Leadership: Jeden Tag von Neuem

Porträt. Er brach die Schule ab, machte eine Lehre und sitzt heute in der Wiener Samsung-Vorstandsetage. Martin Wallner über Unternehmenskultur, Mentoren und Begeisterung.

Die Ankündigung vor wenigen Wochen überraschte: Samsung, der koreanische Elektronikgigant, will zu etwas werden, was "Die Presse" umgehend als "Start-up mit 300.000 Mitarbeitern" bezeichnete: Die Seniorität soll ihre Bedeutung verlieren, Hierarchien sollen abgebaut werden. Der Samsung-Leitspruch „Schneller allein, aber gemeinsam weiter“ scheint ausgedient zu haben. Jetzt soll der Mensch in den Mittelpunkt rücken.

Punkte, die bei Samsung Electronics Austria seit Jahren kein Thema mehr sind. Sagt Martin Wallner. Der 43-Jährige ist der erste österreichische Vice President in der Niederlassung in Wien. Seit 2007 ist er im Konzern tätig und erinnert sich noch an ganz andere Zeiten. Früher war vorgeschrieben, wie ein Schreibtisch auszusehen habe – es gab sogar ein Bild als Vorlage für die Mitarbeiter. Vorgeschrieben war auch die Kleidung: Nur am „Casual Friday“ galt die Anzugpflicht nicht.

Authentizität durch Kulturwandel

Der Kulturwandel, zu dem sich die Topmanager per Unterschrift verpflichtet haben, sei nicht nur der Dynamik des Marktes geschuldet. „Die Geschwindigkeit war immer hoch“, sagt Wallner. In den Jahren, die er nun bei Samsung sei, habe sich das Unternehmen „dreimal neu erfunden. Sonst würden wir es heute nicht mehr schaffen, dieses Level an Mitarbeitern zu bekommen.“ Einer der Hauptgründe für den Kulturwandel jetzt sei, dass Mitarbeiter und Kunden Authentizität verlangen. „Sind Leute und Produkte authentisch oder wollen wir etwas sein, was wir nicht sind?“ Wallner bringt es für den Elektronikverkauf auf den Punkt: „Du musst schon ein bisserl geil auf deine Produkte sein.“

Als Führungskraft sehe er es als seine Aufgabe, ein entsprechend „aufregendes Umfeld“ für die Mitarbeiter zu schaffen, „um die hellsten Köpfe zu bekommen, zu halten und ihnen Spaß bei der Arbeit zu bereiten“. Leadership, sagt er, „hört nie auf. Die Herausforderung beginnt jeden Tag von Neuem.“

Dazu ermahnt ihn immer wieder ein Spruch der London Business School in seinem Büro über neue Mitarbeitergenerationen: Sie hätten weniger Vertrauen in die Organisation, seien smart und von Hierarchie unbeeindruckt, fühlten sich nicht zu Dank verpflichtet und wollten nicht geführt werden.

Spaß an der Aufgabe

Jungen Menschen empfiehlt er daher, bei der Jobwahl darauf zu achten, ob sich im Unternehmen jemand um sie kümmert: „Ist da jemand, der sie entwickelt, sich mit ihnen auseinandersetzt?“ Mentor will auch er für seine Mitarbeiter sein. So wie er als junger Mitarbeiter bei Siemens seinen Mentor fand. Dabei war ihm Karriere nie wichtig, sondern der Spaß an dem, was er tat. Auf einem Bauernhof in Wien aufgewachsen, ermöglichten ihm seine Eltern, ins Privatgymnasium Strebersdorf zu gehen, doch nach der 6. Klasse warf er hin – und begann bei Siemens eine Lehre als Industriekaufmann.

Er erlebte damals ein hochqualitatives Ausbildungssystem, vergleichbar mit heutigen Traineeprogrammen. „Ein gutes Rüstzeug.“ Mit 23 Jahren war er Serviceleiter im Mobility-Bereich und verantwortlich für mehr als 150 Mitarbeiter. Eine sehr lehrreiche Zeit, wie er rückblickend sagt. Wenig später verhandelte er das Outsourcing. Weitere Sporen verdiente er sich in Osteuropa: Er baute den Vertrieb auf, und einige Zeit, nachdem BenQ das Geschäft übernommen hatte, erlebte er auch Ausgleich und Konkurs, ehe er zu Samsung wechselte, zunächst als Vertriebsleiter, seit zwei Jahren im Vorstand.

Ob so eine Karriere mit Lehre als Ausgangspunkt heute auch möglich sei? In den vergangenen Jahren sei das wahrscheinlich schwierig gewesen. In Zukunft könne sich das ändern. „Da“, sagt Wallner, „wir von klassischen Corporate-Karriere wegkommen.“

ZUR PERSON

Martin Wallner (43) ist seit 2007 für Samsung tätig und seit März 2014 als Vice President für Samsung Electronics Austria verantwortlich. Der gebürtige Wiener, der auf einem Bauernhof in der Stadt aufwuchs, und gelernte Industriekaufmann war davor für BenQ Mobile und in verschiedenen Positionen bei Siemens tätig – darunter als Sales Director für Osteuropa und als Head of Customer Care.

(Print-Ausgabe, 23.04.2016)

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