Prölls Entschädigung für Khol

Demonstrative Harmonie zwischen Erwin Pröll und Hofburgkandidat Andreas Khol beim Wahlkampftermin in Grafenegg.
Demonstrative Harmonie zwischen Erwin Pröll und Hofburgkandidat Andreas Khol beim Wahlkampftermin in Grafenegg.Jakob Glaser
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Nachdem er den Wahlkampf konterkariert hatte, bot Erwin Pröll die „volle Präsenz“ seiner Landespartei für Andreas Khol auf. Verraucht ist der Unmut in Teilen der Partei allerdings nicht.

Graz/Grafenegg/Wien. Politik kann mitunter grausam sein. Kaum einer weiß das besser als Andreas Khol, der seit Jahrzehnten in der Politik ist. Ausgerechnet im Finale des Präsidentschaftswahlkampfs, wo die ganze Aufmerksamkeit auf den Kandidaten fokussiert sein sollte, beliebte es Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, die Regierung in Wien umzubilden. Dem Vernehmen nach, weil er seine Nachfolgerin als Landeshauptmann, Johanna Mikl-Leitner, nicht um eine allfällige Khol-Niederlage beschädigt sehen wollte.

Doch Erwin Pröll will sich auch nicht nachsagen lassen, für eine solche Wahlniederlage mitverantwortlich zu sein. Die ÖVP-Wahlkampfmaschinerie läuft in Niederösterreich seit Wochen auf Hochtouren, Khol soll hier ein herzeigbares Ergebnis einfahren.

Montagabend bot Erwin Pröll dann die „volle Präsenz“ der niederösterreichischen ÖVP auf, wie er das selbst nannte. Draußen auf dem Parkplatz reihte sich Bus an Bus, Auto an Auto, drinnen platzte das Auditorium des Schlosses Grafenegg förmlich aus allen Nähten. Mit Standing Ovations wurde Andreas Khol empfangen, die Stimme des Moderators überschlug sich fast vor Begeisterung. Eine Stimmung, als stünde der Wahltriumph Andreas Khols unmittelbar bevor. Bei dem seit längerem geplanten „Abend für Andreas Khol“.

Gleich zu Beginn ging auch Erwin Pröll auf die Ereignisse der vergangenen Tage ein: Man könne immer trefflich darüber streiten, wann denn der ideale Zeitpunkt für einen Wechsel in der Regierung sei. Er aber habe sich nicht von taktischen Überlegungen leiten lassen wollen: „Denn wir in Niederösterreich treffen unsere Entscheidungen rasch, klar und zukunftsorientiert.“ Mit aller Kraft sei man nun für Andreas Khol da.

Johanna Mikl-Leitner assistierte ebenfalls: „Andreas Khol hat mich von der ersten Minute an unterstützt, als es heftigen Gegenwind gegen meine Flüchtlingspolitik gab.“ Und Justizminister Wolfgang Brandstetter meinte, in der Öffentlichkeit werde ein verzerrtes Image von Andreas Khol wiedergegeben: Dieser sei in Wirklichkeit ein überaus modern denkender Mensch.

Auch Andreas Khols Ehefrau Heidi hatte ihren großen Auftritt in Grafenegg: „Mein Mann findet immer klare Worte.“ Nachsatz. „Das ist aber nicht immer fein.“

Spöttische Kritik

Und dennoch: Ganz wegreden lässt sich das Unverständnis in großen Teilen der Partei über die Personalrochaden mitten im Präsidentschaftswahlkampf nicht. Der steirische Landesrat und Obmann der schwarzen Arbeitnehmervertretung (ÖAAB) in der Steiermark, Christopher Drexler, etwa hält mit seinem Unmut nicht hinter dem Berg, also hinter dem Semmering: „Über kurz oder lang muss die ÖVP über die Achse St. Pölten–Linz hinaus spürbar werden“, warnte er am Montag im Gespräch mit der „Presse“. Seine Forderung: „Es braucht eine weitere Verästelung im Bundesgebiet.“ Drexler hat schon bei früheren Gelegenheit vor einer vor allem geistigen Verengung der Volkspartei gewarnt.

Damit spielt er auf die Dominanz der beiden ÖVP-Landesorganisationen in Nieder- und Oberösterreich in der Bundespolitik an. Dort ist seit August 2014 der Oberösterreicher Reinhold Mitterlehner Nachfolger der Niederösterreicher Michael Spindelegger und Josef Pröll, davor war der Oberösterreicher Wilhelm Molterer ÖVP-Obmann. In St. Pölten ist Erwin Pröll seit 1992 Landeshauptmann, in Linz Josef Pühringer seit 1995.

Drexler lässt auch, ohne direkte Kritik an Niederösterreichs ÖVP oder an der Bundespartei zu üben, klar erkennen, dass er den Wechsel im Innenministerium zwei Wochen vor der Wahl mit Blick auf die Kandidatur des ÖVP-Kandidaten für einen Fehler hält. In den spitzen Worten des steirischen ÖVP-Politikers: „Ich war noch nie so motiviert, für den Andreas Khol zu laufen, wie in diesen Tagen.“

„Nehme an, dass ich Chef bin“

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner räumte Montagabend in der „ZiB 2“ ein, die Rochade habe „überraschend stattgefunden“. Er aber sei es gewesen, der Wolfgang Sobotka als seinen Wunschkandidaten als neuen ÖVP-Innenminister vorgeschlagen habe. Und, sagte Mitterlehner auf die Machtverhältnisse in seiner Partei angesprochen: „Ich nehme an, dass ich der Chef bin.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. April 2016)

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