Flexible Arbeitszeit für SPÖ kein Tabu

SPÖ: Flexible Arbeitszeit kein Tabu
SPÖ: Flexible Arbeitszeit kein TabuDie Presse (Fabry)
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Interview. Georg Niedermühlbichler ist am Montag vom Parteivorstand zum Bundesgeschäftsführer bestellt worden. Er lässt mit Aussagen zur Beschäftigung aufhorchen.

Die Wahl der Rechnungshofpräsidentin war kein Beispiel für neuen Stil – die ÖVP „drohte“ mit einer FPÖ-freundlichen Kandidatin. Wie hoch ist eigentlich der Preis, den die SPÖ für die Abwehr der FPÖ zu zahlen bereit ist?

Georg Niedermühlbichler: Der ist von Fall zu Fall verschieden. Beim Rechnungshof wurde die Schmerzgrenze nicht überschritten: Es soll Schlimmeres passieren, als dass es eine kompetente Frau wird.

Sie haben bereits angekündigt, dass das Verhindern von Heinz-Christian Strache Ihr Hauptanliegen ist. Ist es nicht ein Armutszeugnis für eine Partei, wenn sie in erster Linie dagegen ist?

Unser Hauptziel ist, mit unserem Programm zu überzeugen – es geht um Jobs, Jobs, Jobs und eine gerechte Verteilung des Vermögens. Natürlich werden wir gleichzeitig aufzeigen, dass die FPÖ genau dafür nicht steht. Dass die FPÖ Frau Kolm– eine Neoliberale ersten Ranges – als Rechnungshof-Kandidatin präsentiert hat, hat wieder gezeigt, was die FPÖ in Wahrheit ist: eine Partei der Reichen.

Künftig wird es statt dem Grundsatz-Nein zu Rot-Blau einen generellen Kriterienkatalog für Koalitionspartner geben. Was passiert, wenn die burgenländische FPÖ, die derzeit mit der SPÖ regiert, die Kriterien nicht erfüllt?

Erst wenn der Kriterienkatalog steht, wird man sehen, welche Kriterien auf welcher Ebene – Bund, Land, Gemeinde – erfüllt sein müssen. Wir müssen auch klären, wie man die Haltung einer Partei definiert. Nicht jeder Sager von irgendjemandem kann dazu führen, dass man nicht kooperiert.

Ein Kriterium wird die Asylfrage sein: Worin unterscheidet sich der viel zitierte rote „Wiener Weg“ von jenem der Bundes-SPÖ?

Da ging es damals um die Tonalität. Inhaltlich sind wir deckungsgleich: Wer bleiben darf, soll ordentlich behandelt werden. Sie werden auch in der Wiener SPÖ niemanden finden, der meint, dass jemand mit negativem Bescheid nicht rückgeführt werden soll.

Mit Muna Duzdar besetzt die SPÖ spät, aber doch das Thema Integration auch im Bund. War es ein strategischer Fehler, es so lange der ÖVP zu überlassen?

Ja, das mag sein.

Apropos Strategie: Bleiben Sie bei der Erneuerung des Parteiprogramms auf der Linie Ihrer Vorgänger?

Das Prozedere ist ja festgelegt. Klar ist aber, dass es kein Programm mehr geben kann, das 20 Jahre gleich bleibt. Man muss ein Programm flexibel an Veränderungen –etwa die Entwicklung neuer Technologien – anpassen können.

Ihr Vor-Vorgänger in der Parteizentrale Norbert Darabos hat die Rückbesinnung auf den Arbeiter ausgerufen. Bei der Wien-Wahl hat die SPÖ aberbei der Mittelschicht gepunktet.

Es geht nicht um Arbeiter oder Mittelstand, sondern um Vertrauen in die Zukunft. Wenn Menschen nicht mehr dem Staat vertrauen, wählen sie die FPÖ. Christian Kern wird die Hoffnung wieder in die Gesellschaft tragen. Nur so können wir bei Wahlen die FPÖ langfristig minimieren.

Im Westen liegt die SPÖ darnieder. Inwiefern ist man als Bundesgeschäftsführer dafür mitverantwortlich?

Man kann und muss unterstützen, aber die Verantwortung liegt bei den Ländern. Das Ziel ist, überall zweistellig zu sein. Ein einstelliges Landesergebnis akzeptiere ich nicht.

In der SPÖ hoffen viele auf mehr interne Demokratie. Soll die Basis – wie beispielsweise in der SPD – über Koalitionsabkommen abstimmen?

Das könnte ich mir vorstellen. Generell braucht es mehr Mitbestimmung – dazu muss man sich auch technisch etwas überlegen, denn bei Online-Befragungen gibt es nur einen Rücklauf von zwei, drei Prozent. Erfreulicher Weise melden sich derzeit mehr Menschen, die bei uns mitarbeiten wollen. Es wird nicht genügen, denen nette Prospekte zuzuschicken.

Stichwort Prospekt: Die spanische Podemos-Partei hat ihr Parteiprogramm im Stil eines Ikea-Katalogs herausgegeben. Wäre das etwas für Sie?

Wir sind schon beim Wiener Wahlprogramm andere Wege gegangen. Es wurde in eine „schöne Sprache“ übersetzt, mit vielen Bildern. Es gab sogar ein Hörbuch. Ob das Bundesparteiprogramm als Katalog oder Pixie-Band erscheint . . . schauen wir einmal.

Sie haben Christian Kern als einen Hoffnungsträger angesprochen. Der Zauber ist aber schon wieder verflogen: An einem Tag lobt der neue Bundeskanzler Start-ups, am anderen fordert er Maßnahmen, die laut Studien langfristig Innovationen hemmen. Das irritiert.

Die Wertschöpfungsabgabe oder Maschinensteuer, wenn Sie so wollen, war ein Diskussionsanstoß. Es geht hier nicht um links-linke Ideologie, sondern um Logik: Wenn Computer immer öfter Menschen ersetzen, muss man sich etwas überlegen - wie man das Sozialsystem breiter aufstellt, wie man Arbeit fairer verteilt. Was man uns vorwerfen kann, ist, dass auch wir Sozialdemokraten leider oft nur mit Schlagworten arbeiten. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und Konzepte entwickeln, zum Beispiel die von der Wirtschaft geforderte Flexibilisierung mit einer Arbeitszeitverkürzung in Einklang bringen. Es braucht die Neuvermessung der Arbeitszeit. Warum geht man nicht weg von der Wochen- , hin zu zu einer Monats-, einer Jahresarbeitszeit? Man muss Menschen ermöglichen, besser mit ihren Lebenszyklen umzugehen. Wer ein Kind bekommt, will vielleicht weniger arbeiten, wer auf eine Wohnung spart, dagegen mehr.

Zur Person

Georg Niedermühlbichler ist am Montagnachmittag vom SPÖ-Vorstand zum neuen Bundesgeschäftsführer gekürt worden. Davor war der gelernte Elektroinstallateur und Einzelhandelskaufmann für nicht ganz zwei Jahre Geschäftsführer der großen Wiener Landespartei Michael Häupls. Begonnen hat der heute 50-jährige verheiratete Vater zweier Kinder seine politische Karriere 1996 als Bezirksrat in der Inneren Stadt, parallel wurde er 2008 Präsident der Mietervereinigung.

(Print-Ausgabe, 14.06.2016)

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