Der Krisenplan von SPÖ und ÖVP nach dem Hofburg-Flop

Reinhold Mitterlehner und Werner Faymann.
Reinhold Mitterlehner und Werner Faymann.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Reinhold Mitterlehner soll bleiben, für Werner Faymann wird es enger: Wie die Parteichefs auf den 24. April antworten.

Wien. Reinhold Mitterlehner könnte bei Mark Twain Anleihe nehmen. Stammt doch von dem Schriftsteller das Zitat, die Nachrichten von seinem Tod seien stark übertrieben. Dem ÖVP-Obmann und Vizekanzler stehen ein harter Wahlsonntag wegen des erwarteten mageren Ergebnisses für den ÖVP-Hofburg-Kandidaten Andreas Khol und am Tag danach die Sitzung des ÖVP-Parteivorstands bevor – aber kein Rücktritt.

Eine Ablöse von Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann, wenn SPÖ-Bewerber Rudolf Hundstorfer die Stichwahl verpasst, gilt derzeit in der SPÖ zwar als praktisch ausgeschlossen. Aber für den seit 2008 amtierenden Regierungschef und SPÖ-Vorsitzenden wird es in seiner Partei noch ungemütlicher. Denn neben dem seit Langem genannten Faymann-Nachfolger ÖBB-Chef Christian Kern ist mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil innerhalb von nur drei Monaten ein ernsthafter Konkurrent aufgetaucht.

1 Fehlende Lust auf den Schleudersitz des ÖVP-Obmanns

Nach übereinstimmenden „Presse“-Informationen schwarzer Spitzenpolitiker wird der ÖVP-Chef nach dem 24. April weiter Reinhold Mitterlehner heißen, und dieser wird auch nicht selbst alles hinwerfen. Aber möglicherweise wird er die Vertrauensfrage im Vorstand stellen. ÖVP-intern wird (nach dem Stand von gestern, Dienstag) ein Schulterschluss hinter dem Parteiobmann erwartet. Die mitgelieferte, einleuchtende Begründung: Niemand will derzeit auf dem Schleudersitz des ÖVP-Bundesparteiobmanns Platz nehmen.

Die größte Gefahr für Mitterlehner ist, dass viele in der ÖVP lieber heute als morgen die Koalition mit der SPÖ beenden wollen. Die Angst vor einer Schlappe bei Neuwahlen ist allerdings vorerst noch größer. Mitterlehner ist sich bewusst, dass die Debatte um Parteiführung und um die Spitzenkandidatur des in der Volkspartei allseits bewunderten Außenministers, Sebastian Kurz, mit dem Näherrücken der nächsten Nationalratswahl spätestens 2018 so sicher wie das Amen im Gebet kommen wird.

2 Überlebenskünstler Faymann steht erneut am Abgrund

Der frühere Wiener SPÖ-Stadtrat Werner Faymann hat seit Mitte 2008 schon einige Aufstände in der Partei mit Taktik, „Kronen Zeitung“ und Rückendeckung des Wiener Bürgermeisters, Michael Häupl, überstanden. Im heurigen Herbst möchte er sich der Wiederwahl als SPÖ-Vorsitzender stellen. Schon bis dahin wird es bei einem Flop für Hundstorfer bei der Hofburg-Wahl ein steiniger Weg sein. Wobei für SPÖ wie ÖVP gilt, je schlechter das Abschneiden Hundstorfers und Khols am 24. April sein wird, umso heftiger werden die Nachbeben ausfallen.

Eines hat sich für Faymann jedoch seit heuer entscheidend geändert. Mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ist ihm seit Jänner eine leibhaftige Personalalternative erwachsen. Der Burgenländer hätte in der Asylpolitik die roten Basisfunktionäre hinter sich, wie SPÖ-intern bestätigt wird. Allerdings erinnert die Situation 2016 einige in der SPÖ an das Jahr 2000, als sich mit Innenminister Karl Schlögl und Verkehrsminister Caspar Einem (auch in der Ausländerpolitik) zwei Flügel gegenübergestanden sind. Um der SPÖ eine Zerreißprobe zu ersparen, kam Alfred Gusenbauer zum Zug. Der geplante Beschluss des verschärften Asylrechts wird für Faymann schon am Dienstag nach der Wahl im SPÖ-Parlamentsklub zur Nagelprobe.

3 Gemeinsame Offensive nach einem Hofburg-Wahldebakel

Ziel Mitterlehners und Faymanns ist es, mit inhaltlichen Offensiven auf einen rot-schwarzen Wahlschock zu reagieren. Zu diesem Krisenplan gehört: Für den 26. April ist bereits eine Klausur mit den Sozialpartnern zu den Problemen mit den Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt und zur Integration vereinbart. Zwei Tage später ist der Beschluss der Asylnovelle im Nationalrat vorgesehen. Dazwischen wird am Mittwoch der bis 2020 verlängerte Finanzrahmen im Ministerrat beschlossen und dem Hohen Haus vorgelegt (siehe Bericht unten). Schon am Montag, 25. April trifft Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) mit den Soziallandesräten erneut zusammen, um über die umstrittene Änderung der Mindestsicherung zu verhandeln.

4 Mehr Geld für Polizei, Heer und die Sicherung der Grenzen

Als Einstandsgeschenk für Neo-Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) der morgen, Donnerstag, angelobt wird, haben sich SPÖ und ÖVP an Montag auf mehr Geld für Polizei, Bundesheer und Grenzsicherung im Zuge des neuen Finanzpfads bis 2020 geeinigt. Für die scheidende Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner gab es gestern bei ihrer letzten Regierungssitzung vor dem Wechsel als Stellvertreterin Erwin Prölls in Niederösterreich Dankesworte. Ein Indiz mehr für Mitterlehners Verbleib ist: Am 1. Mai ist die ÖVP-Veranstaltung heuer bewusst an der Ostgrenze – mit Mitterlehner – vorgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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