Wegen Beteiligung an der Untreue wurde der Abgeordnete am Dienstag zu neun Monaten Gefängnis verurteilt– bedingt. Der 39-jährige Politiker ist laut Gericht in eine Affäre um Telekom-Geld verwickelt.
Wien/Graz. Er hatte sich beim Auftakt der Untreue-Verhandlung, Ende April, freimütig als „das interessanteste Objekt dieses Prozesses“ bezeichnet. Kein Wunder: Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein aktiver Nationalratsabgeordneter wegen Untreue-Anklage vor dem Strafrichter steht. Gestern, Dienstag, wurde es ernst: Bernd Schönegger (39) wurde verurteilt.
Der ÖVP-Nationalratsabgeordnete und Wehrsprecher erhielt neun Monate Gefängnis. Die Strafe wurde unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Rechtskräftig ist sie nicht.
Stichwort: illegale Parteienfinanzierung. Es ging bei dem im Straflandesgericht Wien geführten Verfahren um eine Zahlung von 120.000 Euro der Telekom Austria (TA) in Richtung ÖVP. Im Jänner 2008 floss das Geld – via Scheinrechnung, wie der Staatsanwalt meint – an die ÖVP-nahe Werberin und Beraterin B. Die Frau schrieb damals als Zahlungsgrund „Beratung“ und „Integration“ der TA-Tochter eTel Austria auf die Rechnung. Und ja: Sie habe für das Geld auch tatsächlich gearbeitet, gab B. nun an. Aber nicht für die TA, sondern für die ÖVP.
In der Anklageschrift heißt es: Schönegger habe der ÖVP-nahen Agentur von B. den Auftrag erteilt, „die Zahlung auf Rechnung der steirischen Volkspartei entgegenzunehmen und für deren Zwecke im Grazer Gemeinderatswahlkampf zu verwenden“.
Laut dem Geständnis von B. sei sie es gewesen, die Schönegger über ihre Verwicklung in die Telekom-Transaktion informiert habe – aber erst, nachdem der Fall aktenkundig geworden war. B. erzählte, zeitweise unter Tränen: Nicht die steirische Volkspartei, sondern „ein Mitarbeiter der ÖVP-Bundespartei kam mit einem Auftrag zur Marktforschung auf mich zu“. So habe sie etwa die Beliebtheitswerte der ÖVP-Minister abfragen sollen.
Dies konnte am Dienstag der als Zeuge geladene Ex-Generalsekretär Hannes Missethon (er war 2007 und 2008 im Amt) jedoch nicht bestätigen. Die Bundes-ÖVP habe damals mit einem ganz anderen Institut zusammengearbeitet. Wollte B. im Laufe des Prozesses die Grazer VP in Schutz nehmen? Jedenfalls schlug der Rechtsvertreter der Stadtpartei in dieselbe Kerbe. Er erklärte, dass die Grazer VP nicht in den Genuss des Geldes gekommen sei. Schönegger, seit 2005 Geschäftsführer der Grazer VP, hatte gemeint, er habe erst aus dem Gerichtsakt von den Vorwürfen erfahren. Richter Stefan Erdei glaubte dies nicht. Er sagte: „Sie haben zwar nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet. Aber es war in Ihrem Sinne als Geschäftsführer der wahlwerbenden Partei (der Grazer ÖVP, Anm.) und im Sinne der weiteren Karriere.“
Ex-TA-Chef Fischer: Freispruch
Schuldig gesprochen wurde auch Michael Fischer, ein ehemaliger ÖVP-Manager und der spätere Head of Public Affairs bei der TA, und eben die Werberin B. Michael Fischer erhielt wegen Beteiligung an der Untreue drei Monate bedingt, die Werberin wegen Beteiligung an der Untreue und Begünstigung neun Monate bedingt. Die Strafen sind nicht rechtskräftig.
Zwei Ex-eTel-Geschäftsführer wurden freigesprochen. Auch der ehemalige TA-Vorstand Rudolf Fischer ging frei. Es gibt laut Gericht „keine ausreichenden Beweise“, dass Fischer an eine „verdeckte Finanzierung“ gedacht habe. Rudolf Fischer hatte immer von „Sponsoring“ gesprochen.
Nagl: "Urteil tut mir sehr weh"
"Dieses Urteil tut mir sehr weh, weil ich zu 100 Prozent sagen kann, dass die Grazer Volkspartei kein Geld von der Telekom erhalten hat", teilte der Grazer VP-Bürgermeister Siegfried Nagl via Aussendung mit. Er glaube Schönegger, "dass er niemals mit der Telekom Kontakt hatte", um Geld zu bekommen.
Schönegger werde "nach Rücksprache mit seinen Anwälten das Rechtsmittel der Berufung ergreifen, weil es sich aus seiner Sicht um ein Fehlurteil handelt," hieß es in der Aussendung weiter. Schönegger habe mit dieser Sache nichts zu tun. Bis kein rechtskräftiges Urteil vorliege, bestehe auch für die Partei in personeller Hinsicht kein Handlungsbedarf.
Kritik kam von den Grazer Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und KPÖ. Schönegger zählt als Parteigeschäftsführer zum engsten Umfeld des Grazer Bürgermeisters. "Nagl hat sich viele Jahre mit Personen umgeben, die nun wegen illegaler Parteienfinanzierung gerichtlich verurteilt wurden. Dafür trägt er die politische Verantwortung. Klar ist jetzt aber auch, warum die ÖVP unsere Anträge im Gemeinderat auf eine konsequente Offenlegung der städtischen Parteien- und Klubförderung in der Vergangenheit beharrlich abgelehnt hat", vermutete der Klubobmann der Grazer Grünen, Gerhard Wohlfahrt, in einer Aussendung.
Der Grazer FPÖ-Stadtrat Mario Eustacchio stellte unter anderem die Fragen: "Was wusste Bürgermeister Nagl? Kann es wirklich sein, dass eine Spende von 120.000 Euro von Mitarbeitern abgewickelt wird, ohne dass der Chef der Stadtpartei etwas davon weiß?" Die Grazer FPÖ wolle nicht zur Tagesordnung übergehen und die Fragen noch diskutieren. Für die Grazer KPÖ gehe es um "das Ansehen der Politik", so Stadträtin Elke Kahr. Die Verurteilungen würden ein schiefes Licht auf die Grazer Bürgermeisterpartei werfen.
(m. s./APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)