Rechnungshof: Die ÖVP fordert die SPÖ heraus

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RECHNUNGSHOF(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Die ÖVP nominierte eine Kandidatin mit freiheitlicher Vergangenheit. Die SPÖ sieht es als Vorleistung für Schwarz-Blau, sie selbst dürfte eine Wirtschaftsprüferin aufstellen.

Wien. Die Sozialdemokraten empfinden es schon als eine Art Kriegserklärung: Die ÖVP nominiert in aufrechter Koalition mit der SPÖ eine „schwarz-blaue“ Kandidatin für das Amt des Rechnungshof-Präsidenten.

Helga Berger, derzeit Budgetsektionschefin im ÖVP-Finanzministerium Hans Jörg Schellings, war zu Zeiten von Schwarz-Blau Kabinettschefin von FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Davor war sie stellvertretende Büroleiterin des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider und hatte für einen freiheitlichen EU-Abgeordneten in Brüssel gearbeitet. Sie sei allerdings nie FPÖ-Mitglied gewesen, betonte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka gestern, der die Kandidatur eingefädelt hatte.

Von seinem Parteiobmann, Reinhold Mitterlehner, erhielt der schwarze Fraktionschef bei der am Mittwochvormittag im ÖVP-Klubpräsidium getroffenen Kandidatinnen-Entscheidung offiziell volle Rückendeckung. Mitterlehner hatte schon zuvor öffentlich seine Kriterien für die Auswahl deutlich gemacht: Keine Parteizugehörigkeit, Fachkenntnis, und es solle eine Frau sein. Das treffe auf beide Bewerberinnen zu.

Die zweite von der ÖVP Nominierte ist Margit Kraker, Präsidentin des steirischen Landesrechnungshofs und früher Büroleiterin von Hermann Schützenhöfer, dem heutigen steirischen Landeshauptmann.

In der ÖVP versteht man nicht, warum die SPÖ vor allem gegen Berger Aversionen hege. Aus Sicht der Volkspartei werde das vom Koalitionspartner zu einer drohenden – aber nicht geplanten – Neuauflage von Schwarz-Blau hochstilisiert. Der Vizekanzler steht auf dem Standpunkt, dass sich nicht die Regierung ihre oberste Kontrollorin aussuchen soll, sondern das Parlament selbst, dessen Organ der Rechnungshof ist. So sieht das auch Klubchef Lopatka: „Der Rechnungshof ist ein Hilfsorgan des Parlaments. Das ist eine Entscheidung des Parlaments.“

In der SPÖ verweist man hingegen darauf, dass mit ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner vereinbart war, gemeinsam eine fähige Kandidaten „von außen“ zu suchen. Die Nominierung Bergers wird in der SPÖ eher als Alleingang Lopatkas gesehen.

Die SPÖ wird am Freitag ebenfalls zwei Kandidaten nominieren. Eine wird auf jeden Fall eine Frau sein – höchstwahrscheinlich Elfriede Baumann, Geschäftsführerin von Ernst & Young Österreich, dem hiesigen Ableger des weltweit tätigen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungsunternehmens. Und möglicherweise auch noch Gerhard Steger, der lange Zeit als Favorit für die Nachfolge von Josef Moser als Rechnungshof-Präsident galt. Steger ist heute Sektionschef im Rechnungshof und war zuvor langjähriger Budgetsektionschef im Finanzministerium.

Kern selbst schaltete sich ein

Für die SPÖ ist derzeit der Chef höchstselbst, Christian Kern, unterwegs, um mit anderen Parteichefs Allianzen auszuloten. Eine Niederlage – und das wäre eine von ÖVP, FPÖ und dem Team Stronach gewählte Kandidatin – kann er jetzt gar nicht brauchen. Schon gar nicht im Hinblick auf die ORF-Wahl.

Auch Neos-Chef Matthias Strolz führt derzeit Gespräche mit anderen Fraktionen über einen allfälligen gemeinsamen Kandidaten. Nominiert haben die Neos bereits den Juristen Wolfram Proksch. Eine Frau wird noch hinzukommen, der Name wird vorerst nicht verraten. Die Grünen haben sich nach der Absage von Gabriela Moser noch nicht entschieden.

Die FPÖ nominierte gestern einmal die Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Kolm, Leiterin des Hayek-Instituts, als ihre einzige Kandidatin. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die FPÖ dann im entscheidenden Wahlgang im Parlament Helga Berger unterstützt.

Der Fahrplan für die Wahl

Der Fahrplan zur Wahl des neuen Rechnungshof-Präsidenten sieht wie folgt aus: Am 8. Juni findet im Parlament ein Hearing mit den von den Parteien nominierten Kandidaten statt. Die Entscheidung fällt dann tags darauf im 28-köpfigen Hauptausschuss des Nationalrats. Dort wird ein Wahlvorschlag erstellt, und dieser Vorschlag darf nur auf einen Namen lauten.

Am 16. Juni findet dann die Wahl im Plenum des Nationalrats statt. Da steht dann eben nur noch ein Kandidat – oder wohl eine Kandidatin – zur Wahl.

ZUR PERSON


Helga Berger
Von der ÖVP nominiert. Derzeit Budgetsektionschefin im Finanzministerium. Zuvor Sektionschefin im Rechnungshof, Kabinettschefin und Sprecherin von Rechnungshofpräsident Josef Moser. Davor war Berger, die zwischenzeitlich auch als Richterin tätig war, Kabinettschefin von FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer – und davor stellvertretende Büroleiterin von Kärntens Landeshauptmann, Jörg Haider. Ihre Karriere begann sie als parlamentarische Mitarbeiterin von Matthias Reichhold und dann als Mitarbeiterin des freiheitlichen EU-Abgeordneten Gerhard Hager in Brüssel.

Margit Kraker
Von der ÖVP nominiert. Die derzeitige Präsidentin des steirischen Landesrechnungshofs leitete von 2000 bis 2013 das Büro des heutigen steirischen Landeshauptmanns, Hermann Schützenhöfer. Sie war Landesamtsdirektor-Stellvertreterin in der steiermärkischen Landesregierung. Nach dem Jus-Studium war sie Assistentin am Institut für öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Universität Graz.


Elfriede Baumann
Die Geschäftsführerin von Ernest and Young Österreich, dem hiesigen Ableger des weltweit tätigen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungsunternehmens, dürfte von der SPÖ für die Wahl zur Rechnungshof-Präsidentin nominiert werden.

Barbara Kolm
Von der FPÖ nominiert. Die Wirtschaftswissenschaftlerin leitet seit 2000 das wirtschaftsliberale Hayek-Institut. Von 1994 bis 2000 sowie 2003 bis 2006 war Barbara Kolm für die FPÖ im Innsbrucker Gemeinderat. Sie nahm für die Freiheitlichen auch immer wieder an den Budget-Hearings im Parlament teil.
[ APA, Kommunikation Land Steiermark, Archiv ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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