Industrie-Chef: Spielen mit der Europa-Idee ist „extrem gefährlich“

Georg Kapsch
Georg Kapsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Präsident Georg Kapsch warnt rund um die Präsidentschaftswahl vor einem Imageverlust Österreichs.

Die Presse: Wir stehen kurz vor der Wahl. Von der Industrie hat man bisher dazu wenig gehört. Weshalb waren Sie so ruhig?

Georg Kapsch: Weil wir uns grundsätzlich parteipolitisch äquidistant halten. Nur, wenn Dinge zu weit gehen, dann melden wir uns sehr wohl zu Wort.

Und geht derzeit etwas zu weit?

Wenn mit der Europa-Idee gespielt wird, dann erachten wir das als extrem gefährlich. Wenn wir Gefahr laufen, einen Imageschaden nach außen als Land zu erleiden, dann hat das Auswirkungen auf die Investitionen in Österreich und damit auch auf die Arbeitsplätze. Mit dem Europa-Gedanken spielt man einfach nicht. Die österreichische Wirtschaft hängt sehr stark von ihrer internationalen und europäischen Integration ab.

Frei übersetzt heißt das, dass ein Bundespräsident Norbert Hofer Ihrer Meinung nach für Österreich extrem gefährlich wäre.

Ich gebe grundsätzlich keine Wahlempfehlung ab. Ich sage nur eines: Jeder Wähler und jede Wählerin möge zur Wahl gehen und überlegen, ob es gut ist, Arbeitsplätze damit zu riskieren, dass wir eine Politik fahren, die in Wahrheit gegen den europäischen Gedanken und gegen die weitere Integration Europas geht. Das schadet Österreich, und zwar zuerst wirtschaftspolitisch und dann natürlich auch gesellschaftspolitisch. Die Gefahr ist, dass die Bevölkerung weiter und weiter kippt.

Für Sie ist also klar, dass Alexander Van der Bellen der bessere Bundespräsident wäre.

Da geht es nicht um besser oder nicht besser. Als Industrie hat natürlich auch Alexander Van der Bellen nicht unbedingt das, was wir uns vorstellen. Ich sage nur eines: Die Gefahr ist, dass wir international schlecht dastehen, wir eine Lagerbildung haben werden und wir uns europapolitisch in die völlig falsche Richtung bewegen.

Verstehen Sie den Wähler nicht, für den angesichts der Zuwanderung die Angst um den eigenen Job realer scheint als das Gedankenexperiment eines möglichen EU-Austritts und dessen Folgen?

Das verstehe ich sogar sehr gut. Es ist klar, dass Menschen Angst bekommen, wenn sie sehen, dass sich politisch, inhaltlich und reformmäßig über viele, viele Jahre nichts tut. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir den Menschen zeigen müssen, dass wir nur in einem stark integrierten Europa erfolgreich sein werden. Denn es hat keinen Sinn, die Menschen noch weiter zu verängstigen, indem man sagt, die Migranten sind schlecht, die EU ist schlecht, und das EU/USA-Freihandelsabkommen TTIP ist schlecht.

Gegen das Freihandelsabkommen sprechen sich beide Kandidaten aus.

Das machen beide basierend auf rudimentärem Wissen darüber.

Sie werfen den Kandidaten vor, dass sie sich nicht auskennen?

Sie sprechen über ein Thema, das niemand von uns im Detail kennt. Das Abkommen ist alles andere als ausverhandelt. Ich werfe den Kandidaten vor, dass sie einfach populistisch damit umgehen. Wir unterhalten uns etwa über Chlorhühner und Hormonfleisch. Dabei ist jedem klar, dass Hormonfleisch auch in Zukunft nicht nach Europa geliefert werden darf.

Sehen Sie den Populismus nur in diesem Punkt?

Das letzte ATV-Duell hat für sich gesprochen. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.

Stört es Sie, dass es von der ÖVP keine Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen gibt?

Was die Parteien tun, ist ihre Sache. Da mische ich mich nicht ein.

Aber ist es nicht auffallend, dass sich nur ehemalige ÖVP-Chefs klar deklariert haben?

Sagen wir einmal so: Ich habe meine Interpretationen und Gedanken dazu. Ich teile sie mit Ihnen jetzt aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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