Kern soll nun Häupls Problem lösen

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ARCHIVBILD: PK OeBB: CHRISTIAN KERNAPA/HANS KLAUS TECHT
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Steigt Sonja Wehsely zur Ministerin auf, kann Neo-Kanzler Christian Kern den linken Flügel ins Boot holen. Und den Wiener Konflikt direkt in die Regierung.

Wien. Michael Häupl war nicht gut gelaunt – war doch von Anfang an klar, dass einige unangenehme Fragen auf ihn zukommen. Einige beantwortete der geschäftsführende SPÖ-Chef nach der Sitzung der roten Landesparteichefs am Freitag, bei der Christian Kern offiziell als SPÖ-Vorsitzenden und Kanzler nominiert wurde, bevor diese Fragen überhaupt gestellt wurden: „Jeder Versuch, einen Widerspruch zwischen uns zu konstruieren, ist sinnlos“, so Häupl über medial kolportierte Missstimmungen zwischen ihm und dem designierten Parteichef. Die Partei stehe geschlossen hinter Kern.

Suche nach neuer Stadträtin

Dass die Wiener Landespartei als einzige lang nicht für Kern Stellung bezogen hat (Häupl soll Medienmanager Gerhard Zeiler favorisiert haben), erklärt der Wiener Bürgermeister so: Seine Rolle als Vorsitzender bei der Kandidatensuche sei gewesen, einen tragfähigen Vorschlag für den Bundesparteivorstand zu erarbeiten. Und das habe er gemacht. Wurde der mächtigste Politiker der österreichischen Sozialdemokratie von den anderen Landesorganisationen, die Kern wollten, einfach überstimmt? Das sei Unsinn, erklärte Häupl.

Die personelle Neuaufstellung des roten Regierungsteams wird sich jedenfalls auf die mächtigste SPÖ-Landespartei auswirken. Dafür ist offen, wer Sonja Wehsely, die als Ministerin gehandelt wird, als Gesundheits- und Sozialstadträtin nachfolgen könnte. Der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker würde fachlich passen, hat aber schon vor Jahren abgewinkt, als er diese Chance hatte. Dazu gibt es in der Wiener SPÖ das ungeschriebene Gesetz, dass einer Frau eine Frau nachfolgt. Zumindest in der Stadtregierung. Einige im Rathaus nennen deshalb den Namen Susanne Herbek. Die Managerin hatte 2009 den Wiener Spitalskonzern verlassen und wurde Elga-Geschäftsführerin und setzte das Großprojekt der elektronischen Gesundheitsakte um. Auch der Name Tanja Wehsely, Schwester der Gesundheitsstadträtin, fällt. Sie ist stark im Sozialbereich engagiert, eine Vertreterin des linken Parteiflügels und hätte schon vor langen Jahren einen Karrieresprung als SPÖ-Klubchefin gemacht – hätte dies der rechte Flügel damals nicht in letzter Sekunde verhindert.

Nebenbei wird kolportiert, dass Andreas Schieder doch SPÖ-Klubobmann im Nationalrat bleibt und nicht als Finanzstadtrat nach Wien wechselt. Bei all den Änderungen in der Regierungsmannschaft brauche man zumindest im Parlamentsklub Stabilität, ist zu hören.
Unabhängig davon: Wird Sonja Wehsely Ministerin, hat Kern zwar den linken Parteiflügel besänftigt, gleichzeitig auch einen Konflikt in die Regierung geholt, der in Wien tobt. Und an dessen Lösung auch Michael Häupl bisher scheiterte: nämlich den Streit um die Linie im Asylbereich. Im Bund könnte das rot-rote Match dann Sonja Wehsely gegen Hans Peter Doskozil lauten.

Konflikt flammt wieder auf

Was auf Kern zukommt, falls er diesen Konflikt im Bund nicht entschärfen kann, zeigt die gespaltene Wiener Landespartei. Hier richtet man sich derzeit „Nettigkeiten“, etwa „Handlanger der FPÖ“ und „rattige Intriganten“, über die Medien aus. Wieder einmal.
Was den Konflikt deutlich anheizt: Häupls Parteizentrale stellt sich offen auf die Seite der „Refugees welcome“-Fraktion. Und frontal gegen die bevölkerungsreichen Arbeiterbezirke, die gegen eine weichere Asyllinie kämpfen – um nicht völlig unter die Räder der FPÖ zu kommen. Dass sich die Führung des gespaltenen Wiener SPÖ-Klubs ebenfalls auf die Seite des linken Flügels, gegen die bevölkerungsreichen Wiener Bezirke gestellt hat, sorgt endgültig für eine rote Eskalation. Mit der Verbindung von Doskozil und Wehsely im roten Regierungsteam soll Kern nun ein Problem lösen, das eigentlich nicht seines ist. Sondern das Problem von Michael Häupl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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