Wer repariert die Geldvernichtungsmaschine?

SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES: SCHELLING
SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES: SCHELLING(c) APA/ROBERT JAEGER
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Die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sind in der derzeitigen Struktur nicht reformierbar. Wenn die Regierung wirklich einen Neustart will, dann baut sie jetzt den intransparenten Föderalismus radikal um.

Die Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sind noch gar nicht so recht warmgelaufen, da steht schon ihr De-facto-Scheitern im Raum: Die angepeilte Steuerautonomie der Länder (als Angelpunkt für echte Reformen) ist mehr oder weniger vom Tisch. Was übrig bleiben wird, ist eine leicht adaptierte Fortschreibung der bisherigen Mittelverteilung. Das Reformprogramm der Länder beschränkt sich im Wesentlichen auf die zwei Worte „mehr Geld“.

Die von Finanzminister Schelling offenbar ernsthaft angedachte Reparatur der Geldvernichtungsmaschine namens alpenrepublikanischer Föderalismus hat damit wieder einmal nicht geklappt. Schade um die Zeit, die hochbezahlte Politiker in weiteren Verhandlungsrunden versitzen.

Wenn die Regierung jetzt wirklich einen Neustart hinlegen will, dann verlängert sie den (ohnehin schon zweimal angestückelten) geltenden Finanzausgleich noch einmal um zwei oder drei Jahre und nutzt die Zeit für eine grundlegende Neukonstruktion. Die jetzige ist jedenfalls nicht mehr reparierbar. Die verwobenen, intransparenten Parallel- und Mehrfachstrukturen haben einen Komplexitätsgrad erreicht, bei dem niemand mehr durchblickt.

Den Beweis für diese These hat kürzlich der Rechnungshof geliefert, als er nachgewiesen hat, dass zuletzt fünf Bundesländer nicht mehr in der Lage waren, ihre Überweisungen an die Gemeinden korrekt zu berechnen. Und die Komplexität hat irrwitzige Bürokratiemonster entstehen lassen, deren hervorstechendste Merkmale mangelnde Funktionalität und überbordende Kosten sind. Wie etwa die Verwaltung der land- und forstwirtschaftlichen Schulen, bei der gleichzeitig fünf Abteilungen aus zwei Ministerien und eine Reihe von Abteilungen aus neun Bundesländern gerade einmal 17.000 Schüler verwalten.

Die Sache ist wirklich ernst: Der Finanzausgleich bewegt mehr als 32 Mrd. Euro Steuergeld im Jahr. Und niemand legt wirklich Rechenschaft über die Verwendung dieses Geldes ab und niemand schaut nach, ob die Mittel auch effizient eingesetzt sind. Letzteres geht bei der herrschenden Intransparenz ja ohnehin nicht.

Wenn die Regierung also wirklich einen Neustart hinlegen will, dann sorgt sie jetzt dafür, dass dieses Schwarze Loch, in dem viele Steuermilliarden auf Nimmerwiedersehen verschwinden, zumindest einmal gläsern gemacht wird.

Dazu sind einige Maßnahmen nötig:
• Die derzeit völlig wirr verwobenen Kompetenzen und Aufgaben der Gebietskörperschaften müssen klar und transparent geregelt werden. Nur so ist es möglich, dass sie aufgabenorientiert finanziert werden. Das komplexe Transfersystem, das nicht einmal die Spezialisten in den Landesregierungen durchschauen, ist abzuschaffen.
• Die Ausgaben- und Einnahmenverantwortung muss (ganz unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß es zu echter Steuerautonomie kommt) zusammengeführt werden. Dass es nicht funktionieren kann, wenn, wie jetzt, beispielsweise die Länder Lehrer anstellen und der Bund die Rechnung bezahlt, sollte sich schon herumgesprochen haben.
• Die aufgabenorientierte Finanzierung muss einer regelmäßigen externen Kontrolle unterzogen werden. Und zwar projektbezogen.
• Die Budgets müssen auf der Basis des sogenannten Zero Base Budgeting erstellt werden. Das heißt, dass die Länder nicht mit dem Pauschalmotto „mehr Geld“ nach Wien marschieren können, sondern die Notwendigkeit von Geldtransfers regelmäßig schlüssig nachzuweisen haben.
• Dass das Ganze ein einheitliches Rechnungswesen aller Gebietskörperschaften erfordert, versteht sich von selbst. Hier gibt es wenigstens schon einen vagen Zeitplan.

Eine derartige Umgestaltung der Finanzbeziehungen wäre die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt an die Hebung von Effizienzpotenzialen denken kann. Eine echte Verwaltungsreform ist ja ziemlich schwierig, wenn man wegen der verfilzten Strukturen und mangelnder (von den Ländern aus gutem Grund massiv verhinderter) Transparenz nicht einmal genau feststellen kann, welche Mehrfach- und Parallelstrukturen wo existieren.

Ein kleiner Nebeneffekt wäre wohl, dass man mit dieser Strukturbereinigung nicht nur die Verwaltungsreformpotenziale (Wirtschaftsforscher sprechen da von bis zu 2,5 Mrd. Euro im Jahr) heben, sondern gleich auch noch die Parallelstrukturen im Förderwesen (die auch die eine oder andere Milliarde verschlingen) angehen könnte.

Bei den herrschenden Machtstrukturen im Lande klingt das alles natürlich ein wenig nach einem reichlich unrealistischen Wunsch an das Christkind. Aber, wie gesagt, wenn die Regierung einen Neustart versuchen will, dann wird sie darum nicht herumkommen.

Wenn sie das nicht tut, dann wird der im Wesentlichen auf schwarz-rotem Proporz mit gelegentlichen blau-grünen Einsprengseln aufgebaute Föderalismus früher oder später ohnehin auf die harte Tour das Zeitliche segnen. Eine rechtzeitige Reparatur wäre dem Totalschaden eindeutig vorzuziehen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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