Neuwahlen? "Situation völlig offen“

Neuwahlen?
Neuwahlen? "Situation völlig offen“APA/BARBARA GINDL
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Interview. Salzburgs VP-Chef Wilfried Haslauer droht indirekt der SPÖ im Bund. Für eine Obmanndebatte in der ÖVP sieht er keinen Grund.

Die Presse: Werner Faymann ist Geschichte. Kommt nun die ÖVP-Obmanndebatte?

Haslauer: Nein. Das ist kein Thema bei uns. Bei uns gibt es keine Personaldebatte.

Schließen Sie das auch in den nächsten Wochen aus?

Eine Obmanndebatte ist bei uns kein Thema. Wir warten ab, welche Persönlichkeit von der SPÖ als Bundeskanzler nominiert wird. Dann wird es ein Vier-Augen-Gespräch zwischen dieser Person und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geben, um ein Gefühl zu bekommen, ob eine ausreichende Vertrauensbasis für konstruktive Regierungsarbeit vorhanden ist, und wie es inhaltlich in den letzten zwei Jahren der Legislaturperiode weitergehen kann. Ich sehe das auch als Chance für einen inhaltlichen Neubeginn. Voraussetzung ist allerdings, dass es ausreichendes Vertrauen gibt, dass sich in der Art der Zusammenarbeit etwas ändert. Von dem wird abhängen, ob es sinnvoll ist, die Koalition weiterzuführen.

Sind auch Neuwahlen eine Option?

Die Situation ist derzeit völlig offen. Ich bin kein großer Freund von Neuwahlen. Wenn einer der Partner sagt, so kann es nicht weitergehen, gibt es nur zwei Varianten: fliegender Wechsel oder Neuwahlen. Ich halte es in der derzeitigen Situation für falsch, sich festzulegen. Weder in der einen, noch der anderen Richtung. Man muss abwarten, wer die handelnden Personen sein werden.

Ist ein fliegender Wechsel denkbar?

Das ist angesichts der Stärkeverhältnisse nur ein theoretisches Spiel. Alle Parteien haben schon erklärt, mit wem sie nicht können. Das ist ein Selbstausschließungsspiel. Aber derzeit ist einiges in Veränderung. Jetzt macht die SPÖ zur FPÖ auf. Wer weiß, vielleicht machen auch die Grünen noch zur FPÖ auf. Es ist vieles in Fluss geraten. Jetzt gilt es, kühlen Kopf zu bewahren. Wir werden die veritable Krise der SPÖ nicht nützen, um daraus eine Krise der ÖVP zu machen.

Jetzt hat man aber den Eindruck, die ÖVP schaut sich die Selbstzerfleischung der SPÖ erste Reihe fußfrei an und denkt selbst nicht über Konsequenzen nach der Wahlniederlage nach?

Wenn wir den Parteiobmann wechseln, dann heißt es wieder, bei uns überlebt keiner mehr als zwei Jahre. Wenn wir hinter unserem Parteiobmann stehen, dann heißt es, wir haben nicht einmal mehr die Kraft für eine Obmanndiskussion. Was zählt, sind die Fakten: Reinhold Mitterlehner ist der gewählte Parteiobmann, er hat die Verantwortung. Unsere Aufgabe ist es, alles zu unterlassen, was Unruhe in die Partei bringt.

Sind denn nach der Wahlniederlage keine Konsequenzen nötig?

Wir befassen uns sehr wohl inhaltlich mit den Konsequenzen. Was Österreich jetzt braucht, ist nicht Aufregung, sondern Ruhe. Der Bundeskanzler und SPÖ-Chef ist zurückgetreten. Das ist eine Situation, die kommt vor. Das gehört rasch wieder in geordnete Bahnen gebracht. In der Koalition ist festzulegen, wie man künftig miteinander umgeht. Das ist ja keine Spielwiese oder Sandkiste, sondern es geht um die Verantwortung für das Land.

Gerhard Zeiler oder Christian Kern – wer wäre für Sie als künftiger Bundeskanzler Favorit?

Ich kenne beide. Christian Kern habe ich in meiner Tätigkeit als Verkehrsreferent als paktfähig und präzise in der Abarbeitung erlebt. Man weiß bei ihm, woran man ist. Ich würde ihm zutrauen, das gut zu machen. Gerhard Zeiler kenne ich durch Gespräche, ich habe einen guten Eindruck von ihm.

Abgesehen von Personen, was sind für die ÖVP die inhaltlichen Voraussetzungen für eine weitere Zusammenarbeit in der Regierung mit der SPÖ?

Für mich persönlich wäre ein Aufweichen oder eine Rückkehr zur alten Linie der Flüchtlingspolitik der SPÖ mit offenen Grenzen sehr problematisch. Das würde der ÖVP einen Verbleib in der Koalition sehr schwer machen.

Muss der Koalitionspakt neu verhandelt werden?

Es muss evaluiert werden, wo man bei der Umsetzung steht und welche neuen Herausforderungen es gibt. Beim Abschluss des Paktes war nicht vorhersehbar, dass Flüchtlinge oder Sicherheit Themen solcher Dimension sein werden. Mir wäre wichtig, dass der Neustart der Koalition von konkreten Vorhaben begleitet wird, die zügiger und griffiger als bisher abgearbeitet werden. Wenn die Koalition einige große Reformvorhaben mit Kraft durchzieht, wird sie auch wieder bei den Wählern attraktiv. Davon können beide Parteien profitieren.

Die ÖVP ist als Juniorpartner in einer schlechteren Position. Normalerweise kann der kleinere Partner von Erfolgen einer Regierung weniger profitieren, bei Misserfolgen wird er aber auch abgestraft.

Ich glaube, dass wir einen etwas altruistischeren Zugang zu Politik brauchen. Nicht die Parteitaktik, sondern das Erreichen inhaltlicher Ziele muss im Vordergrund stehen. Da kann man auch als Juniorpartner viel tun.

(Print-Ausgabe, 11.05.2016)

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