Wie man den idealen Präsidenten bastelt

Petra Winkler
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Im Rennen um die Hofburg versuchen die Kandidaten, sich gegenseitig zu überbieten. Doch welche Fähigkeiten muss ein Staatsoberhaupt mit sich bringen, um beim Volk beliebt zu sein?

Eine Diskussion, in der man sprachlich brillieren muss. Ein Auftritt auf dem Marktplatz, um sich volksnah zu geben. Ein Interview, in dem man auf mögliche Wissenslücken abgefragt wird. Die Bundespräsidentschaftskandidaten werden dieser Tage auf Herz und Nieren geprüft. Eine Woche vor der Wahl versucht jeder zu zeigen, dass er das beste Staatsoberhaupt wäre. Aber was muss man eigentlich alles mitbringen, um ein beliebter Bundespräsident zu werden? Der Versuch, ein ideales Staatsoberhaupt zu basteln.

Der mahnende Zeigefinger

„Mit großer Sorge“ konstatierte schon Thomas Klestil, was im Staate Österreich schiefläuft. Auch Rudolf Kirchschlägers Forderung nach dem „Trockenlegen der Sümpfe und sauren Wiesen“ im Zusammenhang mit dem AKH-Skandal wurde legendär. Heinz Fischer verstand es – wenn auch meist dezent – ebenfalls darauf hinzuweisen, wenn etwas nicht passte. Von einem Bundespräsidenten erwartet man sich, dass er einen mahnenden Zeigefinger hat. Und diesen, falls nötig, erhebt, um die Politik zu tadeln. Auch gute rhetorische Fähigkeiten, um staatstragende Reden zu halten, gehören dazu.

Dass sich der Präsident aber zu sehr in innenpolitische Details einmischt, wollen die Österreicher auch wieder nicht. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 meinen 59 Prozent, dass Österreich ohne Bundespräsidenten gut regiert werden könnte. Trotzdem wollen vier von fünf Österreichern aber einen Bundespräsidenten haben. In einer älteren Umfrage aus dem Jahr 2003 meinten nur 21 Prozent, dass sich das Staatsoberhaupt (damals war dies der auch im heurigen Wahlkampf umstrittene Präsident Klestil) aktiv in die Innenpolitik einbringen sollte. Trotz aller Umfragen betonen die jetzigen Kandidaten aber wieder, sich stark in die Innenpolitik einmischen zu wollen.

Patriotismus im Herzen

Bei Länderspielen auf der Ehrentribüne das Team anfeuern, Manner-Schnitten essen, österreichischen Erfolgsträgern gratulieren: Auch das sind Dinge, die man sich hierzulande von einem Bundespräsidenten erwartet.

Selbst Grün-Politiker, an sich nicht dafür bekannt, in Patriotismus zu schwelgen, kommen da nicht umhin. Wenn ihr einstiger Parteichef Alexander Van der Bellen das Wort „Heimat“ plakatiert, hat das einen guten Grund: So kann er mehrheitsfähig werden. Es war auch kein Zufall, dass Andreas Khol sich mit den Worten „I mog des Land, i mog die Leit“ als patriotischer Kandidat präsentierte.

Die immer betont national auftretenden Freiheitlichen rund um Norbert Hofer versuchen noch eins draufzusetzen: „Deine Heimat braucht dich jetzt“, appelliert Hofer auf Plakaten vor rot-weiß-roter Flagge an die Wähler. Er kann beim Thema Heimat wegen der Flüchtlingskrise auf Stimmen hoffen.

Beine, die um die Welt gehen

Besonders wichtig ist Österreichern laut Umfragen, dass der Präsident das Land nach außen hin gut repräsentiert. Dass er ein gutes Bild bei Staatsbesuchen hinterlässt. Dass er Aufträge für die Wirtschaft an Land zieht, damit die Arbeitsplätze gesichert werden. Idealerweise soll der Bundespräsident dann auch noch möglichst viele Sprachen und vor allem Englisch beherrschen, um international zu brillieren.

Rudolf Hundstorfer und Richard Lugner zeigten im Wahlkampf bei den Sprachkenntnissen noch Nachholbedarf. Sprache ist aber nicht alles: Mit dem Argument, sie sei die Erste, die mit 101 Staatschefs in deren Sprache spricht, konnte Benita Ferrero-Waldner 2004 nicht die Hofburg erobern.

Petra Winkler

Ein Scherz auf den Lippen

Ein Scherzchen hier, ein Witzchen dort: Wer bei Auftritten im Volk reüssieren möchte, braucht in Österreich einen guten Schmäh. Heinz Fischer etwa beherrscht den Spagat zwischen dem Auftritt als ernster, staatstragender Politiker und als lustiger Onkel von nebenan. Er kann innerhalb von Sekunden in die jeweils andere Rolle wechseln. Vorteile gibt es in der Kategorie auch für die humorerprobten Van der Bellen und Khol. Auf ein Witzefeuerwerk von Irmgard Griss muss die Nation hingegen wohl noch länger warten.

Frei bewegliche Arme

Ein Präsident soll über den Parteien stehen und unabhängig sein. Er muss frei bewegliche Arme haben und darf nicht als Marionette einer Partei fungieren. Auch das ist laut Umfragen ein Herzensanliegen der Österreicher. Nicht umsonst legen Bundespräsidenten zumindest während ihrer Amtszeit ein etwaiges Parteibuch zurück. Irmgard Griss und Richard Lugner können hier beide damit punkten, keiner Partei anzugehören. Auch Van der Bellen positioniert sich als unabhängiger Kandidat, kann aber weder seine politische Vergangenheit noch sein grünes Wahlkampfumfeld leugnen.

Ein offenes Ohr für das Volk

Nicht nur am Tag der offenen Tür darf (oder muss) man sich als Bundespräsident die Sorgen der Bevölkerung anhören. Der Bundespräsident soll gut zuhören können, die Probleme verstehen, „einer von uns sein“. Nicht umsonst hat sich der Gewerkschafter Rudolf Hundstorfer diesem Wahlkampfslogan verschrieben, um als Mann des Volkes mit seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen zu punkten. Auch Richard Lugner positioniert sich mit einfachen Formulierungen als Kontrapunkt zu „denen da oben“.

Die Frage, ob ein Kandidat abgehoben ist, wird in der Öffentlichkeit aber auch immer wieder im Zusammenhang mit dem Verdienst diskutiert. So geriet Hundstorfer in die Schlagzeilen, weil er über seinen mit Spenden finanzierten Wahlkampfverein rund 13.000 Euro bezieht. Aber auch die üppigen Pensionen von Khol, Griss und Van der Bellen wurden thematisiert.

Die Verfassung im Kopf

Selten noch wurde in einem Wahlkampf so viel über die Frage diskutiert, was ein Bundespräsident eigentlich alles darf. So lebten Van der Bellen und Lugner im Irrglauben, dass der Bundespräsident einfach den Nationalrat entlassen kann (was er aber nur auf Vorschlag der Bundesregierung darf).

Gerade als Staatsoberhaupt ist es wichtig, die Verfassung zu kennen. So ist es etwa Aufgabe des Bundespräsidenten, mit seiner Unterschrift zu bezeugen, dass ein Gesetz verfassungskonform zustande gekommen ist. Die Juristen Khol und Griss könnten hier einen Vorteil für sich reklamieren.

Freilich: Einmal ins Amt gewählt, kann man als Bundespräsident ohnedies einen Beraterstab anstellen. Für verfassungsrechtliche Themen, für das Dolmetschen, aber auch für alle anderen Fragen. Die zentralen Botschaften an das Volk und die Politik kann aber doch nur der Bundespräsident allein übermitteln. Einmal gewählt hat er sechs Jahre Zeit, an seinem Ruf zu basteln. Wenn das Volk das Ergebnis gut findet, sogar zwölf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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