Wie man in der SPÖ einen Obmann stürzt

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BP-WAHL: WAHLKAMPFABSCHLUSS VON SP�-PR�SIDENTSCHAFTSKANDIDAT HUNDSTORFER: FAYMANN / VRANITZKY(c) APA/ROBERT JAEGER
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Die Ereignisse in der Partei erinnern frappant an 2008. Nur ist Faymann jetzt der Getriebene.

Wien. Der Frühling zieht durchs Land. Für den Herbst ist ein Parteitag in der SPÖ angesetzt. Eine Mehrheit für den Vorsitzenden ist aber nicht sicher. Politische Erfolge bleiben aus, es gibt jetzt schon Unruhe in der Partei.

Das ist nicht nur eine Beschreibung des Ist-Zustands der SPÖ. Auch 2008 stand die Partei unter diesen Vorzeichen. Damals kam es zur Ablöse von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer durch Werner Faymann. Dem Mann, der nun selbst zittern muss. Vergleicht man die Ereignisse von einst und heute, tauchen erstaunliche Parallelen auf. Und sieht, dass eine Machtablöse in der SPÖ in mehreren Akten erfolgt.

1. Der mächtige Wiener Bürgermeister verteidigt öffentlich den in Kritik geratenen Parteichef.

Gibt es Probleme in der SPÖ, wird den Worten Michael Häupls genau gelauscht. So verteidigte er etwa im April 2008 den wegen mangelnder Durchsetzungskraft umstrittenen Gusenbauer mit den Worten: „Nur weil ich im Parlament keine Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren hab, bin ich sofort ein Umfaller und ein Nudelaug?“

Auch jetzt ist Häupl mittendrin statt nur dabei. Er geht mit Faymann zum „ZiB“-Interview. Er lotet aus, wie die Stimmung in den diversen SPÖ-Organisationen ist.

2. Am 1. Mai kommt es zu Unmutsäußerungen bei der traditionellen SPÖ-Kundgebung.

„Werner, der Kurs stimmt!“, stand auf Schildern, die Anhänger des Parteichefs beim 1. Mai hochhielten. „Wir müssen zusammenhalten, unser Symbol ist unser Dr. Alfred Gusenbauer“, war auf einem Transparent am 1. Mai 2008 zu lesen. In beiden Fällen pfiff den Parteichefs aber am Tag der Arbeit ein rauer Wind um die Ohren. Faymann musste unter Buhrufen sprechen. Und ein Transparent mit der Aufschrift „Putzt euch und macht Platz für echte Sozialdemokraten“ hinnehmen. Auch Gusenbauer kassierte Buhrufe. „Schwarz-Rot = für die Partei der Tod! Raus aus der Großen Koalition“, forderten die roten Studenten auf Plakaten.

3. Die Schlinge zieht sich enger zu, Nachfolgekandidaten kommen ins Gespräch.

Die Ereignisse hinterlassen ihre Wirkung. In Medien wird schon darüber spekuliert, wer die Partei übernehmen wird. Die Namen Gerhard Zeiler oder Brigitte Ederer – sie fielen damals wie heute. Rasch wird darüber spekuliert, ob Parteigremien vorverlegt werden sollen. Ein Personaldiskussion in der Partei gebe es aber nicht, darf etwa Norbert Darabos noch Anfang Juni 2008 verlautbaren.

Auch ein gewisser Werner Faymann, damals Infrastrukturminister und Regierungskoordinator, wird als neuer Parteichef gehandelt. Faymann „traut sich den SPÖ-Vorsitz zu, ist in der Partei aber wenig beliebt“, analysieren etwa die „Salzburger Nachrichten“ 2008, auch wenn die Beschreibung von heute sein könnte.

4. Wichtige Genossen distanzieren sich öffentlich, die letzten Rettungsversuche kommen.

Ein Juni, in dem Österreichs Team bei der Fußball-Europameisterschaft spielt. Das böte sich doch geradezu an, um den Fokus der Öffentlichkeit von parteiinternen Krisen wegzulenken. Heuer, wie auch im Jahr 2008. Doch ganz ging diese Rechnung zumindest damals nicht auf.

An dem Tag, an dem Österreich dem entscheidenden Vorrundenspiel gegen Deutschland entgegenfiebert, tagt das SPÖ-Präsidium. Gusenbauer erklärt, den Parteivorsitz an Faymann zu übergeben. Zuvor haben sich wichtige Sozialdemokraten auch öffentlich kritisch zu Gusenbauer geäußert, die damals noch beliebte Salzburger Landeshauptfrau, Gabi Burgstaller, ist als Gusenbauers Parteivize zurückgetreten. Und die Tiroler Landtagswahl verloren worden.

Die Rechnung, dass Gusenbauer unter Parteichef Faymann wenigstens noch Kanzler bleiben kann, geht nur für wenige Monate auf. Die ÖVP unter Wilhelm Molterer ruft im Juli nach dem legendären „Krone“-Leserbrief von Faymann und Gusenbauer Neuwahlen aus. Faymann zieht als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf. Sein damaliger Plakatslogan: „Genug gestritten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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