Das Vermächtnis des Rechnungshof-Chefs

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Josef Moser hinterlässt der SPÖ-ÖVP-Regierung noch eine aktualisierte Fassung der 599 Sparvorschläge.

Wien. Von Schleifenlassen im letzten Monat seiner zwölfjährigen Amtszeit kann keine Rede sein. Ein Fixpunkt im dichten Terminkalender von Josef Moser (60) liegt diesem jedoch besonders am Herzen. Mitte Juni wird der Präsident des Rechnungshofes eine überarbeitete Version jener 599 Reform- und Sparvorschläge vorstellen, die der rot-schwarzen Regierung bereits seit der ersten Vorlage vor mittlerweile fünf Jahre von Oppositionsparteien, Experten und Medien vorgehalten wird (siehe auch Seite 3). Das ist das mehr als 300 Seiten starke Vermächtnis des Rechnungshof-Chefs. Es wirkt wie ein Stachel im Fleisch der Regierung, die nun unter dem neuen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ein Überwinden der Beharrungskräfte und des Reformstillstands versprochen hat.

Die Bereiche, um die es dem Kontrollorgan des Parlaments beim Antreiben der Regierung geht, können Interessierte beinahe schon im Schlaf aufsagen: Bildung, Pensionen, Verwaltung, Mehrfachkompetenzen in der Republik. Die teure Zeche für das Zurückschrecken vor Änderungen muss hauptsächlich der Bund zahlen, letztlich über das Budget, also die Steuerzahler. Das Kernproblem Österreichs sei die Zersplitterung der Kompetenzen, hat der gebürtige Lienzer erst Mitte Mai zum wiederholten Male angeprangert.

Abgeprallt wie an einer Gummiwand

Seit 2004 ist der frühere FPÖ-Klubdirektor an der Spitze des Rechnungshofes. 300 Mitarbeiter stehen ihm zur Verfügung. Am häufigsten wurde der Bildungsbereich von den Prüfbeamten seines Hauses unter die Lupe genommen. Insgesamt 60 Berichte zum Schulwesen wurden in den vergangenen zwölf Jahren dem Parlament dazu übermittelt.

Die Frustrationsschwelle bei den Kontrolloren muss hoch sein. Denn gerade im gesellschaftlich besonders wichtigen Schulbereich prallten viele Spar- und Änderungsvorschläge wie an einer Gummiwand regelrecht ab. Das war ein Mitgrund, warum Moser die amtierende SPÖ-ÖVP-Bundesregierung ein weiteres Mal sekkierte und erst im Mai die Empfehlungen nochmals in gebündelter Form der Öffentlichkeit präsentiert hat, um den Druck zu verstärken.

Zwar möchten SPÖ und ÖVP Neuerungen im Schulrecht, beispielsweise zur Notengebung, jedenfalls vor der Sommerpause des Nationalrats unter Dach und Fach bringen. Das meiste, bei dem es um die Schulverwaltung, um mehr Effizienz und damit um einen sparsameren Umgang mit dem im Schulbereich ohnehin fehlenden Millionen geht, wird aber mindestens bis zum Herbst liegen bleiben.

Dabei ist es nicht so, dass die Minister in den vergangenen Amtsjahren Josef Mosers im Rechnungshof dessen Empfehlungen völlig ignoriert hätten. Umgesetzt wurden allerdings in erster Linie jene Vorschläge, die keine wirklich umfassenden Neuerungen zur Folge hatten. Überall dort, wo es um die Macht von Bundes-, Landes- und Gemeindepolitikern, aber etwa auch in der Sozialversicherung ging, waren die Widerstände gegenüber einschneidenden Reformen größer, wird im Kontrollorgan auf „Presse“-Anfrage bilanziert. Jede Kritik des Rechnungshofs wurde zwar von Politikern pflichtbewusst zur Kenntnis genommen. Das Maß der tatsächlich umgesetzten weitreichenderen Reformen war im Vergleich dazu jedoch gering.

Selbst wenn es um kleinere, überschaubare Prüfungen ging, bekam der Rechnungshof die Verärgerung zuständiger Politiker zu spüren. So beispielsweise, als das Kontrollorgan es wagte, öffentliche Förderungen für die Skiweltmeisterschaft 2013 im steirischen Schladming in Zweifel zu ziehen. Für SPÖ und ÖVP kam das im Nationalrat einer Nestbeschmutzung gleich, auf die demonstrativ mit einer insgesamt positiven Bilanz des Sportgroßereignisses geantwortet wurde.

Trotz aller Absagen Mosers war man bei ihm auch wegen einer Kandidatur bei der heurigen Bundespräsidentenwahl vorstellig geworden. Es blieb beim Nein. Bezüglich seiner Zukunft nach dem Amtsende am 30. Juni hat er sich vorerst nicht in die Karten schauen lassen. Es darf aber damit gerechnet werden, dass er seine Expertise nach diesen zwölf Jahren weiter einbringen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)

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