Kanzler Kern wird nicht das einzige neue Gesicht sein

INTERVIEW: CHRISTIAN KERN
INTERVIEW: CHRISTIAN KERNAPA/HANS KLAUS TECHT
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In der SPÖ läuft nach Werner Faymanns Rücktritt alles auf ÖBB-Chef Christian Kern hinaus. Sieben Landesparteien haben sich bereits für ihn ausgesprochen. Die Entscheidung fällt am Donnerstag – in Wien.

Wien. In der Wiener Rathausgarage soll es dieser Tage einen ziemlich regen Limousinenverkehr geben. Offenbar empfängt Bürgermeister Michael Häupl, der seit Montag die SPÖ interimistisch führt, laufend politischen Besuch. Es gilt, die Nachfolge Werner Faymanns zu regeln. Und das geht, aus Häupls Sicht, vielleicht schneller als erwartet. Wenn auch nicht ganz nach seinem Wunsch.

Denn mittlerweile läuft in der SPÖ alles auf Christian Kern hinaus – und nicht auf Häupls Favoriten, den Medienmanager Gerhard Zeiler. Die Landesparteien in der Steiermark, in Kärnten, Vorarlberg und Niederösterreich haben sich bereits auf den Generaldirektor der ÖBB festgelegt. Dem folgte am Mittwochabend auch Salzburg: Wie der Landesparteivorsitzende Walter Steidl nach der Sitzung des Parteivorstandes mitteilte, legte sich der Vorstand einstimmig auf Kern fest. Beim Landesparteivorstand der SPÖ Oberösterreich zeichnete sich zur selben Zeit eine "deutliche Präferenz für Kern ab", wie Übergangsparteichef Johann Kalliauer erklärte. Ein formaler Beschluss wurde hier allerdings nicht gefasst.

Auch aus Tirol gibt es entsprechende Sympathiebekundungen – und im Gewerkschaftsbund immerhin einen Präsidenten, der für Kern als nächsten Kanzler und SPÖ-Chef eintritt: Er bringe Eigenschaften mit, „die gut sind für das Amt“, sagte Erich Foglar am Mittwoch.

Die endgültige Entscheidung wird aber erst heute, Donnerstag, fallen, wenn in Wien und in Eisenstadt die SPÖ-Gremien zusammentreten. Auch im Burgenland tendiert man zu Kern, will vorher aber die inhaltlichen Streitfragen – Flüchtlingspolitik, FPÖ – geklärt wissen. Und dann bleibt abzuwarten, ob Häupl weiter an Zeiler festhält. In der Partei geht man davon aus, dass sich der Wiener Bürgermeister am Ende der absoluten Kern-Mehrheit beugen wird (müssen).

Künstler-Initiative für Ostermayer

Mit dem neuen Kanzler sind wohl weitere personelle Änderungen in der Bundesregierung verbunden. Als unwahrscheinlich gilt, dass Josef Ostermayer, Faymanns engster Vertrauter, bleibt. Oder bleiben will. Denn der Kanzleramts- und Kulturminister hat seine Zukunft immer an den Kanzler geknüpft.

Eine Künstler-Initiative, die vom Autor Gerhard Ruiss ausgeht und unter anderem von Michael Köhlmeier, Peter Simonischek, Robert Dornhelm und Dominique Meyer unterschrieben wurde, würde das gern verhindern. Für den Kunst- und Kulturbetrieb wäre Ostermayers Ablöse „ein schwerer Schlag und ein für den Rest der Legislaturperiode unersetzlicher Verlust“, heißt es in einem Schreiben, das am Mittwoch veröffentlicht wurde. Zumal es dem Minister gelungen sei, „trotz der immer knapper werdenden öffentlichen Mittel“ für „stabile Verhältnisse im Kulturbereich“ zu sorgen.

Andere Minister fürchten offenbar um ihren Job. So gab sich gestern auch Infrastrukturminister Gerald Klug als Kern-Fan zu erkennen und hob bei einer Pressekonferenz in Wien dessen „sehr professionelle Managementtätigkeit“ bei den ÖBB hervor. „Heute kann man stolz auf die Staatsbahn sein“, sagte Klug, der unter dem Kanzler Kern gern Minister bleiben würde: „Wenn er mich braucht, dann stehe ich zur Verfügung.“ Das Problem dabei ist, dass sich Klugs Landespartei, die steirische SPÖ, auch ihren Landesrat Jörg Leichtfried ganz gut als nächsten Verkehrsminister vorstellen kann, wie sie nach der Sitzung des Landesparteivorstands am Dienstag bekannt gegeben hat.

Bis auf Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil stehen dem Vernehmen nach alle SPÖ-Minister zur Debatte. Eine Menge Gerüchte kursieren. So wurde zum Beispiel Rudolf Kaske als nächster Sozialminister gehandelt. Aber der Arbeiterkammerpräsident ist definitiv keine Option. Was nicht heißt, dass Alois Stöger im Amt bleibt. Tatsächlich wird sich der neue SPÖ-Vorsitzende, also vermutlich Kern, Entscheidungsfreiheit in allen Personalfragen ausbedingen. Und angesichts der Situation, in der sich die SPÖ befindet, wird man ihm diese auch weitgehend geben.

Baut auch die ÖVP ihr Team um?

Die ÖVP könnte ebenso die Gunst der Stunde für Veränderungen nutzen. Zumindest denkt sie darüber nach. Die Tiroler Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf wurde als Kandidatin für das – von Sophie Karmasin geführte – Familienministerium ins Spiel gebracht. In der ÖVP-Logik gäbe das Parteiobmann Reinhold Mitterlehner die Möglichkeit, einen anderen Tiroler, nämlich Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, abzulösen. Allerdings ist das unwahrscheinlich.

Und dann behaupteten einige Kreise in der ÖVP, Justizminister Wolfgang Brandstetter könnte durch Irmgard Griss ersetzt werden. Doch die knapp gescheiterte Präsidentschaftskandidatin dementiert: Sie sei nicht gefragt worden. Ob sie ein solches Angebot annehmen würde? Es gebe im Moment keinen Anlass, darüber nachzudenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2016)

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