Der Bürgermeister habe sich "unterstützend geäußert", sagt Kanzler Faymann. Darauf wetten, dass die Koalition bis zum regulären Wahltermin 2018 hält, wollte er nicht.
Bundeskanzler Werner Faymann gibt sich in der Diskussion um die Führung in der SPÖ weiter standhaft: "Rechnen Sie weiter mit mir", betonte er am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Eher unwirsch reagierte der Bundesparteichef auf eine Frage, ob Bürgermeister Michael Häupl nun nach dem gestrigen Beschluss der Wiener Gremien eine Schiedsrichterrolle in der Partei übernehmen müsse. Faymann meinte dazu, der Stadtchef spreche nur für die Wiener SPÖ und habe sich in dieser Funktion "unterstützend geäußert".
Von vorgezogenen Neuwahlen wollte der Kanzler am Dienstag nichts wissen, auch wenn er keine Wette darauf abschließen wollte, dass die Koalition bis zum regulären Wahltermin 2018 hält. Vizekanzler Mitterlehner sprach von einer "ziemlich letzten Chance" für die Regierung nach der schweren Niederlage der Koalitionskandidaten bei der Hofburg-Wahl. Wenn man diese nicht nutze, werde es anders weitergehen, blieb Mitterlehner vage.
Noch nicht auseinandersetzen wollte sich Mitterlehner mit der Frage, wie die ÖVP bei einem Führungswechsel bei der SPÖ reagieren werde. Derzeit sei Faymann sein Regierungspartner, und im Fall der Fälle werde man es sich dann ansehen, sollte es zu einer Änderung bei der SPÖ kommen.
Schieder: "Sein kann alles, in Zeiten wie diesen" Zuvor hatten die meisten roten Regierungsmitglieder versucht, den auf das Pressefoyer watenden Journalisten nicht über den Weg zu laufen. Jene, die sich doch zeigten, wollten sich in keine Richtung festlegen. So meinte etwa Klubobmann Andreas Schieder zur Frage, ob der Parteitag trotz aller Turbulenzen wirklich plangemäß erst im November stattfinden könnte: "Sein kann alles, in Zeiten wie diesen." Seine persönliche Präferenz in dieser Frage behält er sich für die Gremien auf.
Dass Häupl gestern quasi die Führung durch die Krise übernommen hat , wollte Schieder nicht so sehen: "Häupl ist Chef der Wiener SPÖ." Der Klubchef selbst gilt auch als Außenseiter für den Job des Parteivorsitzenden. Er stritt das aber ab: Ihn fülle die Stelle des Klubobmanns aus.
Stöger geht davon aus, dass Faymann bleibt Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) plädierte dafür, die Diskussion in der Partei in aller Offenheit aber nicht in aller Öffentlichkeit zu führen. Dass die SPÖ gespalten sei, bestritt er. Man solle sich nun die Zeit dafür nehmen, alle Fragen zu diskutieren. Stöger geht auch davon aus, dass Faymann nach dem Bundesparteivorstand der SPÖ kommenden Montag weiter Chef der Sozialdemokraten sein wird.
Auch der Koalitionspartner wollte sich zu den Schwierigkeiten in der SPÖ nicht wirklich äußern. Finanzminister Hans Jörg Schelling betonte bloß, es gelte in der Regierung ein Programm abzuarbeiten. Daher denkt er auch nicht an Neuwahlen. Ähnlich äußerte sich Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Er sei optimistisch, dass die Regierung weiter halte. Die Regierung sei zur Arbeit bereit.
Christian Kern gilt derzeit als Favorit für die Nachfolge von Werner Faymann. Kern könnte eine Brücke zwischen dem „Refugees welcome“-Flügel und den wirtschaftsfreundlichen Modernisierern in der SPÖ schlagen. Er wäre überhaupt der modernste Kandidat. Sozialisiert in der Partei, aber doch groß geworden in der Welt der Wirtschaft. Es gibt allerdings auch Vorbehalte gegen den derzeitigen ÖBB-Chef, und zwar aus der Gewerkschaft. Und man kann auch davon ausgehen, dass der Honeymoon der Parteilinken mit Kern nicht allzu lang andauern würde. Denn im Kern ist Kern ein Pragmatiker, einer, der für die Verbindung sozialdemokratischer Werte mit wirtschaftspolitischer Vernunft stehen würde, der also in der Wahrnehmung einen Platz irgendwo zwischen Franz Vranitzky und Tony Blair einnehmen würde. Im besten Fall.Mit Kern könnte die SPÖ ihr angestaubtes Mäntelchen, ihr Apparatschik-Image ablegen. Es würde neue Dynamik in die Partei kommen – und auch in die Regierung. Ein wenig Matteo-Renzi-Style also auch. Wiewohl Kern nicht so offensichtlich ehrgeizig wie der Italiener ist. Er würde also nicht von sich aus mittels Machtkampf den Posten des SPÖ-Chefs anstreben, sondern eher gebeten werden wollen. Dann würde er aus Verbundenheit mit der Bewegung wohl zusagen. (oli) (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT) Auch Gerhard Zeiler wurde in den vergangenen Tagen immer wieder als möglicher künftiger SPÖ-Chef genannt. Nicht zuletzt weil er über den besten Draht zum Königsmacher der SPÖ, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, verfügt. Im Wiener Wahlkampf 2015 hatte Zeiler zu einem medienwirksamen Abend mit Michael Häupl ins Gasthaus Grünspan in Ottakring geladen, dem Heimatbezirk Häupls, in dem Zeiler geboren wurde. Und wie man Medien bedient, weiß kaum einer besser als Gerhard Zeiler. Er war ORF-Generaldirektor und RTL-Chef. Heute ist er von London aus als Präsident von Turner Broadcasting System International unter anderem für CNN International verantwortlich. Und Zeiler würde auch wollen. Er hat das bereits vor einem halben Jahr in einem „Kurier“-Interview angedeutet. Neben den Wienern könnten sich auch noch andere Landesparteien mit Zeiler anfreunden. Immerhin wäre er ein klingender Name mit internationaler Erfahrung. Und ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat noch dazu. (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL) Zeiler war einst Pressesprecher von SPÖ-Unterrichtsminister Fred Sinowatz und blieb das auch, als dieser Bundeskanzler wurde. Auch dessen Nachfolger, Franz Vranitzky, stand er noch eine Zeitlang zur Verfügung. Danach wurde er Generalsekretär im ORF unter Teddy Podgorski. 1991 wechselte er als Geschäftsführer zum Privatsender Tele 5 nach München. Über die Geschäftsführung von RTL2 ging es dann 1994 zurück auf den Küniglberg. Zeiler wurde ORF-Chef und startete eine umfassende Programmreform, die bis heute nachwirkt. 2008 wurde Zeiler Chef von RTL und bekleidete danach weitere führende Funktionen im Bertelsmann-Konzern. Man darf also gespannt sein, wie die Parteilinken, die gegen Faymann Stimmung machte, auf einen SPÖ-Vorsitzenden Zeiler reagieren würden. Zumal dieser wohl keine linke Retro-Politik verfolgen würde. Sondern eher einen wirtschaftsfreundlichen Kurs, angereichert mit populistischen Elementen. Das Verhältnis der SPÖ-Führung zu den Boulevardmedien dürfte ein überaus gutes bleiben. Der Jüngste ist der 60-Jährige Wiener zwar auch nicht mehr, aber von der Biografie und der Erfahrung her wäre Zeiler das größte Kaliber für die Löwelstraße. Schlagzeilen über die Landesgrenzen hinaus garantiert. Über Zeilers aktuelle Haltung in Flüchtlingsfragen oder zu Rot-Blau ist nichts Näheres bekannt. Da müsste er sich dann eine entsprechende Strategie zurechtlegen, um die Klippen zu umschiffen. (oli) (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Wird ein deklarierter Vertreter des rechten oder linken Flügels Parteichef, droht es die SPÖ zu zerreißen. Bleibt also die Möglichkeit, einen SP-nahen Manager zu nehmen, mit der Gefahr, dass er mit der Partei nicht kompatibel ist. Oder einen Pragmatiker aus dem derzeitigen Führungsteam. Und damit wären wir bei Andreas Schieder. Der Sohn des prominenten SPÖ-Abgeordneten Peter Schieder hat eine typische Parteikarriere hinter sich: Sozialistische Jugend, Bezirksrat in Penzing, Landtags-, dann Nationalratsabgeordneter. 2008 wurde er Staatssekretär, erst im Kanzleramt, dann im Finanzministerium, 2013 setzte ihn Faymann auf die strategisch wichtige Position des Klubchefs im Nationalrat. Ein bedingungsloser Anhänger Faymanns ist er trotzdem nicht gewesen. Und obwohl er in seiner Rhetorik eher auf der linken Seite angesiedelt ist, besitzt er genug Pragmatismus, um auch mit dem Niessl-Flügel in der Partei auskommen zu können. Was gegen ihn spricht? Allenfalls leise Zweifel an seiner Leadership. Und Misstrauen mancher Funktionäre aufgrund seiner privaten Beziehungen: Seine Lebensgefährtin ist die Wiener Gesundheitsstadträtin, Sonja Wehsely, eine exponierte Vertreterin des linken Parteiflügels und Kritikerin des nun zurückgetretenen Werner Faymann. (maf) (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER) Seit wenigen Monaten erst Minister – und schon als nächster Parteichef im Gespräch: Wer Hans Peter Doskozil kennt, der weiß, das schmeichelt ihm. Und, viel wichtiger: Er würde es sich selbst auch zutrauen. Schon als Landespolizeidirektor im Burgenland erklärte der 45-Jährige erfrischend ehrlich, dass ihn die Politik durchaus reizen würde. Damals machte er sich als Krisenmanagement in Nickelsdorf einen Namen. Wenig später holte ihn Faymann ins Verteidigungsressort.Auf sein Rückkehrrecht nach Eisenstadt hat Doskozil bereits offiziell verzichtet. Man kann ohnehin davon ausgehen, dass die Rossauer Kaserne nicht die letzte Station in Wien für ihn sein wird. Die Frage ist nur, ob er tatsächlich an der Parteispitze stehen wird: Doskozil, ein Vertrauter von Hans Niessl, könnte vom burgenländischen Landeschef vorgeschickt werden. Das Problem: Als Minister vertritt Doskozil eine striktere Asyllinie, als es seine Zeit als Polizeidirektor vermuten ließ. Der linke Parteiflügel, vor allem in Wien, würde ihn nicht akzeptieren. Zumindest nicht ohne Protest. Andererseits: Doskozil wäre eszuzutrauen, einen Spagat zwischen den Lagern zu schaffen. Allerdings: Auch wenn er erst seit wenigen Monaten Minister ist, war er Teil des Teams Faymann. Will man einen kompletten Neustart signalisieren, wären andere Kandidaten wohl geeigneter. (ib) (c) APA/NEUMAYR/MMV (NEUMAYR/MMV) Sie war EU-Staatssekretärin unter Franz Vranitzky, Finanz- und Wirtschaftsstadträtin in Wien, Siemens-Chefin in Österreich und Vorstandsmitglied der Siemens AG in München. Sie hat also Regierungs- und Managementerfahrung. Und man könnte sie als österreichische Angela Merkel positionieren, wenn auch in sozialdemokratischer Ausführung. Zwei Dinge sprechen allerdings gegen Brigitte Ederer als nächste SPÖ-Chefin. Erstens: sie selbst. „Ich bin eine alte Frau“, meinte die 60-Jährige vergangene Woche. Und zweitens sind die roten Gewerkschafter – neben der Wiener Landespartei der zweite Machtfaktor in der SPÖ – nicht eben Ederer-Fans. Man wirft ihr vor, in ihrer Siemens-Zeit die Interessen der Arbeitnehmer vernachlässigt zu haben. So bleibt Ederer zunächst nur eine theoretische Option für die Parteispitze – und eine nicht unwesentliche Mitspielerin im Hintergrund. Man sagt ihr einen guten Draht zu ÖBB-Chef Christian Kern nach. Nicht nur, weil Ederer seit 2014 Aufsichtsratschefin der Bundesbahnen ist. Gemeinsam mit Kern und Alfred Gusenbauer soll sie einst die „solidarische Hochleistungsgesellschaft“ entworfen haben, eine Annäherung der Sozialdemokratie an den Liberalismus. Damals, als Gusenbauer noch Kanzler war. Auch das hat den Gewerkschaftern weniger gut gefallen. (pri) (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT) Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass Hans Niessl nach 15 Jahren im Amt einen zweiten politischen Frühling erleben wird. Doch jetzt, da Werner Faymann zurückgetreten ist und die SPÖ in einer tiefen Krise steckt, ist sogar ein dritter nicht mehr ganz ausgeschlossen. Seit sich Franz Voves pensionieren hat lassen, ist der burgenländische Landeshauptmann nämlich zum alleinigen Anführer des rechten Parteiflügels herangewachsen. Wenn sich der jetzt durchsetzt und Niessl nicht seinen ehemaligen Büroleiter Hans Peter Doskozil vorschickt, schlägt womöglich seine Stunde. Und auch die der Parteispaltung. Denn mit dem bald 65-jährigen Burgenländer an der Parteispitze könnte die SPÖ-Linke wohl eher nicht leben. (pri) (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Er wäre zweifellos ein Überraschungskandidat: Peter Kaiser, seit drei Jahren Landeshauptmann von Kärnten. Immerhin wäre Kaiser krisenerprobt: In Kärnten hat er nach der blau-orangen Regierungsphase ein schwer verschuldetes Land übernommen, das noch dazu aufgrund der Haftungen für die Hypo Alpe Adria vom Konkurs bedroht ist. Was für Kaiser spricht: Auf ihn könnten sich beide Flügel der SPÖ einigen. Kaiser hat seine Karriere als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend gestartet, die ihn jetzt auch als Parteichef forciert. Und er lernte auf seinem weiteren Weg als Landtagsabgeordneter und Landesrat einen pragmatischen Zugang, mit dem er sich auch in der traditionell eher rechten Kärntner SPÖ durchsetzen konnte. Was noch für ihn spricht: Kaiser hat gezeigt, dass er eine Wahl gewinnen kann. Und das ist in der SPÖ in den vergangenen Jahren nicht vielen gelungen. Und er hat seither als Landeshauptmann eine gute Figur gemacht.Was gegen Kaiser spricht: Bundespolitische Erfahrungen hat er bisher kaum gesammelt, auch als Landeshauptmann hat er sich diesbezüglich zurückgehalten. Und über ihm schwebt das Damoklesschwert der Justiz: In der „Top Team“-Affäre (Werbeaufträge an eine SPÖ-nahe Agentur) wird immer noch gegen den Landeshauptmann ermittelt. (maf) (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER) Auch der Name von SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser wurde an der Gerüchtebörse genannt. Über sich selbst sagt Oberhauser allerdings: "Ich bin keine Machtpolitikerin". Sie hatte sich zuletzt auch gegen einen Rücktritt Faymanns ausgesprochen und betont: „Das Herzstück der Partei ist das Programm, dafür brauchen wir auch Zeit.“ Denn das sei es, was die Sozialdemokratie ausmacht, „das sind nicht Köpfe“. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER) Wer folgt Werner Faymann nach? (APA)
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