Bei der Finanzierung der Steuerreform dürfte das Finanzministerium etwas zu optimistisch budgetiert haben: Der Fiskalrat zweifelt an manchen Einnahmenposten.
Wien. 1,9 Milliarden Euro soll der Kampf gegen den Steuerbetrug bringen, 1,1 Milliarden Euro erwartet man sich durch eine Verwaltungsreform: Das sind die wichtigsten Beiträge zur Finanzierung der Steuerreform, die jährlich 5,1 Milliarden Euro kostet. Doch für heuer gibt es ernsthafte Zweifel an diesen Zahlen: „Wir glauben nicht, dass dieser Betrag realisiert werden kann“, meint der Präsident des Fiskalrats, Bernhard Felderer, im Gespräch mit der „Presse“.
Felderer zweifelt vor allem an den 1,9 Milliarden Euro durch den Kampf gegen Steuerbetrug. „Diese Summe in das Budget 2016 zu stellen war schon recht mutig.“ Man sei sich im Fiskalrat einig, dass „heuer ein solcher Betrag nicht realisiert werden kann“. Dafür sei die Zeit zu kurz. Wie viel denn möglich sei? Felderer: „Wenn man die Hälfte erreicht, kann man schon zufrieden sein.“ Das sei jetzt aber keine seriöse Berechnung, sondern einfach eine Schätzung. Aber: „Es wird am Ende des Jahres auf jeden Fall ein ordentlicher Betrag fehlen.“
Margit Schratzenstaller, stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) teilt die Meinung: „Diese Summe zu erreichen, wird sehr schwer.“ Der Staat müsse erst Maßnahmen gegen den Steuerbetrug setzen, die dann greifen müssten. „In den ersten Monaten dieses Jahres hat man nicht gesehen, dass hier viel hereinkommt.“
Zweifel an Reformpotenzial
Dazu kämen die Verzögerungen etwa bei der Einführung der Registrierkasse, die dem Staat allein 900 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen soll. „Das greift eigentlich erst ab Juni“, meint Schratzenstaller. Sie hält daher die Zeit für zu kurz, um 1,9 Milliarden Euro um Budget 2016 realisieren zu können.
Grundsätzlich sehe sie im Kampf gegen Steuerbetrug aber enormes Potenzial. „Das wissen wir von Studien. Mittelfristig wäre hier viel Geld zu holen. Man muss aber erst sehen, wie viel die Staaten tatsächlich hebeln können.“
Fiskalrat-Chef Felderer zweifelt freilich nicht nur am Posten Steuerbetrug, sondern auch an den 1,1 Milliarden Euro, die Verwaltungsreformen auf Bundes- und Länderebene bringen sollen. „Wir glauben auch bei diesem Posten nicht, dass der Staat an das gesetzte Ziel herankommen wird.“
Das Finanzressort profitiere aber von der geringen Inflationsrate. Dadurch seien moderatere Gehaltsabschlüsse auf Beamtenebene möglich, womit man Geld sparen könne. Auch sonst stünden dem Minster Hebel zur Verfügung: „Er kann bei den Ministerien einsparen, er kann bei den Förderungen ansetzen – das ist ja alles nicht fix vereinbart. Es gibt Spielraum.“
Für Schratzenstaller wären langfristige Reformen notwendig, nicht nur kurzfristige Einsparungen, die „nicht sehr nachhaltig sind“. Man müsse die großen Reformen angehen, von den Förderungen über das Gesundheitssystem bis hin zur Pensionsreform. „Das ist das Ceterum censeo“, meint Schratzenstaller.
"Unglückliche" Steuerreform
Die Sorgen der Ökonomen um den Budgetvollzug sieht man im Finanzministerium gelassen. Man sei sowohl beim Vollzug auch bei den Planungen sehr konservativ, meint ein Beamter. Er verweist auf den Abschluss 2015. Obwohl es ein kritisches Jahr war, sei man beim Defizit besser gelegen als veranschlagt (1,2 statt 1,9 Prozent).
Generell zur Steuerreform befragt, zeigt sich Bernhard Felderer kritisch – allerdings nicht als Chef des Fiskalrats („Ich kann nicht für meine Kollegen sprechen“), sondern „als privater Ökonom“. Die Steuerreform sei „eine unglückliche“ gewesen. Man habe Maßnahmen gesetzt, die in Zeiten einer Krise das falsche Signal setzten, etwa die Erhöhung der Kapitalertragssteuer. „Diese Erhöhung ist in einer Situation, in der wir das Kapital dringend für Investitionen benötigen, demotivierend.“