Maiaufmarsch: Deutsch-österreichische Solidarität gegen Blaue

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Die SPÖ-Bezirksorganisation in der Wiener Vorstadt Hernals zeigt bei der Maifeier viel rote Symbolik und schießt sich auf einen altbekannten Gegner ein. Die befreundete SPD aus Leipzig zieht Vergleiche zwischen der FPÖ und der AfD.

Wien. Es sind die roten Unentwegten. Nicht zufällig sind sie hier an der Grenze zwischen den Bezirken Hernals und Ottakring bei der Vorortelinie im Westen Wiens ausgerüstet mit kleinen, roten Fähnchen mit den drei Pfeilen. Wenn es in der Sozialdemokratie so kracht, dass selbst die Fundamente an diesem 1. Mai erschüttert werden, versammeln sich die getreuen der ehemaligen Arbeiterpartei bewusst um ein Symbol aus den harten Zeiten der Parteivorväter. „Die haben wir wieder“, sagt Ilse Pfeffer, rote Bezirksvorsteherin von Hernals, über die leicht zu schwenkenden roten Drei-Pfeile-Flaggen. Die rote Bezirkspolitikerin bemüht sogar höhere Mächte, wenn sie zum Comeback der Symbole der Arbeiterpartei ergänzt: „Gott sei Dank.“

SPÖ-Bezirkschef von Hernals ist Josef Cap, vor mehr als 30 Jahren Juso-Revoluzzer gegen das Parteiestablishment, inzwischen altgedienter stellvertreter Klubobmann im Parlament. „Ich bin für eine Programm- und nicht für eine Personaldebatte“, betont Cap an diesem 1. Mai im Gespräch mit der „Presse“ zu der gerade mit voller Wucht tobenden Diskussion um Richtung und Führungspersonal der SPÖ mit Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann als rotem Buhmann für SPÖ-Wahlschlappen und den scheinbar unaufhaltbaren Aufstieg der FPÖ bis tief in frühere rote Kernschichten der Arbeitnehmerschaft hinein. Caps Ratschlag kommt nicht wirklich überraschend, hat er doch gemeinsam mit Ex-Zentralsekretär Pensionistenchef Karl Blecha einen 70-seitigen Erstentwurf für ein „Programm für Österreich“ erarbeitet.

Der Bezug auf Österreich ist keinesfalls ungewollt, wo doch die FPÖ mit Parolen wie „Österreich zuerst“ der SPÖ vor allem bei der Bundespräsidentenwahl regelrechte Wählermassen abspenstig gemacht hat. Ausbildung, Arbeitsmarkt, das Prinzip der Freizügigkeit von Waren und Personen in der EU sind die „Herausforderung“. Der Hauptgegner am 1. Mai 2016 ist nicht mehr vorrangig der Klassenfeind, sondern die Freiheitlichen, die mit populistischen Parolen etwa zur Ausländer- und Flüchtlingspolitik in der ehemaligen Stammklientel der Noch-Kanzlerpartei SPÖ punkten. Es ist sicher auch kein Zufall, dass sich Jungsozialisten aus Hernals mit Leibchen mit einer Karikatur von Ex-Sonnenkönig Bruno Kreisky als Indianerhäuptling auf der Brust stolz in die Hundertschaft der Genossen einreihen.

Vereint im Niedergang?

Dazu kommt gelebte deutsch-österreichische Solidarität. Denn die Hernalser Roten haben dieses Mal Unterstützung von Vertretern der Schwesterpartei SPD aus dem deutschen Leipzig erhalten. Probleme schweißen zusammen. In Österreich sind dies der Umgang und die „Ausgrenzung“ der FPÖ, die ÖGB-Präsident Erich Foglar überdenken will und den nun eine eilig von SPÖ-Chef Faymann eingesetzte Strategiegruppe mit Länder-, Jugend-, Frauen- und Gewerkschaftsvertretern bis zum Bundesparteitag im November beraten wird.

Cap scherzt launig vor den SPD-Abgesandten: „Momentan verbindet uns auch die Problematik der Umfragen.“ Der Leipziger SPD-Stadtparteivorsitzende Hassan Soilihi Mze, dessen Vater von den Komoren nach Deutschland ausgewandert ist, zieht den Vergleich zur AfD, der Alternative für Deutschland: „Ich selbst komme aus einer Region, wo die AfD 24 Prozent hat.“ Die Herausforderung für Sozialdemokraten in den neuen deutschen Bundesländern wie im (ehemals) roten Wien ist die gleiche: „Warum kommt ein Blauer aus der Ecke?“ Eine schlüssige Antwort bleibt der junge Mann mit dem modischen Bart und dem kurzen, leger getragenen Mantel freilich schuldig.

Die Genossen aus der Vorstadt tragen auch einen schwarzen Sarg mit auf den Rathausplatz. Dieser ist aber nicht für den heftig attackierten SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Faymann gedacht, sondern für den Klassenfeind der Sozialdemokratie schlechthin am „Tag der Arbeit“. „Kapitalismus zu Grabe tragen – nicht die Flüchtenden“, ist auf dem Transparent zu lesen. Eine unmissverständliche Anspielung darauf, dass die Verschärfung des Asylrechts und der Schwenk der SPÖ in der Flüchtlingspolitik auch in Caps Heimatbezirk nicht von allen Funktionären und Mitgliedern goutiert wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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