Die Spaltung der roten Bastion

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In der wichtigsten roten Landespartei brechen nun die Dämme. Es gibt öffentlich gegenseitige Rücktrittsforderungen, Flügelkämpfe und einen Michael Häupl, der versucht zu retten, was zu retten ist.

Wien. Die Situation in der SPÖ eskaliert, und die mit Abstand mächtigste Landespartei unter dem Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, steht nun endgültig vor einer Zerreißprobe. Häupls Vizeklubchefin, Tanja Wehsely, Schwester der Wiener Sozialstadträtin, Sonja Wehsely, sah sich am Donnerstag plötzlich mit öffentlichen Rücktrittsaufforderungen aus der eigenen Partei konfrontiert, nachdem sie am Tag zuvor in der „Presse“ nochmals vehement den Rücktritt von Werner Faymann wegen des SPÖ-Debakels bei der Bundespräsidentenwahl gefordert hatte: „Wozu haben wir Chefs, wenn am Ende niemand verantwortlich ist?“

„Jetzt reicht es langsam, das schreit nach Rücktritt. Aber nicht von Kanzler Faymann, sondern von Frau Wehsely“, richtete Ernst Nevrivy, Bezirkschef von Wien Donaustadt – dort ist eine der größten SPÖ-Bezirksorganisationen Österreichs verankert – der Faymann-Kritikerin öffentlich aus.

Kampf um die Linie im Asylbereich

Die Kritik an Faymann sei nur vorgeschoben, so Nevrivy zur „Presse“: „Es geht darum, dass einige Personen im Asylbereich eine andere Linie fahren wollen.“ Worauf Tanja Wehsely ihrem Parteikollegen postwendend ausrichtete: „Nach so einem Wahlverlust wie am Sonntag muss es einen Chef dieser Partei geben, der die Verantwortung trägt.“ Damit ist klar zu sehen, wo die Fronten in Michael Häupls zersplitternder Partei verlaufen.

Der rechte Flügel

Auf der einen Seite stehen die Vertreter der bevölkerungsreichen Bezirke, die sich gegen eine anstürmende FPÖ behaupten müssen. Und in der Willkommenskultur mit offenen Grenzen den Untergang der Partei sehen. „Bürgermeister Häupl hat der Asylnovelle zugestimmt, irgendwann muss Schluss mit Personaldebatten sein“, meinte Nevrivy. Gleichzeitig starteten Vertreter großer SPÖ-Bezirksorganisationen wie in WienFavoriten am Donnerstag ebenfalls einen Angriff auf die Befürworter der Willkommenskultur: „Tanja Wehsely vertritt nicht die Meinung der SPÖ Wien“, stellte Kathrin Gaal (Favoriten) klar.

In der Wiener SPÖ ist damit Feuer am Dach – weshalb Michael Ludwig, Wiener Wohnbaustadtrat und Häupls Stellvertreter, im Zuge des öffentlichen Schlagabtauschs ausrückte, um den Brand zu löschen: „Michael Häupl hat eine klare Linie ausgegeben: Strategie- statt Personaldebatte.“ Und: „Es muss klar sein, dass der politische Gegner woanders steht“, appellierte Ludwig an die Genossen, während der Schlagabtausch ungebrochen weiterging. Die geringe Wirkung könnte damit zusammenhängen, dass Ludwig – obwohl er diplomatisch nicht Wehselys Rücktritt forderte und sich bemühte, sich mit einem Häupl-Zitat („Diskutiert wird im Wohnzimmer, nicht auf dem Balkon“) als Brückenbauer zu geben – aus einem bevölkerungsreichen Außenbezirk kommt.

Der linke Flügel

Die Befürworter der Willkommenskultur haben sich rund um Sozialstadträtin Sonja Wehsely versammelt, die bei Personalrochaden im Bund immer wieder als Gesundheitsministerin gehandelt wird. Mit den Stadträtinnen Renate Brauner (Finanzstadträtin), Sandra Frauenberger (Bildung/Integration) und Tanja Wehsely (Vizeklubchefin) bekämpft diese rot-grün-affine SPÖ-Fraktion jegliche Verschärfungen im Asylbereich, für die Werner Faymann und seine Wiener Verbündeten stehen – mit der Begründung: Nur „Haltung“ und Willkommenskultur hätten bei der Wien-Wahl 2015 die FPÖ in Schach halten können. Unterstützt werden sie von den urbanen innerstädtischen Bezirken, in denen die FPÖ keine Rolle spielt und das Match Rot gegen Grün lautet – weshalb Verschärfungen im Asylbereich so erbittert bekämpft werden, dass sich nun sogar Michael Häupl gezwungen sah, mit Faymann am Donnerstag in der „Zeit im Bild“ aufzutreten, um ihm öffentlich seine Unterstützung zuzusichern.

ROT GEGEN ROT

Mit Rücktrittsaufforderungen aus der eigenen Partei sah sich Michael Häupls Vizeklubchefin, Tanja Wehsely, konfrontiert – nachdem sie zuvor in der „Presse“ ihre Rücktrittsaufforderung an Parteichef Werner Faymann wiederholt hatte. Dem folgte ein Schlagabtausch der Befürworter und Gegner der Willkommenskultur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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