Bei der Präsidentschaftswahl hat es "nur den Einen" gegeben

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Werkzeugmaschineur Jürgen Römer hält Schichtarbeit für "nicht schön". Die Kluft Arbeiter−Angestellte sieht er schwinden.

Um sechs Uhr früh ist Schichtbeginn. Jürgen Römer geht zu seiner Maschine, an der Innen- und Außenringe der Kugellager, die seine Firma produziert, geschliffen werden. Zwischen drei und fünf Minuten dauert der Schliff. Dann kommt das nächste Teil. Dutzende, manchmal Hunderte Stück gehen während einer Schicht durch Römers Hände. Um 14 Uhr ist Schluss. Und dann wird ausgestempelt.

Bereits seit 1998 ist der 39-jährige Werkzeugmaschineur in dem Produktionsbetrieb tätig. Normalerweise wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet – von sechs bis 14 Uhr, von 14 bis 22 Uhr und von 22 bis sechs Uhr. Derzeit aber nicht. Die Nachtschicht ist gestrichen. „Weil die Arbeit einfach nicht da ist“, erzählt der dreifache Familienvater aus der Arbeiterstadt Steyr. Seit der Finanzkrise sei alles anders: weniger Aufträge, kleinere Bestellungen. Für die Arbeiter ist mit der Nachtschicht auch die Nachtzulage weg.

Ein spürbarer finanzieller Abstrich, aber auch eine merkliche Entlastung. „Schichtarbeit an sich ist nicht schön“, sagt Römer. „Je älter du wirst, desto anstrengender wird die dritte Schicht“ − jene von 22 Uhr abends bis sechs Uhr früh. Das Schlafen am Vormittag funktioniere nämlich nicht immer. „Ich bin nach einer Woche Nachtschicht meist eine Woche lang fertig und erschöpft.“

In den 18 Jahren, die Römer schon im Betrieb ist, hat sich vieles verändert: Der wirtschaftliche Druck auf die Firma sei gestiegen – „und das spüren auch die Arbeiter“. Deren Ansehen habe sich stark gewandelt. „Früher hat man schon gemerkt, dass die Angestellten auf die Arbeiter herabblicken. Und die Arbeiter meinten wiederum, dass die im Büro sowieso nichts arbeiten. Heute ist das nicht mehr so. Ich fühle mich ja selbst nicht als Arbeiter, sondern als Arbeitnehmer“, sagt Römer.


Stillstand. Eines ist heute wie damals gleich: (Fast) alle Arbeiter sind bei der Gewerkschaft. „Es gibt nur ein, zwei, die nicht dabei sind“, so Römer. Er sieht in der Mitgliedschaft Vorteile. Mit Treue zur SPÖ habe das aber nichts zu tun. Von den Roten ist er seit Längerem enttäuscht. „Früher war die SPÖ für die Arbeiter, die kleinen Leut' da. Doch seit Jahren geht nichts weiter“, sagt Römer. Ihn ärgert nicht nur der Stillstand im Land, sondern auch der rote Zugang zum Flüchtlingsthema („Ich hab nichts gegen Hilfe für die Flüchtlinge, aber etwas gegen Massenzuwanderung.“) und das kategorische Nein der SPÖ zu einer Koalition mit der FPÖ („Man kann nicht ignorieren, was das Volk sagt.“).

Bei der Bundespräsidentschaftswahl hat es für ihn diesmal „nur den Einen“ gegeben. „Das war klar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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