Wahl-Anfechtung: "Dinge, die die FPÖ vorbringt, sind schwerwiegend“

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THEMENBILD: WAHLKARTE - STIMMZETTEL UND WAHLKARTE FUeR DIE BUNDESPRAeSIDENTSCHAFTSWAHLAPA/GEORG HOCHMUTH
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Der Grazer Verfassungsrechlter Klaus Poier meint, wenn die Vorwürfe stimmen, führe an der Wiederholung der Wahl kein Weg vorbei.

Graz/Wien. „Es gibt Dinge, die die FPÖ vorbringt, die sind schwerwiegend. Wenn sie zutreffen, sehe ich keine andere Möglichkeit, als die gesamte Wahl (die Bundespräsidenten-Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer; Anm.) zu wiederholen.“ Der an der Grazer Universität lehrende Verfassungsrechtler Klaus Poier nennt am Mittwoch im Gespräch mit der „Presse“ auf Nachfrage diese schwerwiegenden „Dinge“ beim Namen. Es geht um den Vorwurf, Personen, die nicht der Wahlkommission angehörten, hätten in großem Stil Stimmen ausgezählt – obwohl sie dazu nicht berechtigt sind.

Poier: „Wenn das so ist, dann ist das die gravierendste Rechtsverletzung. Dass Personen, die der Wahlkommission nicht angehören, wie die FPÖ sagt, 60.000 Kuverts öffnen oder Stimmen auszählen, habe ich noch nie gehört. Das würde auf großes Unverständnis stoßen.“ Für ihn sei dies vor dem Einbringen der Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof durch die FPÖ auch nicht vorstellbar gewesen.

„Ob die Dinge stimmen, ist eine andere Frage“, ergänzt der Assistenzprofessor an der Karl-Franzens-Universität. Genau diese Überprüfung obliege dem Verfassungsgerichtshof. Das Höchstgericht wird in dieser Angelegenheit von Montag bis Mittwoch nächster Woche 50 Zeugen aus ganz Österreich hören. Dem bisherigen Vorgehen der Verfassungsrichter spendet er insgesamt Lob: „Der Verfassungsgerichtshof demonstriert auch durch die Transparenz des Verfahrens die Ernsthaftigkeit dieser Frage. Man kann ihm bisher nur ein gutes Zeugnis ausstellen. Es geht um das Wahlrecht, den Kern der Demokratie.“

Blanko-Unterschriften üblich

Er selbst habe jahrelange Erfahrungen in Wahlkommissionen. Immer wieder könne es vorkommen, dass ein Fehler passiere, eine Stimme fehle oder es eine zu viel gebe – so schwer vorstellbar dies von außen sei. Und, so Poier weiter: „Es kommt bei Wahlen oft vor, dass es Gerüchte gibt und Dinge vorgebracht werden, die sich am Ende nicht erhärten.“ Dieses Mal seien die Kritikpunkte aber „massiv“.

Ob er damit rechnet, dass im Ernstfall die gesamte Stichwahl bundesweit wiederholt werden muss, nicht nur in einzelnen Bezirken? Poier bejaht die Frage: „Die Möglichkeit, nur einzelne Wähler neu wählen zu lassen, halte ich für sehr begrenzt.“

Ein gewisses Verständnis hat er dafür, dass Wahlkarten vorzeitig ausgezählt worden sind. Diese Praxis sei natürlich ein Rechtsverletzung, die aber keine Manipulation der Stimmzettel ermögliche.

Auch für die per Unterschrift durch die Mitglieder der Wahlkommission beglaubigten Protokolle, dass alles rechtmäßig verlaufen sei, hat der Professor eine durch praktische Erfahrungen genährte Erklärung: „Es ist gang und gäbe, dass die Protokolle blanko im Vorhinein unterschrieben werden.“

(Print-Ausgabe, 16.06.2016)

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