Niessl: „Welche Große Koalition meinen Sie?“

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NIESSL(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Parteibasis solle den Richtungsstreit in der SPÖ entscheiden, sagt Landeshauptmann Hans Niessl. Über den Parteichef will er nicht diskutieren.

Die Presse: Die ehemalige Staatssekretärin und Siemens-Chefin Brigitte Ederer fordert die Ablöse von Werner Faymann. Der Kanzler könne nicht so tun, als hätte er mit Rudolf Hundstorfers schlechtem Ergebnis nichts zu tun. Schließen Sie sich dem an?

Hans Niessl: Nein. Mir geht es nicht um Personen. Die SPÖ ist gefordert, Positionen zu beziehen und geschlossen zu vertreten. Sie muss klar sagen, wie sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen will. Wie sie die Pensionen sichern will. Und wie sie mit den Flüchtlingen umgehen will.

Das ist offenbar nicht so einfach. In der Asylpolitik hat die burgenländische SPÖ völlig andere Vorstellungen als Teile der Wiener Partei, nämlich viel schärfere.

Deshalb schlage ich vor, dass die SPÖ ihre Mitglieder befragt. Im Burgenland haben wir das gemacht. Wir haben damals 15 Fragen gestellt – über 60 Prozent der Bögen sind zurückgekommen. Aufgrund dessen haben wir dann unsere Linie festgelegt. Nur so trifft man die Sorgen und Anliegen der Wähler.

Welche Themen sollen abgefragt werden?

Alle, die relevant sind. Ein Beispiel: Stellen Sie sich einen Maurer vor, der 45 Jahre am Bau gearbeitet hat und 1100 Euro netto Pension bekommt. Davon müssen er und seine Frau leben. Was sagen wir dem, wenn man das in Relation zur Mindestsicherung bringt? Auf solche Fragen braucht die SPÖ Antworten. Sie muss sagen, wofür sie heute steht.

Das Problem ist, dass die Linken in der SPÖ woanders stehen als die Rechten.

Wenn ich diese Links/rechts-Debatte höre, muss ich sagen: Das stimmt doch alles nicht mehr. Ein ungeregelter Zugang nach Österreich kann doch bitte nicht links sein. Das würde zu einem Ende des Sozialstaats führen.

Haben Sie diese Frage schon mit der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely diskutiert?

Ich diskutiere mit der Frau Wehsely eigentlich sehr wenig.

Vielleicht sollten Sie das.

Ich diskutiere mit den Burgenländern, um zu wissen, was wir brauchen. Das vertrete ich dann. Mit diesem pragmatischen Zugang haben wir das beste SPÖ-Ergebnis bei Landtagswahlen erreicht. Und am Sonntag hatten wir das stärkste Ergebnis für Rudi Hundstorfer.

Sollen in dieser Mitgliederbefragung auch Koalitionsvarianten abgefragt werden – zum Beispiel die rot-blaue?

Es gibt einen aufrechten Beschluss des Parteivorstandes, wonach man im Bund keine Koalition mit der FPÖ machen will. Aber in den Ländern und Gemeinden ist das ein durchaus gangbarer Weg, wie wir gezeigt haben. Das ist also Sache der Landesparteien.

Glauben Sie, dass die Große Koalition noch Zukunft hat?

Welche Große Koalition meinen Sie?

Eine Bundesregierung aus SPÖ und ÖVP.

Gut. Es wird sehr schwierig für diese Koalition. Bis zur nächsten Wahl ist sie natürlich gefordert, so gut zu arbeiten, dass sie wieder die 50-Prozent-Hürde überspringen kann.

Das hört man seit Jahren, meist nach einer verlorenen Wahl. Aber wie realistisch ist es, dass die Große Koalition das Land jetzt zu reformieren beginnt? Die Wähler glauben offenbar nicht mehr daran.

Wenn die Bildungs- und Pensionsfragen geklärt werden, wenn man die Obergrenze einhält, wenn man die Arbeitslosigkeit bekämpft, dann ist das ein Modell. Sonst nicht.

Eine Neuwahl wollen Sie aber nicht.

Darum geht es nicht. Ich will, dass sich die SPÖ klar positioniert. Wenn manche glauben, man kann die Grenzkontrollen wieder reduzieren, dann ist das der erste Schritt in die nächste Wahlniederlage. Außerdem hat es auch bei der Präsidentschaftswahl keine klare Linie gegeben. Ich hatte den Eindruck, dass nicht alle geschlossen hinter Hundstorfer gestanden sind.

Woher kommt dieser Verdacht?

Bevor Hundstorfer nominiert wurde, hat es in der SPÖ Bestrebungen gegeben, Alexander Van der Bellen zu unterstützen.

Wo gab es die – und von wem?

Ich möchte keine Namen nennen.

Aber Sie meinen die Wiener SPÖ.

Das müssen sie die fragen. Es ist die Aufgabe der Journalisten, das herauszufinden.

War Hundstorfer der richtige Kandidat?

Ich habe Respekt vor ihm, er hat von allen Kandidaten die meisten Kilometer gemacht.

Genützt hat das allerdings nichts.

Ich hielte es nicht für angebracht, jetzt dem Rudi Hundstorfer die Schuld zu geben. Ich hätte mir mehr Geschlossenheit gewünscht. Eine Partei muss ihren Kandidaten von Anfang bis Ende entsprechend unterstützen. Manche haben das offensichtlich nicht getan.

Glauben Sie, dass die SPÖ mit Faymann noch eine Nationalratswahl gewinnen kann?

Ich werde weiterhin zum Parteivorsitzenden und Bundeskanzler stehen. Aber zuerst brauchen wir eine gemeinsame Linie.

Werden Sie eine Empfehlung für die Hofburg-Stichwahl am 22. Mai abgeben?

Wahlempfehlungen sind ein Anachronismus. Im 21. Jahrhundert sind sie nicht mehr zeitgemäß. Außerdem kann das auch kontraproduktiv sein. Es ist wie in der Familie: Wenn man bei größeren Kindern etwas mit Zwang erreichen will, erreicht man das Gegenteil. Der Wähler ist mündig.

Wen werden Sie wählen?

Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich Hundstorfer gewählt habe.

Das wissen wir schon.

Es gibt auch keine indirekte Wahlempfehlung.

Sie kennen Norbert Hofer aus dem Burgenland. Sind Befürchtungen über seine Person berechtigt?

Norbert Hofer ist im Burgenland nie als Radikaler aufgefallen.

Schätzen Sie ihn?

Ich kenne seine Vorzüge, aber ich kenne auch die Vorzüge des Herrn Van der Bellen.

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