Blaue Hochburg der Hofburgwahl

Von der Stammtischrunde aus Wiesfleck im Burgenland kennt keiner Norbert Hofer persönlich.
Von der Stammtischrunde aus Wiesfleck im Burgenland kennt keiner Norbert Hofer persönlich.Die Presse/Clemens Fabry
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Zwei Drittel der Wähler im burgenländischen Wiesfleck haben im ersten Wahlgang für Norbert Hofer gestimmt. Ein Grund dafür: ein leerstehendes Erholungsheim.

Seit ein paar Wochen steht jetzt also doch ein Plakat für Norbert Hofer an einem Ahorn im burgenländischen Wiesfleck. Vor dem ersten Durchgang der Hofburgwahl gab es in der ganzen Gemeinde kein einziges Wahlplakat. Dennoch hat Hofer nirgendwo mehr Stimmen geholt als hier. Während österreichweit 35,1 Prozent den blauen Hofburgkandidaten wählten, waren es in Wiesfleck 64,1 Prozent, rund dreieinhalb Prozentpunkte mehr als in Hofers Heimatort Pinkafeld, zwei Kilometer entfernt.
An der Kreuzung mit dem Hofer-Plakat („Stimme der Vernunft“) biegt ein Traktor an der Raiffeisenbank vorbei Richtung Lagerhaus ab, ein zweiter fährt an dem Lebensmittelgeschäft mit den zutapezierten Auslagen vorbei den Hügel hinauf. Wiesfleck ist eine typische burgenländische Streusiedlung, bäuerlich geprägt. Und auf Gemeindeebene eigentlich überhaupt nicht blau. Mehr noch: Der 1100-Einwohner-Ort hat nicht einmal eine eigene FPÖ.
Wiesfleck ist fest in rot-schwarzer Hand. Die SPÖ hat die knappe Mehrheit im Gemeinderat, die ÖVP stellt den Bürgermeister. Die Jugend Hofers sei wohl ausschlaggebend gewesen für das Ergebnis, sagt Hans Brenner (58), der seit 15 Jahren die Gemeinde führt. Die Nähe zu Hofers Heimatort, dass manche Wiesflecker ihn wohl kennen würden. Und nicht zuletzt das Flüchtlingsthema. Auch der ÖVP-Mann hält jetzt, im zweiten Wahlgang, „den Kandidaten aus Pinkafeld“ für den besseren. Und so sähen das auch die meisten, die er kenne, sagt Brenner im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Angst vor Flüchtlingsheim. Wenn man mit den Wiesfleckern spricht, fällt immer wieder ein Begriff: das Erholungsheim. Der „Sonnengarten“ des Wiener Hilfswerks, ein Zentrum für Senioren und Menschen mit Behinderung, ist umgeben von Wald und Vogelgezwitscher und steht seit Oktober leer. Vor dem Eingang liegt ausrangiertes Spielzeug, hinter den Fenstern vertrocknen die Zimmerpflanzen. Und in der Gemeinde kursiert die Angst, dass hier ein großes Flüchtlingsquartier eingerichtet werden könnte.
Da ist die Rede davon, dass man die Kinder dort dann nicht mehr mit dem Fahrrad zum Wirt auf ein Eis schicken könne. Manch einer weiß sich nicht anders zu helfen als mit einer unverhohlenen Drohung. „Aft miassmas holt vorher sprenga“, sagt ein Arbeiter, der an einem Anhänger schraubt. Also: Wenn Flüchtlinge kommen, müssen wir das Heim vorher in die Luft jagen. „Oder willst, dass noch mehr Ausländer kommen und uns den Job wegnehmen?“
Derzeit gibt es in der Gemeinde keinen einzigen Flüchtling. Die FPÖ habe mit Postwurfsendungen unbegründete Ängste geschürt, sagt Markus Brenner (35), seit sechs Jahren Vizebürgermeister der Gemeinde und übrigens nicht mit Bürgermeister Brenner verwandt. Da habe auch eine Veranstaltung nichts gebracht, bei der erklärt wurde, dass es keine derartigen Pläne gebe. Die FPÖ-Funktionäre aus dem benachbarten Pinkafeld hätten versprochen, dass es kein Flüchtlingsheim gebe, wenn Hofer in die Hofburg komme, erzählt der Wirt am Rande einer Stammtischrunde.

Regionaler Stolz auf Hofer. Die Zustimmung für Hofer ist groß bei den Herren, die ein, zwei Achterl trinken, bevor es um zwölf Uhr zum Essen nach Hause geht. Die Gründe reichen von Ressentiments bis Regionalstolz. Der FPÖ-Kandidat werde das Kopftuch verbieten. Er sei jung („Willst einen Pensionisten als Präsident?“). Und er sei aus der Gegend („Der ist halt unser Kandidat“) – auch wenn ihn keiner persönlich kennt. Woraufhin spekuliert wird, ob Hofer denn als Präsident einmal in Wiesfleck auftauchen werde. Rudolf Kirchschläger sei im Jahr 1978 hier gewesen. Ausgerechnet, um die Parkanlage des Erholungsheims zu eröffnen, das vielen Bürgern heute Angst macht.
Die Wiesflecker seien auch unzufrieden mit der Bundespolitik, schildert die nächste Wirtin. „Es reicht den Leuten einfach.“ So ähnlich sieht das auch der Vizebürgermeister. Ein Grund sei sicher die Politikverdrossenheit gewesen. Aus der Gemeindepolitik könne er sich das fulminante Ergebnis für Hofer jedenfalls nicht erklären.
Auf die Gemeindepolitik könnte es sich aber auswirken. Die Präsidentenwahl, die auf ein starkes FPÖ-Ergebnis bei der Landtagswahl folgte (20,4 Prozent), will die Bezirkspartei nutzen, um wieder Strukturen aufzubauen. Nachdem zuletzt 2002 ein FPÖ-Mann im Gemeinderat saß, gab es vor zwei Wochen ein Treffen zur Gründung einer neuen FPÖ-Ortsgruppe. Das Interesse dürfte aber vorerst enden wollend sein, wie der Wirt erzählt. Nur zwei Wiesflecker seien bei dem Treffen gewesen.

Wiesfleck

1100 Einwohner hat die Gemeinde.


64,1 Prozent stimmten für Norbert Hofer.

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