Arbeit soll mehr bringen als Geldgeschäft

(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Bonita Haag ist als Prozessleittechnikerin eine Frau für brenzlige Situationen. Der Oberösterreicherin in einer Männerdomäne bereitet der steigende Druck in Betrieben Sorge.

Manchmal erlebt Bonita Haag Momente, da würden andere sofort die Nerven wegschmeißen. Sie ist bei der Lenzing AG eine Frau für heikle Einsätze: Wenn in der Produktion des Faserherstellers ein Umreifungsautomat den Geist aufgibt, ein Temperaturfühler oder ein Regler kaputtgeht, ist Haag gefragt. Die Oberösterreicherin ist gelernte Mess- und Regelmechanikerin und arbeitet in der Instandhaltung Elektro der Lenzing AG. Wenn sie bei kleinen und großen Pannen in der Packerei die Dinge nicht wieder flottbekommt, dann steht die Produktion.

„Die Jungen können da noch schnell nervös werden“, erzählt die 49-jährige Arbeiterin: „Ich habe gelernt, in so einer Situation Ruhe zu bewahren.“ Gar nicht so einfach, wenn gut ein Dutzend Leute aus der Produktion hinter einem stehen und fragen, wie lang es dauert, bis es weitergeht.

Dass Haag Mess- und Regelmechanikerin wurde, war Zufall. Mit 15 Jahren hatte sie nach einer Lehrstelle gesucht, das AMS hatte sie auf die Lenzing AG aufmerksam gemacht. Dort wollte man erstmals junge Mädchen in typischen Männerberufen ausbilden. Haag war eines von zwei Mädchen, die in das Programm aufgenommen wurden. Die Männer wussten am Anfang gar nicht, wie sie mit den neuen jungen Kolleginnen umgehen sollten. „Sie haben sehr gut auf uns aufgepasst und hatten Sorge, dass uns etwas passiert“, erinnert sich die selbstbewusste Arbeitnehmerin. Sie ließen die jungen Frauen kaum etwas Schwierigeres machen. Viele der Fertigkeiten, die sie als Prozessleittechnikerin – so heißt der Lehrberuf heute – braucht, hat sie sich erst nach ihrer Ausbildung angeeignet.

Bei der Lenzing AG fühlt sich Haag wohl, ihre Aufgabe macht ihr Spaß und fordert sie. Als Frau in einer Männerdomäne bekommt sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Aber der Druck werde auch bei ihr im Betrieb immer größer, erzählt Haag: „Es ist kälter geworden.“ Ihr größter Wunsch: dass man mit richtiger Arbeit wieder mehr Geld als mit Kapitalverschiebungen verdient. Sie ist stolz darauf, Arbeiterin zu sein: „Es geht ohne uns nicht.“ c. l.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.