Die Lkw-Blackbox im Vorbeifahren abfragen

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Die seit 2006 verpflichtenden digitalen Fahrtenschreiber dürfen seit heuer über Fernabfragen ausgelesen werden. Forscher erkunden, welche nützlichen Services man mit den neu gewonnenen Daten anbieten kann.

Alles wird smart, auch der Fahrtenschreiber. Seit März 2016 sollen digitale Tachografen „intelligent“ werden, um auch Fernabfragen zu ermöglichen. Über eine drahtlose Schnittstelle kann die Verkehrspolizei ab 2019 quasi im Vorbeifahren auf den Fahrtenschreiber im Lkw zugreifen. Das stundenlange Warten bei Straßenkontrollen hätte für die Spediteure ein Ende.

Seit genau zehn Jahren sind jeder neu zugelassene Lkw mit einem maximalen Gesamtgewicht ab 3,5 Tonnen und jeder Bus mit mehr als neun Sitzplätzen zu einem digitalen Fahrtenschreiber, Tachografen, verpflichtet. Dieses Gerät ist die Blackbox des Fahrzeugs: Es zeichnet Lenk- und Ruhezeiten ebenso wie die gefahrenen Kilometer auf.

Bei Speditionen und Busunternehmen hat jeder Lenker seine eigene Fahrerkarte, die in den Tachografen gesteckt wird, sodass ein personalisierter Datensatz angesammelt wird. „Früher gab es diese berühmten Scheiben, als der Tachograf noch nicht digitalisiert war“, erklärt Jürgen Zajicek vom Austrian Institute of Technology, AIT. Diese Scheiben waren sehr „manipulationsanfällig“, was seit der Digitalisierung im Mai 2006 viel schwerer möglich ist.

Die in den modernen Geräten gespeicherten Daten werden einmal pro Woche auf den zentralen Computer des Unternehmens übertragen. Die Daten müssen für Kontrollzwecke zwei Jahre lang gespeichert werden. Man kann daran erkennen, ob der Lenker die vorgegebenen Lenk- und Ruhezeiten eingehalten hat, wann das Fahrzeug in der Werkstatt war und wo es Wartezeiten im Verkehr oder bei Transporten gegeben hat.

Wo gibt es zurzeit Stau?

Nun werden am AIT, im Auftrag vom Verkehrsministerium, Möglichkeiten ausgelotet, wie man die neuen Fernabfragen im Straßenverkehr oder auch für Unternehmen nutzen kann. „Eine Idee ist, dass die Daten der Tachografen in intelligente Verkehrssysteme einfließen“, erklärt Projektleiter Zajicek. Wo gibt es Stau, oder wo verläuft die derzeit schnellste Strecke? Diese Informationen könnte man aus digitalen Fahrtenschreibern auslesen und über Apps oder Informationssysteme an wichtigen Verkehrswegen bekannt geben. „Dazu müsste man freilich die Daten anonymisieren und vorverarbeiten“, sagt Zajicek. Ein Projektpartner ist die Anwaltskanzlei Lichtenberger & Partner in Wien, die auf datenschutz- und verkehrsrechtliche Fragen spezialisiert ist. Denn jedes Szenario, das die Forscher ausarbeiten, muss rechtlich abgesichert sein. „Datenschutz und Persönlichkeitsrecht sind wichtige Punkte, wenn man über Fernabfragen stets wissen kann, welches Fahrzeug wann wo war“, sagt Zajicek.

Das Projekt läuft bis Ende 2016, derzeit werden Experten und Betroffene befragt: Was wünschen sich Spediteure, was Busunternehmer? Wie muss ein Service gestaltet sein, damit die Unternehmen einen Nutzen haben? Was muss man beachten, damit ein digitales Service zur Flottenkontrolle akzeptiert wird? Derzeit erkunden die Forscher auch, welche technische Ausrüstung bisher in Fernfahrzeugen installiert ist und was sich durch die neu zur Verfügung stehenden Daten verbessern kann.

Wer ist am nächsten Ort?

Man kann z. B. in Echtzeit ablesen, welcher Fahrer noch wie viel Lenkzeit pro Schicht hat oder welches Fahrzeug am nächsten zur Auftragsstelle ist. „Große Unternehmen verfügen aber jetzt schon über Flottenmanagementsysteme, die die GPS-Daten aller Fahrzeuge anzeigen – zur Verbesserung der Tourenführung“, sagt Zajicek.

Aber kleine Spediteure können sich so teure Systeme oft nicht leisten: „Für Kleinunternehmer wäre ein neues Service hilfreich, das anzeigt, welcher Wagen wann wo wie viel gefahren ist.“ Am Beispiel eines Kieslieferanten könnte damit etwa der Anfahrtsweg vom Kieslager zur Baustelle dem Auftraggeber auf den Kilometer genau verrechnet werden, was für kleine Unternehmen ohne Flottenmanagementsystem bisher schwer möglich ist. (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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