ÖBB bereiten schon die Chefsuche vor

Christian Kern
Christian KernAPA/HANS KLAUS TECHT
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Unverkennbare Parallelen zwischen SPÖ und ÖBB: Folgt Christian Kern Werner Faymann nach, muss dringend ein neuer ÖBB-Chef her – interimistisch wird's ein Schwarzer.

Wien. Brigitte Ederer ist kurz angebunden: Sie könne nichts sagen, sagt sie am Telefon, weil ja auch gar nichts fix sei. Stimmt. Werner Faymanns Nachfolger steht offiziell nicht fest. Aber alles deutet auf Christian Kern hin. Was Ederer wiederum vor ein veritables Problem stellt: Christian Kern ist nämlich bekanntlich ÖBB-Chef. Und Ederer ist Aufsichtsratspräsidentin der ÖBB. Ihr wird es also obliegen, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Kern zu finden. Möglichst rasch, versteht sich.

Schon lustig: Die ÖBB dürften also bald vor dem gleichen Problem wie die SPÖ stehen. Die Partei sucht hektisch nach einem neuen Chef. Ist der gefunden und wird es Kern, dann fällt der nächste Dominostein in den Bundesbahnen um. Dann geht bei den ÖBB die eilige Chefsuche los. Und, weitere Parallele: Interimistisch wird ÖBB-Vorstand Josef Halbmayr die Geschäfte Kerns übernehmen. Ein Schwarzer – wie der interimistische Bundeskanzler Reinhold Mitterlehner.

Das sind für Brigitte Ederer freilich bloß hypothetische Spielereien – und deshalb will sie darüber, wie es weiter gehen könnte, kein Wort verlieren. Manchmal muss man aber auch hinhören, wenn jemand etwas nicht sagt. Als „Die Presse“ Ende 2014 Ederer anrief, war sie jedenfalls recht eindeutig. Damals ging es um das Gerücht, dass Christian Kern OMV-Chef werden könnte. Und Ederer sagte, sie werde Kern keinesfalls aus seinem bis 2019 laufenden Vertrag bei den ÖBB entlassen. „Jedenfalls nicht für den OMV-Job“, wie sie hinzu fügte. Jetzt, wo es darum geht, dass Kern Faymann nachfolgen könnte, sind Wortspenden dieser Art von der ÖBB-Aufsichtsratspräsidentin nicht überliefert.

Die Sache scheint also gelaufen zu sein. Aus dem ÖBB-Aufsichtsrat wird jedenfalls folgendes Prozedere skizziert: Wenn Kern die ÖBB verlässt, dann wird zunächst einmal sein Kollege Halbmayr interimistischer ÖBB-Chef. Für den 24. Mai ist eine Aufsichtsratssitzung turnusmäßig eingeplant – bei diesem Termin soll möglicherweise ein neuer Interims-Chef bestellt werden. Fix vorgesehen ist jedenfalls, dass an diesem Tag eine offizielle Ausschreibung für den Posten des ÖBB-Chefs beschlossen wird.

Die Frist für so eine Ausschreibung dauert gewöhnlich einen Monat, da passt es wunderbar, dass die nächste ÖBB-Aufsichtsratssitzung mit 4. Juli terminiert ist. Wenn es ausreichend Kandidaten gibt, so wird erzählt, könne an dem Tag der oder die Nachfolgerin für Christian Kern bestellt werden.

Wer das sein könnte, steht noch in den Sternen – die Angelegenheit kommt ja auch reichlich überraschend. Trotzdem werden in den Bundesbahnen schon zwei Namen genannt. Zum Beispiel jener von Andreas Matthä. Der 53-Jährige war schon Ende 2009 als ÖBB-Chef gehandelt worden, damals machte allerdings Christian Kern das Rennen. Mättha ist so etwas wie ein ÖBB-Urgestein, er hat seine gesamte berufliche Laufbahn bei den ÖBB gearbeitet. Seit Anfang 2014 ist er dort Vorstand der Infrastruktur-Tochter. Und: Er wird von der Eisenbahnergewerkschaft massiv unterstützt.

Gute Karten für den Job hat aber auch Valerie Höllinger. Die 44-Jährige führt seit 2011 das Berufsförderungsinstitut Bfi. Sie wurde seinerzeit geholt, um frischen Wind in das Gewerkschaftsunternehmen zu bringen. Dafür konnte sie jedenfalls reichlich Expertise mitbringen: Die Juristin hatte zuvor Erfahrungen in den Bereichen IT, Telekom, der Getränkeindustrie und bei der Erwachsenenausbildung gesammelt.

Rechtlich ist vieles ungeklärt

Politisch scheint der Fahrplan also schon ausgeheckt. Doch ob Kerns Abgang aus den ÖBB so mir nichts, dir nichts über die Bühne gehen kann, scheint jedenfalls aus rechtlicher Sicht fraglich. Denn immerhin ist die ÖBB ist eine Aktiengesellschaft, die zu 100 Prozent der Republik gehört. Für den Gesetzgeber macht es aber keinen Unterschied, wer die Eigentümer eine AG sind. Für alle gilt eines: das Aktienrecht.

Und Kern sollte – so sieht es sein Vertrag vor – noch die nächsten drei Jahre Vorstand der ÖBB sein. Er kann seinen Job nicht einfach so, weil etwas beruflich Interessanteres daher kommt, an den Nagel hängen. Sondern laut Aktienrecht nur „aus wichtigem Grund“. Doch ist der Ruf der Partei ein „wichtiger Grund“ im Sinne des Gesetzes? „Sicher nicht“, sagt der renommierte Gesellschaftsrechtler Stephan Frotz. „Hätte er ein gesundheitliches Problem, dann könnte man davon sprechen.“

Was also tun? „Der Aufsichtsrat müsste der Auflösung von Kerns Vertrag zustimmen. Dabei muss das Kontrollgremium ausschließlich das Wohl der Gesellschaft im Auge haben. Politische Erwägungen dürfen keine Rolle spielen. Nun liegen die wesentlichen Kompetenzen wie Führung und Strategie in Kerns Händen. Ob auf ihn in der heiklen Phase der Restrukturierung ohne Schaden für die ÖBB verzichtet werden kann, hat der Aufsichtsrat zu prüfen“, so Frotz. Aber kann es zum Wohle der ÖBB sein, wenn ihr hochgepriesener Manager, dessen Vertrag 2014 Dank allseitiger Zufriedenheit sogar vorzeitig verlängert wurde,so plötzlich von dannen zieht?

Sagen wir es so: Finanziell wird den ÖBB von Kerns Abgang wohl kein Nachteil erwachsen – Stichwort Abfindung. Und die Aussicht, dass ein ehemaliger ÖBBler an die Spitze der Sozialdemokraten wechselt, ist jedenfalls alles andere als ein Schaden. Ein Gutteil des Geldes für die Bundesbahnen kommt immer noch vom Staat.

(Print-Ausgabe, 12.05.2016)

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