausgeübt. Etwa, als Leopold Figl (ÖVP) 1953 damit liebäugelte, den FPÖ-Vorläufer VDU (Verband der Unabhängigen) in die Regierung einzubinden. Der Sozialdemokrat in der Hofburg, Theodor Körner, verhinderte dies mit Verweis darauf, dass eine Regierungsbeteiligung des VDU bei den Staatsvertragshandlungen hinderlich wäre.

Bundespräsident Adolf Schärf klagte in seiner Zeit in der Hofburg (1957–1965) gegenüber Freunden, wie sehr er die Tagespolitik vermisse. Bundespräsident Franz Jonas gewährte Parteifreund Bruno Kreisky 1970 nach zuvor erfolglosen Koalitionsverhandlungen eine Regierung ohne Mehrheit im Parlament – von der FPÖ geduldet. Rudolf Kirchschläger wurde mehr durch seine Reden („Trockenlegen der Sümpfe und sauren Wiesen“) bekannt als durch Machtdemonstrationen. Der außenpolitisch isolierte Kurt Waldheim erreichte auch innenpolitisch nicht viel. Thomas Klestil kämpfte im Jahr 2000 vergeblich gegen Schwarz-Blau. Das Einzige, was er ausverhandeln konnte, war eine proeuropäische Präambel, die die Regierung unterzeichnen musste. Zudem wurden Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn nicht Minister.

Auch Heinz Fischer mahnte nur, wenn etwas nicht passte. Etwa, als die Regierung 2010 verfassungswidrig das Budget zu spät vorlegte. Bei der Debatte um die rechtlich heikle Obergrenze ließ sich Fischer heuer von der Regierung informieren. Von einer Kopfwäsche des Bundespräsidenten wollte nach dem Gespräch niemand etwas wissen.

Khol wollte Präsidenten Rechte nehmen

Im Zuge des Österreich-Konvents (2003–2005) wurde sogar diskutiert, die Macht des Bundespräsidenten auch gesetzlich wieder zu beschränken. Vor allem Andreas Khol, damals Nationalratspräsident, tat sich hervor. Er plädierte dafür, dem Bundespräsidenten das Recht auf Abberufung der Regierung und Auflösung des Nationalrats zu nehmen. Der Kanzler solle vom Nationalrat gewählt statt vom Bundespräsidenten ernannt werden. Der heutige Hofburg-Kandidat Khol betont aber, dieser Ansatz sei als Teil einer umfassenden Verfassungsreform gedacht gewesen. Und dafür gebe es heute keine Mehrheit.

Wer also auch immer neuer Präsident wird, er darf über Machtbefugnisse verfügen. Zumindest auf dem Papier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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