1. Mai: SPÖ-Basis buht Faymann aus

(c) APA/HANS PUNZ
  • Drucken

Nach heftigen Protesten der eigenen Funktionäre ist Parteichef Werner Faymann angeschlagen. Von einem Rücktritt oder einer Vorverlegung des Parteitags will er aber nichts wissen.

Wien. Das hat es in der SPÖ noch nie gegeben: Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann ist am 1. Mai auf dem Wiener Rathausplatz ausgebuht und ausgepfiffen worden – und konnte seine extrem kurze Ansprache nur unter empfindlichen Störungen zu Ende bringen. Damit ist die Obmanndebatte, die schon seit der Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag schwelt, neu aufgebrochen. Entscheidende Weichenstellungen sind bereits zu erwarten, wenn heute, Montag, die Wiener SPÖ in einer vorverlegten Präsidiums- und Vorstandssitzung ihren Kurs festlegt. Am kommenden Dienstag tagt der ebenfalls vorverlegte Bundesparteivorstand. Faymann selbst gibt sich kämpferisch: Er will keinesfalls zurücktreten.

Der Maiaufmarsch ist in diesem Jahr ganz im Zeichen des innerparteilichen Machtkampfs gestanden. Die im Vergleich zu vergangenen Jahren eher spärlich erschienenen SPÖ-Mitglieder waren gespalten: In Bezirken wie Favoriten oder Simmering dominierten die Anhänger der Parteiführung, die ihre Zustimmung mit Tafeln mit der Aufschrift „Werner, der Kurs stimmt!“ signalisierten. Auf der anderen Seite die Kritiker, erkennbar an den gelben „Team Haltung“-Aufklebern. Die Spaltung ging auch mitten durch die Bezirke. Döbling beispielsweise, mit dem früheren Parteichef Franz Vranitzky an der Spitze, präsentierte in den ersten Reihen Pro-Faymann-Tafeln. Dahinter dann das Transparent mit der Aufschrift „Putzt euch und macht Platz für echte Sozialdemokraten“ und den Bildern von Bruno Kreisky, Hertha Firnberg und Victor Adler.

Werner Faymann hat sich die Pro- und Kontra-Demonstrationen großteils erspart: Mit seinen Liesinger Genossen mitmarschierend erschien er erst sehr spät auf der Festtribüne. Bei den Ansprachen waren dann aber die Faymann-Gegner wesentlich besser organisiert. Erst jetzt packten sie ihre Tafeln aus und platzierten sich strategisch geschickt vor der Festbühne. „Rücktritt“ und „Parteitag jetzt“ hielten sie ihrem Vorsitzenden vor, der seine Rede unter so lautstarken Protesten halten musste, dass der Moderator sich genötigt sah, um Fairness für den Genossen Faymann zu bitten – vergeblich. Die Faymann-Fans konnten sich kaum noch bemerkbar machen.

„Da sieht man, wie kurz der Weg zwischen Jubel und Kreuzigungsrufen ist“, kommentierte der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, der monierte, eine inhaltliche Debatte führen zu wollen, keine Personaldebatte. Allzu engagiert stellte allerdings auch er sich nicht vor den Bundesparteichef, der den Rest der Veranstaltung mit eher fassungsloser Miene verfolgte. Für die Absage einer Koalition mit der FPÖ erhielt Häupl große Zustimmung, ebenso Vizebürgermeisterin Renate Brauner für ihren Verweis auf die Linie der SPÖ zur Flüchtlingsfrage im Gemeinderatswahlkampf.

Faymann: „Der Kurs ist richtig“

Aufgegeben hat Werner Faymann aber noch nicht. „Kritik muss man aushalten und ernst nehmen, aber der Kurs ist richtig“, sagte er nach der Veranstaltung. Es gehe nicht darum, es jedem recht zu machen, sondern aus Überzeugung zu handeln. In der Flüchtlingsfrage vertrete er einen Standpunkt, den viele nicht wollen, und diese hätten eben ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Über Rücktritt will Faymann nicht nachdenken. „Ein Bundeskanzler, der sich von kritischen Diskussionen zurückdrängen lässt, hätte erst gar nicht Bundeskanzler werden sollen.“ Auch einer Vorverlegung des für November anberaumten Parteitags will er nicht zustimmen. Die Diskussion in der SPÖ wird aber garantiert weitergehen. Die nächste Chance für die Faymann-Kritiker, zumindest den Parteitag vorzuverlegen, bietet sich im Bundesparteivorstand am kommenden Dienstag. Gelingt das nicht, sind Personaldebatten bis in den Herbst garantiert.

AUF EINEN BLICK

Weitere Infos:www.diepresse.comPersonaldebatte. Werner Faymann hat 2008 Alfred Gusenbauer als Parteichef abgelöst. Personaldebatten gab es schon öfter, etwa nach schwachen Ergebnissen bei den Parteitagen. Als mögliche Nachfolger werden ÖBB-Chef Christian Kern, Medienmanager Gerhard Zeiler oder die frühere Wiener Vizebürgermeisterin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer gehandelt. Der nächste Parteitag soll im November stattfinden, viele in der SPÖ plädieren aber für eine Vorverlegung, um eine lang andauernde Personaldebatte zu verhindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.