Kern will "Schauspiel der Machtversessenheit" beenden

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Kern will "Schauspiel der Machtversessenheit" beenden(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der bisherige ÖBB-Chef Kern wurde zum SPÖ-Chef designiert und als Kanzler angelobt. Er will die Partei "öffnen" und der ÖVP einen "New Deal" vorschlagen.

Der designierte SPÖ-Chef Christian Kern hat am Dienstag seine erste Pressekonferenz abgehalten. "Die letzten 72 Stunden waren eine besonders intensive Zeit", sagte er nach dem Parteivorstand. Er habe einen "Schnellkurs über politische Rituale" gemacht. Die "Inhaltslosigkeit" der Politik, die man in den letzten Monaten erlebt habe, sei der Antrieb gewesen, sich als SPÖ-Chef zu bewerben. Kern kritisierte das "Schauspiel der Machtversessenheit", das, wenn es weitergeführt worden wäre, in wenigen Monaten "zum endgültigen Aufprall" geführt hätte.

„Ich bin davon überzeugt, dass wir als SPÖ die Notwendigkeit haben, uns wieder auf die Höhe der Zeit zu bringen", sagte der neue Kanzler. "Wir müssen uns öffnen, die Fenster aufmachen und wieder frische Luft reinlassen.“

"Hoffnung nähren, nicht Sorgen und Ängste"

„Es geht darum, Österreich wieder stark zu machen“, betonte Kern. Die Herausforderung könne nicht größer sein: "Wir sind mit Arbeitslosenraten konfrontiert, die für uns nicht akzeptabel sind." Außerdem könnten immer mehr Abgänger der Schulen nicht sinnerfassend lesen. Er wolle aber "die Hoffnung nähren, und nicht die Sorgen und die Ängste." Ziel sei es, "dass die Menschen in diesem Land überzeugt davon sind, dass es ihren Kindern in diesem Land einmal besser gehen wird, als ihnen.“ Bis 2025 soll Österreich wieder auf der Überholspur sein.

Um das zu erreichen, will Kern der ÖVP, aber auch den Oppositionsparteien, "die Hand entgegenstrecken". Er werde sich für eine Politik einsetzen, in der nicht jeder sofort eine Abwehrhaltung einnimmt, wenn ein anderer etwas vorschlägt. Er selbst will dem Koalitionspartner jedenfalls einen "New Deal" für Österreichs Wirtschaft vorschlagen. „Das ist unsere letzte Chance, sonst werden die beiden Großparteien von der Bildfläche verschwinden - und wahrscheinlich zu recht“, warnte der designierte Parteichef.

Kern; Häupl
Kern; Häupl(c) APA/ROBERT J€GER (ROBERT J€GER)

Zur Frage der Zusammenarbeit mit der FPÖ will Kern den Vorschlag von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser aufgreifen, einen Kriterienkatalog zu erarbeiten. Klar sei aber: „Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Minderheiten hetzen.“

Seinem neuen Team streute Kern Rosen. Er habe mit der Auswahl "die gesamte Breite der SPÖ und der Bevölkerung" abdecken wollen. Mit Muna Duzdar komme erstmals eine junge Frau mit Migrationshintergrund in der Regierung: „Ich halte das für ein ganz wichtiges Zeichen.“  Der neue Infrastrukturminister Jörg Leichtfried sei ein "ausgezeichneter Infrastrukturexperte.“ Sonja Hammerschmid sieht er als Vorschlag für die Bildung, der zeige, „dass wir neue kreative Methoden brauchen“. Und der künftige Kanzleramtsminister Thomas Drozda sei "einer der renommiertesten Kulturmanager". Aber auch die verbleibenden roten Regierungsmitglieder lobte Kern.

Bei der Hofburg-Stichwahl am Sonntag wird er Alexander Van der Bellen wählen, die SPÖ wird aber keine Wahlempfehlung abgeben.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der die Partei nach Werner Faymanns Rücktritt vorübergehend geführt hatte, gratulierte Kern. Er werde ihn "bis zum 25. Juni in großer Loyalität begleiten". Zu den neuen Regierungsmitgliedern meinte er, Kern habe "ein großartiges Team ausgesucht".

SPÖ-Vorstand: Nur eine Stimme gegen Kern

Der bisherige ÖBB-Chef war Dienstagmittag vom Parteivorstand zum einzigen Kandidaten für den Bundesparteitag am 25. Juni designiert worden. Im rund 70-köpfigen Parteivorstand gab es nur eine Gegenstimme. Diese kam von der Vorsitzenden der oberösterreichischen Sozialistischen Jugend, Fiona Kaiser. Sie hatte sich schon im Vorfeld dagegen ausgesprochen, einen Manager zum Nachfolger des zurückgetretenen Parteivorsitzenden Werner Faymann zu machen.

Kern als Kanzler angelobt

Um 17 Uhr wurde Kern von Bundespräsident Heinz Fischer als neuer Bundeskanzler angelobt. "Sie übernehmen eine große und schöne, aber auch schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe", sagte Fischer. Er wünsche ihm den "besten Erfolg". Das scheidende Staatsoberhaupt verwies (wohl auch mit Blick auf seine Nachfolge-Kandidaten) auch darauf, dass die Verfassung eine "gewollte Ausgewogenheit" zwischen dem Staatsoberhaupt und dem Regierungschef vorsehe. Der Bundespräsident sei nicht der Vorgesetzte der Bundeskanzlers und umgekehrt.

Am Abend sind noch die designierten neuen Regierungsmitglieder zu einem Vorstellungsgespräch beim Bundespräsidenten geladen. Angelobt werden sie allerdings erst am Mittwoch.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner betonte am Dienstag kurz vor einem persönlichen Treffen mit Kern, er wolle auf "gute Zusammenarbeit" mit dem umgebildeten SPÖ-Regierungsteam setzen. Die Koalition müsse "neue Akzente setzen und für das Land gemeinsam etwas weiterbringen."

Das rote Regierungsteam

Bundeskanzler: Christian Kern (neu)

Bildungsministerin: Sonja Hammerschmid (neu)

Infrastrukturminister: Jörg Leichtfried (neu)

Kanzleramtsminister: Thomas Drozda (neu)

Staatssekretärin: Muna Duzdar (neu)

Verteidigungsminister: Hans Peter Doskozil (bleibt)

Gesundheitsministerin: Sabine Oberhauser (bleibt)

Sozialminister: Alois Stöger (bleibt)

(Red./APA)

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