Rechnungshof: Koalitionsbruch für (Neu-)Anfänger

NATIONALRAT: LOPATKA/ST�GER/MITTERLEHNER/KERN
NATIONALRAT: LOPATKA/ST�GER/MITTERLEHNER/KERN(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Stimmt die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ, wäre das eine erste Niederlage für SPÖ-Kanzler Kern. Und theoretisch auch das Ende der Regierung.

Es ist die spannendste Wahl seit Kurzem. Nach dem Herzschlagfinale bei der Bundespräsidentenwahl hat auch die Wahl zum Rechnungshof-Präsidenten das Potenzial zum Politthriller. Gewählt wird – nach einem öffentlichen Hearing am 8. Juni im Parlament – am 9. Juni im 28-köpfigen Hauptausschuss des Nationalrats.

Und die ÖVP hat derzeit alle Trümpfe in der Hand. Sie hat eigentlich zwei Kandidatinnen nominiert, Helga Berger, Budgetsektionschefin im Finanzministerium, und Margit Kraker, Präsidentin des steirischen Landesrechnungshofs. Favoritin, auch der ÖVP, ist Berger: ehemalige Kabinettschefin von Rechnungshof-Präsident Josef Moser, Sektionschefin ebendort, zuvor Kabinettschefin von FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und stellvertretende Büroleiterin von FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider.

(c) Die Presse

Der Verdacht – nicht zuletzt bei den anderen Parteien – liegt also nahe, dass die ÖVP mit der FPÖ gemeinsame Sache machen könnte. „Die Presse“ berichtete bereits vor Wochen über diesen Plan. Mastermind ist ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, der dies in seiner Partei (mit Unterstützung der innerparteilichen Skeptiker einer weiteren Zusammenarbeit mit der SPÖ) durchsetzte.

Parteichef Reinhold Mitterlehner soll dem Vernehmen nach nicht allzu begeistert gewesen sein, ließ seinen Klubchef aber einmal gewähren. Denn am Horizont winkt die erste Niederlage des umjubelten neuen SPÖ-Kanzlers, Christian Kern. Mit Aussicht auf eine weitere bei der ORF-Wahl.
Es wäre vor allem aber ein Bruch des Koalitionsabkommens. In diesem ist nämlich festgehalten: „Die in diesem Vertrag vereinbarte Zusammenarbeit zwischen der SPÖ und der ÖVP gilt als beendet, wenn gegen den Willen einer Koalitionspartei im Plenum oder in den Ausschüssen des Nationalrats mit Stimmen von Abgeordneten der anderen Koalitionspartei ein Beschluss gefasst wird.“ Die Folge: Neuwahlen.

14:14 im Wahlgremium

ÖVP und FPÖ hätten im Hauptausschuss gemeinsam 14 Stimmen (von 28). Stimmt auch noch der eine Mandatar des Teams Stronach mit, dann hätte Helga Berger eine Mehrheit. Macht der Team-Stronach-Vertreter das nicht, steht es immer noch 14:14. Die Gegenseite müsste also auf einen Umfaller eines schwarzen oder blauen Mandatars hoffen. Bei der offenen Abstimmung eher schwierig.

Und auf ebendieser Gegenseite zeichnet sich ab, dass es wohl nicht die Kandidaten der SPÖ, Rechnungshof-Sektionschef Gerhard Steger und Wirtschaftsprüferin Elfriede Baumann, sein werden, die Berger ernst zu nehmend herausfordern werden, sondern eher Viktoria Kickinger. Diese wurde gestern von Neos und Grünen gemeinsam nominiert. Und die SPÖ, so Neos-Chef Matthias Strolz und Grünen-Chefin Eva Glawischnig, hätte durchaus eine gewisse „Offenheit“ für Kickinger erkennen lassen. Sie ist in der roten Reichshälfte bestens vernetzt, war im ORF, bei den ÖBB und der Post tätig. Heute ist sie Unternehmerin und sitzt in zahlreichen Aufsichtsräten. Unter anderem in jenem des Burgtheaters zu Zeiten der vom Rechnungshof kritisierten Hartmann-Intendanz. Wiewohl sie da durchaus auch mit kritischen Fragen aufgefallen sei, so Insider.


Aber wie gesagt: Auch wenn die SPÖ im ersten Wahlgang für ihre eigenen Kandidaten stimmt und dann in einer weiteren Runde für Kickinger: Sie hätte keine Mehrheit.

Selbst wenn das Team Stronach mitzieht, zu dem Kickinger angeblich auch ganz gute Kontakte unterhält, stünde es erst 14:14. Und dann würde so lang gewählt, bis eine Entscheidung fällt. Es wäre sogar möglich, diese zu vertagen. Hinter den Kulissen würde dann von den Klubchefs weiterverhandelt werden. Aber auch wer im Hauptausschuss gewählt ist, ist noch nicht ganz durch. Denn derjenige – oder besser gesagt diejenige - braucht dann auch noch im Plenum des Nationalrats am 16. Juni eine Mehrheit.

Strache für Strolz nicht erreichbar

Was machen nun also die FPÖ und das Team Stronach? Bei Letzterem geht es derzeit ohnehin drunter und drüber, sodass eine Prognose schwierig ist. Bisher haben die Stronach-Mandatare jedoch oft so wie die Freiheitlichen abgestimmt. Und diese haben für den ersten Wahlgang einmal Barbara Kolm, Leiterin des Hayek-Instituts, nominiert.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sei für sie telefonisch in den vergangenen Tagen nicht erreichbar gewesen, erzählten Neos-Chef Strolz und Grünen-Chefin Glawischnig, als sie mit ihm über Kickinger reden wollten. Wiewohl Helga Berger als Riess-Passer-Vertraute nach Knittelfeld auf der anderen Seite gestanden ist, ist dennoch damit zu rechnen, dass sie jetzt die Unterstützung der FPÖ hat. Immerhin hat Heinz-Christian Strache für die Bundespräsidentenwahl lang um Rechnungshof-Präsident Josef Moser als Kandidaten geworben – Bergers Mentor, der sie nach ein paar Jahren als Richterin in den Rechnungshof geholt hat.

Dass die Ära Moser nun mit Berger fortgeführt werden könnte, stößt im Rechnungshof selbst aber auch auf Widerstand. Die beiden, insbesondere Berger, hätten das Haus eher autoritär geführt, heißt es.

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