Straubinger: Verbot der Identitären „überlegenswert“

Sybille Straubinger
Sybille Straubinger(c) Stanislav Jenis
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Sybille Straubinger, Häupls neue Parteimanagerin, über rote Wähler, die blau wurden und den Kampf gegen die FPÖ.

Die Presse: In der Leopoldstadt muss die Wien-Wahl auf Bezirksebene wiederholt werden. Fürchten Sie um das Vertrauen in die Politik, nachdem es auch bei der Bundespräsidentenwahl Vorwürfe gibt?

Sybille Straubinger: Das ist nie positiv, wenn man einen Teil der Wahl wiederholen muss. In der Leopoldstadt dürfte es ein Zählfehler gewesen sein. Für die allgemeine Stimmung sehe ich keine Verschlechterung.

Wirkt sich die Wahlwiederholung auf das SPÖ-Ergebnis aus?

Viele glauben, es geht nur um den Vize-Bezirksvorsteher, weil Grüne und FPÖ so knapp zusammen lagen. Aber es wird die ganze Bezirksvertretung und der Bezirksvorsteher neu gewählt. Wir werden die SPÖ Leopoldstadt natürlich stark unterstützen.

Experten rechnen damit, dass das Höchstgericht auch die Bundespräsidentenstichwahl aufhebt. Ist Ihre Partei für einen neuen Wahlkampf vorbereitet?

Es gibt Vorlaufzeiten vor der Wahl. Aber natürlich müssen wir darauf vorbereitet sein.

Apropos: Nach der Wien-Wahl 2015 hat Ihr Vorgänger Georg Niedermühlbichler gemeint, der Wähleraustausch mit der FPÖ sei abgeschlossen – diese Wähler wird man kurzfristig nicht zurückholen können.

Man wird einen guten Teil jener, die zwei-, dreimal die FPÖ gewählt haben, zurückbekommen können. Die Menschen sind heute auch im Wahlverhalten sehr mobil geworden.

Wie wollen Sie Ex-SPÖ-Wähler von Heinz-Christian Strache zurückholen?

Mit einer klaren Linie. Es ist auch eine Frage der Kommunikation. Wir müssen uns als Partei öffnen, Strukturen und Wege schaffen, dass wir Meinungen hereinholen und den Dialog intensiver führen.

Das Mitnehmen der Zivilgesellschaft hört man von allen Parteien seit langen Jahren. Wieso sollte das jetzt funktionieren?

Bürger engagieren sich für Themen, bei denen sie etwas bewegen können. Dafür müssen wir Möglichkeiten schaffen, das wurde mit der Parteireform begonnen, zum Beispiel mit unserer Nachbarschaftskampagne. Aber es ist noch nicht ganz in der Partei umgesetzt.

Lange Zeit galt: Bei Meinungsunterschieden redet man intern und am Ende passiert, was der Bürgermeister sagt. Das funktioniert nicht mehr. Braucht die SPÖ eine neue Diskussionskultur?

Man muss nicht immer einer Meinung sein. Die Sektion 8 leistet inhaltlich einen tollen Beitrag, weil sie diese Diskussion führt; auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.

Es gibt zwei SPÖ-Flügel, die Sie versöhnen müssen. Wie wollen Sie das machen?

Die Partei ist nicht gespalten. Es gibt unterschiedliche Positionen, die in der SPÖ ihren Platz haben. Wir sind eine breite Partei.

Am 1. Mai haben einige „Werner, der Kurs stimmt“-Schilder getragen, andere einen Sarg. Da ging es nicht nur um Faymann, sondern um unversöhnliche Positionen.

In der Asylfrage gab es Unzufriedenheit, die sich an der Bundesregierung entzündet hat.

Haben Sie bei Faymanns Rede gebuht oder geklatscht?

Weder noch. Ich hatte auch kein Schild.

Es gibt in der SPÖ zwei Rezepte gegen die FPÖ: Mehr Law and Order und die Totalopposition zur FPÖ in allen Fragen.

Es gibt Ängste und Sorgen in der Bevölkerung. Man muss diese Themen aufgreifen und lösen. Das heißt nicht, dass wir näher zur FPÖ rücken müssen, sondern dass wir eine klare Haltung haben, die kommuniziert wird, und dem negativen FPÖ-Bild ein positives entgegensetzen, z. B.: Wien wird immer mehr eine Weltstadt, weil wir so attraktiv sind, dass immer mehr Menschen hier leben wollen.

ÖVP und FPÖ besetzen das Sicherheitsthema, während SPÖ und Grüne Probleme haben, hier einen klaren Kurs zu finden, der bei den Leuten auch ankommt.

Mehr Polizisten ist das eine. Sicherheit hat aber auch mit einem subjektiven Gefühl zu tun. Ich wohne in der Nähe der U-Bahn-Station Thaliastraße. Mir ist dort nie etwas passiert, aber ich verstehe, dass man sich damals dort unsicher gefühlt hat. Das subjektive Unsicherheitsgefühl muss man anders angehen.

Mit PR-Kampagnen nach dem Motto: Es ist nicht so schlimm?

Tatsächlich ist es nicht so schlimm im Vergleich zu anderen Großstädten.

Wir leben nicht im Vergleich, sondern in Wien, würde Karl Kraus sagen.

Natürlich. Aber das Thema muss man breiter sehen. Es geht auch um soziale Sicherheit, um die Angst vor Arbeitslosigkeit.

Die Flüchtlingszahlen steigen wieder.

Deshalb muss man darüber reden, dass ein Drittel der Gemeinden keine Flüchtlinge aufnimmt. Eventuell auch über eine Residenzpflicht.

Nebenbei: Sie waren bei der Demo gegen die Identitären am Wochenende?

Ich war nur in der Nähe. Es war eine aufgeladene Stimmung, der Ablauf scheint nicht optimal gewesen zu sein. Grundsätzlich ist es traurig, dass Rechtsextremisten – noch dazu mit importierten Demonstranten – durch die Stadt ziehen.

Würden Sie solche Demos oder die Identitären selbst verbieten?

Wenn das rechtlich möglich ist: Ja. Überlegenswert wäre es. Wer Hörsäle und Theatersäle stürmt, bewegt sich nicht mehr auf demokratischem Boden.

Was halten Sie davon, dass die Stadtwerke 800 Leute zu guten Konditionen – teilweise mit Mitte 50 – in Pension schicken?

Gut, das ist tatsächlich unerfreulich, hat aber mit dem schwierigen Strommarkt zu tun. Aber dem Steuerzahler entstehen keine Kosten. Das zahlt das Unternehmen.

Die Stadtwerke gehören aber der Stadt, also dem Steuerzahler.

Wie gesagt, ich finde das nicht erfreulich.

Zur Person

Sybille Straubinger wurde von Michael Häupl zur neuen Parteimanagerin der Wiener SPÖ ernannt. Die 45-Jährige, die in Bruck/Mur geboren wurde, muss nun die Parteireform leiten und zeichnet künftig für Häupls Wahlkämpfe verantwortlich. Straubinger ist Mitglied im roten Bundesfrauenvorstand. Sie folgt Georg Niedermühlbichler, der von Kanzler Christian Kern zum Bundesgeschäftsführer ernannt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. Juni 2016)

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