Schützenhöfer: „Fernhalten von Regierung stärkt FPÖ“

AUT, Pr�sentation des Landesbudget Steiermark 2016
AUT, Pr�sentation des Landesbudget Steiermark 2016(c) Erwin Scheriau / EXPA / pictured (Erwin Scheriau)
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Der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer, meint: „Es ist fünf nach zwölf. Es darf kein Herumnudeln in den großen Fragen des Landes geben.“

Die Presse: Wie existenzbedrohend für die ÖVP ist das Abschneiden bei der Präsidentenwahl mit elf Prozent?

Hermann Schützenhöfer: Das ist niederschmetternd. Wir sind nicht in der Existenz gefährdet, aber es ist fünf nach zwölf.

Fünf nach zwölf bedeutet doch, dass es schon zu spät ist.

Die Bundesregierung hat in der Ausländerfrage ein halbes Jahr relativ primitiv gestritten, bis man mit einer Zunge spricht. Es darf kein Herumnudeln in den großen Fragen des Landes geben. Bei Begegnungen sagen mir Leute oft: „Ich fühle mich in diesem Land nicht mehr sicher.“ Man liest täglich von Gewalttätigkeiten, und das hat leider allzu oft mit Ausländern zu tun. Hier hat sich eine Grundstimmung aufgebaut, die deutlich gegen die Regierung geht. Die Regierung muss der Bevölkerung mehr Sicherheit geben, und das tut sie jetzt mit mehr Geld und Posten für Polizei und Bundesheer, spät aber doch.

Für Integration und Sicherheit sind aber zwei ÖVP-Minister verantwortlich.

Die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium hat nicht gut funktioniert, das ist jetzt besser. Und zur ÖVP: Die ÖVP muss ihr Verhältnis zur Wirtschaft verbessern. Sie haben keine Ahnung, was ich über die Registrierkasse höre, bei den Wirtschaftstreibenden, aber auch Vereinen! Es muss für die Wirtschaft sichtbar etwas getan werden. Die Regulierungswut muss beendet werden. Das nervt die Unternehmen und treibt ihnen die Zornesröte ins Gesicht. Das sind die Punkte, die zum kollektiven Frust gegenüber der Regierung führen. Daneben gibt es die großen Brocken Bildung, Pensionen, Pflege, Spitäler. Der Streit muss beendet werden. Wenn das der Regierung gelingt, dann hat sie eine Chance. Wenn nicht, dann werden sich diese Parteien als ganz reduzierte Gruppierungen nach den nächsten Nationalratswahlen wiederfinden.

Wie hoch schätzen Sie die Chance, dass der Regierung die Trendwende gelingt?

Eine Regierung ist da, um zu regieren. Wenn der Stillstand fortgeschrieben wird, verschlechtert sich die Situation von Tag zu Tag. Es kann nicht die einzige Klammer der Regierung sein, sich gemeinsam vor Nationalratswahlen zu fürchten. Zu Tod' g'fürchtet ist auch g'storben.

Ist ein Reformschub mit der SPÖ in der Regierung überhaupt möglich?

Man muss es versuchen.

Es wird jahrelang versucht, und bei jeder Wahl verlieren beide Parteien.

Die Stimmung gegenüber der Bundesregierung war noch nie so am Boden wie jetzt. Wenn sich SPÖ und ÖVP besinnen und einen anderen Weg gehen, den Menschen die Wahrheit zuzumuten, aber auch Geld in die Hand zu nehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln, dann halte ich es für möglich, dass diese Regierung eine Chance hat. Das gegenseitige Haxelstellen muss beendet werden. Wenn sich das nicht noch im ersten Halbjahr radikal ändert, müssen alle wissen, dass diese From der Zusammenarbeit in der nächsten Periode rechnerisch nicht möglich sein wird.

Sie stellen der Bundesregierung also eine Art Ultimatum. Sollte die ÖVP Neuwahlen anstreben, wie das Vertreter der Jungen ÖVP fordern, im Sinn von: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende?

Ich stelle kein Ultimatum. Reinhold Mitterlehner wird noch mehr die treibende Kraft in der Regierung werden. Man sollte parlamentarisch auch eine stärkere Zusammenarbeit mit allen Parteien versuchen. Es ist nicht alles schlecht, was aus der Opposition kommt, und es ist nicht alles gut, was aus der Regierung kommt. Nach den Nationalratswahlen werden die Karten neu gemischt sein. Dass die Freiheitlichen an einer nächsten Regierung beteiligt sind, halte ich für ziemlich realistisch. Aber ich lasse mich gern überraschen, vielleicht gelingt ja dieser Regierung der Bauchaufschwung.

Trauen Sie das aber Werner Faymann zu, der ja SPÖ-intern in Personal- und Strategiedebatten verstrickt ist?

Ich versuche es ihm zuzutrauen.

Klingt nicht sehr überschwänglich.

Überschwänglich kann man nach dem Sonntag nicht sein.

Sollte die FPÖ jedenfalls der nächsten Regierung angehören?

Es stärkt die FPÖ nur weiter, wenn sie mit allen Mitteln und Konstruktionen von Drei- und Vierparteienkoalitionen von der Regierung ferngehalten wird.

Weshalb gelingt es Reinhold Mitterlehner nicht, bürgerliche Wähler stärker bei der ÖVP zu halten?

Wir müssen uns alle an der Nase nehmen. Es wäre falsch, sich auf Reinhold Mitterlehner auszureden. Es gibt eine Entwicklung in der Gesellschaft, in der es viele Unsicherheiten gibt, in der für zu viele Menschen die eigene Befindlichkeit das Maß aller Dinge geworden ist. Viele leben ziellos. Zentrales Problem ist, dass der geistige Wohlstand mit dem materiellen Wohlstand nicht mithalten kann. In der Politik gibt es einen Werteverfall. Die ÖVP sollte, ohne gegen die Menschen mit dem Schwert vorzugehen, wieder Wertedebatten führen.

Was hindert sie, das zu tun?

Im Trubel der dramatischen Ereignisse ist das untergegangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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