Asyl: Korb für Länder und roter Widerstand

Etwa 40 Vertreter von Jugend- und Vorfeldorganisationen der SPÖ protestierten am Donnerstag gegen ein strengeres Asylrecht. Steuerflucht koste mehr, meinten sie.
Etwa 40 Vertreter von Jugend- und Vorfeldorganisationen der SPÖ protestierten am Donnerstag gegen ein strengeres Asylrecht. Steuerflucht koste mehr, meinten sie.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Im parlamentarischen Innenausschuss wurden die geplanten Asylgesetze eingebracht. Sie ermächtigen die Regierung, strenge Regeln an der Grenze auszurufen. Dass der dafür nötige Notstand droht, ist aber in der SPÖ umstritten.

Wien. Sie war schon länger geplant, die Novelle im Asylrecht. Erst durch den am Donnerstag im parlamentarischen Innenausschuss eingebrachten Änderungsantrag aber wird das Thema so richtig umstritten. Sind darin doch die erst kürzlich paktierten Änderungen enthalten, durch die die Zahl der Asylanträge stark eingeschränkt werden soll. Doch was soll genau beschlossen werden, und worum dreht sich die politische Debatte?

1 Welche Ermächtigungen für die Regierung sieht die Novelle vor?

Wenn der Ansturm an Asylsuchenden zu groß ist, sollen weite Teile des Asylrechts außer Kraft gesetzt werden. Dies war einer der Hauptpunkte im juristischen Gutachten, das die Bundesregierung von den Experten Bernd-Christian Funk und Walter Obwexer angefordert hatte. Die beiden Juristen hatten eine solche Sonderregelung für EU-rechtskonform erklärt. Laut EU-Recht kann ein Mitgliedstaat seine Rechte aussetzen, wenn sonst ein Notstand droht.

Diese Möglichkeit soll nun in einem eigenen neuen Abschnitt im Asylgesetz verbrieft werden. „Stellt die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats mit Verordnung fest, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit gefährdet sind“, sollen die Sonderbestimmungen per Verordnung eingeführt werden können, heißt es in dem der „Presse“ vorliegenden Gesetzesentwurf.
Neben der Regierung muss also auch das Parlament den Sanktus für die Notregeln geben, was in Anbetracht der Koalition aber keinen Stolperstein darstellen sollte.

2 Welche Folgen hätte es, wenn die Notstandsregeln gelten?

Der Zugang zum Asylrecht soll stark eingeschränkt werden. So würden Asylanträge nur noch an kontrollierten Grenzübergängen gestellt werden dürfen. Zudem soll es Schnellverfahren geben und Anträge auf Asyl nur in Ausnahmefällen behandelt werden (Verstöße gegen bestimmte Menschenrechte). Da Leute, die aus sicheren Drittstaaten nach Österreich einreisen, in aller Regel nicht um ihr Leben oder ihre Unversehrtheit fürchten müssen, bleibt das Privat- und Familienleben der relevanteste Grund, überhaupt noch ins Land zu gelangen. Wer schon seine Kernfamilie in Österreich hat, müsste also zum Verfahren zugelassen werden.

3 Was bedeutet das neue „Asylrecht auf Zeit“?

Eigentlich war Asyl immer nur für so lang angedacht, bis die Bedrohung für eine Person wegfällt. In der Praxis blieben Asylberechtigte aber meist für immer. Im Gesetzesentwurf wird nun klargestellt, dass Asylberechtigten nur „eine befristete Aufenthaltsberechtigung“ zukommt. Diese beträgt drei Jahre. Das Aufenthaltsrecht „verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird“. Dieser Teil des Gesetzes soll auch schon ohne Regierungsverordnung gelten.

4 Plant die Regierung, die möglichen Notstandsregeln zu verordnen?

Davon ist auszugehen, denn gerade dafür soll das Gesetz ja novelliert werden. Ziel der Regierung ist, dass heuer nicht mehr als 37.500 Asylanträge gestellt werden. Da es aber rechtlich unzulässig wäre, eine fixe Obergrenze ins Gesetz zu schreiben, griff man zur nun geplanten Gesetzesregelung.

Das Gesetz soll auch schnell durch den Nationalrat gebracht werden. Zunächst wollte man die Novelle sogar ohne Begutachtung beschließen, nun ist nach Protesten eine kurze Begutachtung geplant (eine Woche lang). Der Beschluss des Gesetzes wäre frühestens in den Plenarsitzungen am 27. oder 28. April möglich.

5 Woran könnten die neuen Regeln doch noch scheitern?

Zum einen gibt es Widerstand aus mehreren Ländern. Sie fürchten Mehrkosten, weil abgewiesene Asylwerber sich im neuen System an die Landesverwaltungsgerichte wenden können sollen und nicht wie bisher üblich an das Bundesverwaltungsgericht („Die Presse“ berichtete am Donnerstag). Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zeigte aber gestern wenig Verständnis für die auch aus schwarz regierten Ländern geäußerten Sorgen. So verweist die Ministerin darauf, dass sich die Länder durch die verschärften Asylregeln andernorts Geld sparen würden.

Zum anderen gibt es auch Widerstand von SPÖ-Seite. Vertreter roter Teilorganisationen demonstrierten am Donnerstag vor dem Parlament. Aus den Landesparteien kommt ebenfalls Protest gegen schärfere Asylgesetze. Tirols SPÖ-Chef, Ingo Mayr, sprach von einer geplanten „Über-Nacht-Verordnung“, die die Genfer Konvention aushebeln würde. „Das geht zu weit“, sagte er. Auch aus der Steiermark gibt es roten Widerspruch.

Häupl sieht keinen Notstand

Am stärksten ist die Debatte aber in Wiens SPÖ. Bürgermeister Michael Häupl erklärte im ORF-Radio, derzeit keinen Notstand beim Thema Asyl zu sehen. Es sei aber durchaus zu befürworten, dass man sich im Gesetz auf einen etwaigen Notstand vorbereite. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) richtete via „Standard“ parteiinternen Kritikern aus, dass es ein „Strache-Förderprogramm“ wäre, wenn man weitere Hunderttausende Flüchtlinge ins Land lasse, die man nicht integrieren könne. Für Mikl-Leitner ist klar, dass in Österreich bereits ein Notstand drohe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

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