Koalition: „Wir haben verstanden“

MINISTERRAT: KARMASIN/HEINISCH-HOSEK
MINISTERRAT: KARMASIN/HEINISCH-HOSEK(c) APA/ROBERT JAEGER
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Der Papamonat kommt überraschend nun doch – ab März 2017. In Zukunft soll zwischen SPÖ und ÖVP weniger gestritten werden.

Wien. Für gewöhnlich ist der Ministerrat nicht gerade, formulieren wir es vorsichtig, ein wöchentliches Ritual zur Selbstgeißelung. Im Gegenteil, Kanzler und Vizekanzler sind stets bemüht, im Anschluss an die Regierungssitzung ihre Arbeit als möglichst erfolgreich zu verkaufen. Am gestrigen Dienstag versuchten es Werner Faymann (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) allerdings erst gar nicht. Schließlich haben ihre jeweiligen Kandidaten bei der Bundespräsidentschaftswahl den vierten bzw. fünften Platz erreicht.

Einen Neustart hat Faymann daher angekündigt, einen Relaunch wünscht sich Mitterlehner. Bis Ende Mai wollen sie daran arbeiten, dann könnte es eine Regierungsklausur als Auftakt geben. Jedenfalls will Mitterlehner nun „Tabu-Bereiche“ angehen und „ein anderes Verhalten an den Tag legen“. Für Faymann war das Wahlergebnis eine „deutliche Warnung uns gegenüber“. Und, O-Ton Mitterlehner: „Wir haben verstanden.“

Um es nicht nur zu sagen, sondern auch zu zeigen, hatte die Koalition auch gleich eine Einigung parat: Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) konnten am späten Montagabend die Reform des Kindergelds ausverhandeln. Der Zeitpunkt war wohl nicht ganz zufällig: Zuvor hatten sie monatelange Gespräche darüber geführt. Und, zur Erinnerung, für einen kurzen Zeitraum sogar abgebrochen. Bei dem jetzigen Paket musste vor allem Heinisch-Hosek Kompromisse eingehen.

700 Euro für die „Familienzeit“

Die Neuerungen im Detail: Väter (und auch gleichgeschlechtliche Partner) können künftig direkt nach der Geburt ihres Kindes 28 bis 31 Tage lang durchgehend zu Hause bleiben. Dafür bekommen sie eine Pauschalsumme aus dem Kindergeld von 700 Euro. Herausholen konnte die SPÖ letztlich, dass während dieser sogenannten Familienzeit, vulgo Papamonat, volle Kranken- und Pensionsversicherung besteht.

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Abgeblitzt ist die Frauenministerin aber mit der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf den Papamonat. Der Arbeitgeber muss also zustimmen. Auch ein spezieller Kündigungsschutz wird im Gesetz nicht festgehalten. Das freut zwar die Wirtschaftskammer, verstimmt aber Teile der Opposition – und wohl auch der SPÖ. Heinisch-Hosek verweist allerdings auf das Gleichbehandlungsgesetz.

Und das bedeutet: Der allgemeine Kündigungsschutz aus dem Gleichbehandlungsrecht gelte immer – und selbstverständlich auch für den Papamonat, erläuterte Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal von der Universität Wien dazu. Einen besonderen Kündigungsschutz – wie etwa nach dem Mutterschutzgesetz – gibt es beim Papamonat aber nicht. Der Unterschied liegt laut dem Experten darin, dass der Arbeitgeber beim besonderen Kündigungsschutz vor Ausspruch der Kündigung den Prozess gewinnen muss und der Elternteil bis zur Vollstreckbarkeit der Gerichtsentscheidung im aufrechten Dienstverhältnis ist. Liegt hingegen – wie nun geplant – kein besonderer Schutz vor, ist die Kündigung zunächst wirksam. Der Betroffene muss dagegen klagen und den Prozess gewinnen.

Flexiblere Zeiten, einheitliches Geld

Abgesehen vom jahrelang heiß diskutierten Papamonat bringt die Reform auch eine Neuaufstellung des Kinderbetreuungsgelds: Das einkommensabhängige Modell bleibt zwar bestehen. Aber: Die bisherigen vier Pauschalvarianten verschmelzen ab März 2017 zu einem flexibleren Konto: Eltern erhalten eine einheitlichere Gesamtsumme (bis zu 15.449 Euro) und können die Bezugsdauer wählen: Für eine Person können es zwölf bis 28 Monate sein, bei zwei Personen 15 bis 35 Monate.

Ebenfalls neu: Wenn die Betreuung zwischen den Eltern gleichmäßig, also 50:50 oder 60:40 aufgeteilt wird, gibt es als „Partnerschaftsbonus“ zusätzlich 1000 Euro. Das gilt auch für Bezieher des einkommensabhängigen Kindergelds. Auch durch diese Maßnahme will die Regierung die Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung erhöhen. (ib/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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