Stöger kontert Niessl: Sektorale Arbeitsverbote EU-widrig

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Die Entsenderichtlinie sorge dafür, "dass wir in Europa Lohn- und Sozialdumping verhindern können", betonte der Sozialminister.

Der Wunsch des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl, zeitweise die Aufnahme von Arbeitnehmern aus EU-Ländern für gewisse Branchen einzuschränken oder zu verbieten, ist "mit dem europäischen Recht derzeit nicht zulässig", sagte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im "ORF-Mittagsjournal". Für Bürger aus Drittstaaten (Nicht-EU-Länder) gebe es das schon.

"Die Entsenderichtlinie hat eine wichtige Funktion, sie macht möglich, dass wir in Europa Lohn- und Sozialdumping verhindern können", sagte Stöger. Niessl hatte die Abschaffung der Richtlinie gefordert. Niessl habe sich dazu heute "ein bisschen zu unscharf" geäußert, sagte nun Stöger. Man müsse das aus der "konkreten Situation im Burgenland" verstehen. Mit seiner Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz habe Niessl hingegen "völlig Recht" - das habe er, Stöger, selber im Ministerrat so gefordert, und auch in Verhandlungen mit der EU-Kommission sei es ihm gelungen, "das unterzubringen". Die EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen habe sich zu diesem Prinzip bekannt. "Da haben wir eine gemeinsame Linie gegenüber der EU-Kommission. Ich sehe mich da von Niessl unterstützt."

Haubner warnt vor "unüberlegten Schnellschüssen"

Gegen "unüberlegte Schnellschüsse, wie eine Abschaffung der Entsenderichtlinie" ist Wirtschaftsbund-Generalsekretär ÖVP-Wirtschaftssprecher Peter Haubner. Eine Abschaffung würde heimischen Unternehmen einen deutlichen Wettbewerbsnachteil bringen. "Das darf nicht passieren." Für ein exportorientiertes Land wie Österreich hätte das deutliche Nachteile. "Das schwächt den Standort. In weiterer Folge wären dann auch heimische Arbeitsplätze gefährdet", so Haubner.

"Völliges Unverständnis" erntet Niessl mit seiner Forderung, die Entsenderichtlinie aufzukündigen und bestimmte Branchen in Österreich für Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern zu schließen, beim Wirtschaftssprecher der Neos, Sepp Schellhorn. Das würde keinen einzigen Arbeitsplatz sichern. Das Problem des heimischen Arbeitsmarktes seien zu hohe Lohnnebenkosten und zu geringe Flexibilität. Außerdem schade er mit seiner Forderung, eine der Grundfreiheiten der EU "für billigen Populismus zu opfern", der Union als Ganzes.

Schellhorn trägt damit ähnliche Argumente wie Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Nicht die Entsendung von Arbeitskräften, sondern die stetig nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sei die "mit Abstand größte Gefahr für unsere heimischen Arbeitsplätze. Unsere Betriebe kämpfen mit einer kosten- und zeitintensiven Bürokratie und Überregulierung, die ihresgleichen sucht. Hinzu kommen eine nach wie vor extrem hohe Steuer- und Abgabenquote für Unternehmen sowie ein restriktives und unflexibles Arbeitsrecht", schreibt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Reaktion. "Abschottung hat noch zu keinem Zeitpunkt und noch nirgendwo zu Wachstum beigetragen."

"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort"

Niessls Forderungen kämen einer Schließung des Arbeitsmarkts für EU-Ausländer gleich und würden auch die Tätigkeit österreichischer Arbeitnehmer im Ausland konterkarieren, so Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit, in der WKÖ. Das wäre für ein erfolgreiches Exportland wie Österreich fatal. Etliche Branchen wie der Pflege- und Gesundheitsbereich hätten auch so große Probleme, geeignete Fachkräfte zu finden.

Für das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" ist auch die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster, aber "wir dürfen uns mit einer Einschränkung des EU-Binnenmarktes nicht selbst ein Bein stellen". Die heimischen Betriebe müssten geschützt werden, indem Wettbewerbsgleichheit geschaffen und durch Kontrollen auch durchgesetzt wird. "Grenzen dicht" zu rufen, sei aber ein vorschneller Schritt, "der auch Auswirkungen auf die heimischen Betriebe haben" werde. Es drohten zu wenig Arbeitskräfte für den Bau, den Tourismus und die Hotellerie und andere Branchen. Zielführender wäre es, Gelder sinnvoll in Konjunkturmaßnahmen zu stecken.

(APA)

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