Wahlaffäre: Innenressort greift durch

Bei der Hofburg-Wahl 2010 waren erstmals OSZE-Beobachter Gäste. Wahlsektionschef Robert Stein erstattete heuer Anzeige.
Bei der Hofburg-Wahl 2010 waren erstmals OSZE-Beobachter Gäste. Wahlsektionschef Robert Stein erstattete heuer Anzeige.Clemens Fabry
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Unregelmäßigkeiten bei Briefwahlauszählung in Kärnten und auch in der Steiermark. Das Ministerium wird „nichts unter den Tisch kehren lassen“. Wahlanfechtung bis 8. Juni möglich.

Wien/Villach. Ein Verstoß gegen das Gesetz zur Bundespräsidentenwahl durch Wahlbehörden wegen der offenbar verfrühten Auszählung von Briefwahlstimmen galt am Fronleichnamstag nach den vorliegenden Information als praktisch sicher. Die Affäre um Wahlkartenstimmen bei der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt am vergangenen Sonntag hat sich ausgeweitet. Mit Stand vom Donnerstag hat das Innenministerium in fünf Fällen Anzeige erstattet: Neben vier Kärntner Wahlbezirken besteht jetzt auch im Bezirk Südoststeiermark der Verdacht, dass die Auswertung nicht gemäß den Gesetzesvorschriften erfolgt ist.

Wahlwiederholung ist offen

Ungewiss ist allerdings, ob es in den betroffenen fünf Bezirken – neben der Südoststeiermark sind dies die vier Kärntner Bezirke Villach-Stadt, Villach-Land, Hermagor und Wolfsberg – zu einer Wahlwiederholung kommen wird. Im Fall einer Wahlanfechtung würde der Verfassungsgerichtshof diese nach Expertenansicht jedenfalls dann anordnen, wenn eine Rechtswidrigkeit gegeben ist und diese Einfluss auf den Ausgang der Wahl hätte. Die Hofburg-Wahl endete mit dem Sieg von Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen in der Stichwahl mit nur 31.026 Vorsprung gegenüber dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer.

Etwaige Anfechtungen müssen bis zum 8. Juni um Mitternacht beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden. Die FPÖ lässt sich diese Möglichkeit ausdrücklich offen. Die Frist für Anfechtungen beginnt mit der amtlichen Verlautbarung des Endergebnisses nach der Sitzung der Bundeswahlbehörde am 1. Juni, also am kommenden Mittwoch, zu laufen.

Die Wahlabteilung im Innenministerium, allen voran auch Ressortchef Wolfgang Sobotka (ÖVP), ist um eine lückenlose Aufklärung der Verdachtsfälle und etwaiger weiterer, bisher nicht bekannter Unregelmäßigkeiten bemüht. „Wir lassen da sicher nichts anbrennen und unter den Tisch kehren“, versicherte der Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein, im Gespräch mit der „Presse“ auf dem Weg zur Frühjahrstagung der Juristenkommission in Oberösterreich.

Frühe Auszählung war Praxis

Den Anzeigen geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nun nach, weil diese wegen möglicher Befangenheit der Kärntner Kollegen betraut wurde. Nach Informationen der „Presse“ besteht in zwei der angezeigten Fälle – in der Südoststeiermark sowie in Villach-Land – aufgrund von Aussagen von Personen der begründete Verdacht einer gesetzwidrigen vorzeitigen Zählung. Dennoch wurde in der Niederschrift im Wahlakt der spätere, eigentlich korrekte Zählbeginn mit neun Uhr am Montag protokolliert – wie zu erfahren war, auch von FPÖ-Vertretern. Aus dem FPÖ-Parlamentsklub kamen dann die Hinweise auf die Verdachtsfälle. Ermittelt wird wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt, des Wahlgeheimnisses sowie wegen Urkundendelikten.

Der Bezirkshauptmann von Villach-Land, Bernd Riepan, bestätigte der Austria Presse Agentur, es sei wie bei früheren Wahlen schon am Sonntagabend mit der Auszählung der Briefwahlstimmen begonnen worden. Dafür habe es einen einstimmigen Beschluss der Bezirkswahlbehörde, in der die FPÖ vertreten ist, gegeben. „Warum diese Anzeige gekommen ist, verstehe ich nicht“, sagte Riepan. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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