Der Wiener Wohnbaustadtrat im Bundeskanzleramt

Der Wiener Wohnbaustadtrat im Bundeskanzleramt
Der Wiener Wohnbaustadtrat im Bundeskanzleramt(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Politischer Nachruf. Man glaubt es heute kaum: Werner Faymann war einmal der Hoffnungsträger der Linken und Rechten in der SPÖ. Letztlich hat er (fast) alle enttäuscht.

Juni 2008. Von der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter bis zum Pensionistenverband, von der Wiener Partei bis zur Kärntner Landesgruppe – der Tenor war einhellig: Nur Werner Faymann, der smarte Infrastrukturminister mit besten Kontakten zur einflussreichen „Kronen Zeitung“, könne die SPÖ noch retten. Alfred Gusenbauer, der amtierende SPÖ-Chef und Bundeskanzler, habe das Vertrauen verloren, er sei nicht mehr haltbar. Und das war er dann auch nicht mehr lange.
Vom smarten Image des Werner Faymann ist wenig geblieben. Knapp acht Jahre später war er nun selbst in der Gusenbauer-Rolle. Von den Linken am 1. Mai von der Bühne gepfiffen. Von den wirtschaftsfreundlichen Modernisierern nicht mehr ernst genommen. Exemplarisch für Letztere steht etwa Hannes Androsch – in der Anfangszeit noch Faymanns Berater, sagte er sich später schwer enttäuscht von ihm los.

Bei seinem Amtsantritt war Werner Faymann noch der Hoffnungsträger dieser beiden Flügel gewesen. Als Infrastrukturminister und vormaliger Wohnbaustadtrat galt er den einen als pragmatischer Macher. Und für die anderen hatte er ein paar Zuckerln parat: Die Studiengebühren – der Anfang von Gusenbauers innerparteilichem Scheitern als Kanzler – wurden abgeschafft. Die Hacklerregelung wurde verlängert, eine 13. Familienbeihilfe pro Jahr eingeführt. Die Forderung nach einer Vermögensteuer gehörte bald zum Standardvokabular des Werner Faymann.
Und schließlich war Werner Faymann selbst einmal Chef der linken Sozialistischen Jugend (SJ) in Wien gewesen. Damals hieß es über ihn im „Spectrum“ der „Presse“: „Die einen werden es günstigstenfalls zu einer technokratisch-bürokratischen Rolle im Schatten öffentlicher Aufmerksamkeit bringen. Die wenigen anderen aber werden die gläserne Wand durchbrechen, aus den Parteilokalen hinausgehen, Wahlschlachten schlagen, gegebenenfalls siegreich. Werner Faymann ist einer dieser potenziellen Sieger von morgen.“ Tja.

Letztlich waren alle von ihm enttäuscht. Wer ihm am Ende noch geblieben war, war der rechte Flügel der Partei in den Wiener Flächenbezirken, der sich in der täglichen Auseinandersetzung mit der FPÖ bewähren muss. Dieser dankte ihm den Schwenk in der Flüchtlingspolitik. Gegen massiven Widerstand in der eigenen Partei hatte er dem Flüchtlingsandrang gemeinsam mit dem Koalitionspartner ÖVP Grenzen gesetzt. Ganz Europa blickte auf jenen Mann, der Angela Merkel Paroli bot.

Einmal tat Werner Faymann das, was man von einem Kanzler erwartete: Er gestaltete Politik aktiv, tat das Notwendige, nicht das Opportune. War nicht nur einfach Verwalter wie all die Jahre davor, sondern auch Gestalter. Von der Realität dazu gezwungen freilich – aber immerhin. Das wurde ihm letztlich zum Verhängnis – im Verein mit dem Desaster bei der Bundespräsidentenwahl, einer Wahlniederlage von vielen.

Dabei hatte Werner Faymann den Sozialdemokraten zweimal den Kanzler gerettet. Mit Verlusten zwar, aber Platz eins wurde gehalten. Sowohl bei der Nationalratswahl 2008 als auch 2013. Die Partei nahm das mehr oder weniger als selbstverständlich hin. Dieser Tage erinnerte sich außer den letzten verbliebenen Faymann-Anhängern kaum einer mehr daran.

Kanzler wohl eine Nummer zu groß

Möglicherweise war Werner Faymann der Kanzler eine Nummer zu groß. Er ist immer irgendwie der Wiener Wohnbaustadtrat geblieben. Auch wenn er in Brüssel inmitten der europäischen Staatschefs saß. Auch seine engsten Vertrauten stammten aus jener, für ihn wohl glücklicheren Zeit in der Wiener Kommunalpolitik: Josef Ostermayer, sein langjähriger Büroleiter, oder Doris Bures aus seinem Heimatbezirk Wien Liesing.

Damals als Stadtrat war Werner Faymann ganz er selbst: machtbewusst, selbstsicher, entspannt, abgesichert durch sein polit-mediales Vater-Sohn-Verhältnis zu „Kronen Zeitung“-Herausgeber Hans Dichand. Der präsumtive „Kronprinz“ Michael Häupls.

Der Infrastrukturminister als (vorläufiger) Höhepunkt der Karriere war dann auch noch stimmig. Aber einen Bundeskanzler stellten sich viele Österreicher einfach anders vor. Werner Faymann an der Spitze der Regierung wurde akzeptiert, aber nicht respektiert. Nicht einmal von den eigenen Genossen. Mittels Learning by Doing hat er es immerhin acht Jahre dann doch recht passabel hinbekommen. Er wandelte sich vom EU-Skeptiker zum bedingungslosen EU-Befürworter, der sich letztlich in der Flüchtlingskrise sogar einen eigenen Standpunkt einzunehmen getraute. Lange hatte es geheißen, Faymann ginge mit keiner Meinung in eine EU-Sitzung hinein und käme mit jener von Angela Merkel wieder heraus.
Werner Faymann hatte keine große Erzählung zu bieten – weder als Regierungschef noch über sich selbst. Über den privaten Werner Faymann, wie er wurde, was er ist, weiß man bis heute recht wenig. Das Kind aus der Wiener Mittelschicht, das zum Vorsitzenden der ehemaligen Arbeiterpartei wurde, blieb ein Politiker ohne Ecken und Kanten. Verbindlich, aber doch unnahbar, die Schrammen, die man ihm über die Jahre zugefügt hatte, gut verborgen.

Was von Faymann bleiben wird

Was sonst von Werner Faymann bleiben wird? Eine größere Steuerreform. Kleinere Pensionsreformen. Die Lösung eines unlösbar scheinenden Dauerkonflikts, jenen um die zweisprachigen Kärntner Ortstafeln. Die Einführung der Mindestsicherung. Die Verwaltungsgerichtsreform. Die Konjunktur- und Bankenhilfspakete zur Überwindung der Wirtschaftskrise.

Die Bilanz von Alfred Gusenbauer fiel bescheidener aus. Er war allerdings auch nur zwei Jahre im Amt.

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