Interview. Trotz drohender Wahlwiederholung besteht für die Grünen-Chefin kein Zweifel: „Hofer hat verloren.“
Wien. „Der Kernpunkt ist, es ist keine einzige Stimme ermogelt.“ Die grüne Partei- und Klubobfrau, Eva Glawischnig, zeigte sich am Donnerstag im Gespräch mit der „Presse“ am Rande der Sitzung des Nationalrats davon überzeugt, dass am knappen Sieg von Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen über den FPÖ-Kandidaten, Norbert Hofer, nicht zu rütteln sein werde.
Van der Bellen hat sich in der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt am 22. Mai mit rund 30.000 Stimmen gegen Hofer durchgesetzt. Inzwischen hat die FPÖ die Wahl angefochten, und es mehren sich Hinweise auf Pannen bei der Auszählung, die eine Wahlwiederholung nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs wahrscheinlicher werden lassen.
Glawischnig lässt sich allerdings von all dem nicht beirren. „Es geht nur um Formalfragen“, versichert sie. Und: „Ich würde dringend davor warnen, Verschwörungstheorien zu äußern.“ Die Grün-Politikerin spricht freilich auch selbst von „seltsamen Vorgängen“ im Zusammenhang mit der Stichwahl. Sie bezieht sich dabei darauf, dass Protokolle auch von FPÖ-Wahlbeisitzern nach der Stichwahl am 22. Mai unterschrieben worden seien, ohne dass diese darin etwas beanstandet hätten. Mittlerweile gebe es gegenteilige eidesstattliche Erklärungen von FPÖ-Beisitzern. „Das ist alles höchst seltsam“, bekräftigt die Grünen-Obfrau. Aber selbst der frühere Justizminister Dieter Böhmdorfer, Anwalt von FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache, habe keinen Manipulationsvorwurf erhoben.
Während Vertreter der Grünen Argumente, die gegen die Notwendigkeit einer Wiederholung der Stichwahl sprechen, auflisten, sieht die grüne Parteichefin den Erfolg Van der Bellens, der am 8. Juli Heinz Fischer offiziell als Staatsoberhaupt ablösen soll, durch die wachsende Zahl an Vorwürfen über Unzulänglichkeiten rund um die Stimmenauszählung nicht gefährdet. „Faktum ist, dass Van der Bellen die Wahl gewonnen hat und Hofer sie verloren hat.“
„Wegweisend für Nationalratswahl“
Glawischnig ist sich jedenfalls voll bewusst, dass der Verfassungsgerichtshof nach der Anfechtung der Hofburg-Stichwahl vor einer schwierigen Entscheidung steht. „Der Verfassungsgerichtshof muss sich sehr gut überlegen, welche Wege er nun beschreitet.“ Das Höchstgericht wird die Anhörungen zu den vorgebrachten Vorwürfen, wie berichtet, von Montag bis Mittwoch kommender Woche öffentlich durchführen. Für die grüne Parteiobfrau sind die Schlussfolgerungen des Verfassungsgerichtshof jedoch in erster Linie für bevorstehende Wahlen von Interesse. „Es ist schon wegweisend, auch für die kommenden Nationalratswahlen“, stellt Glawischnig fest.
Im Parlament ist am Donnerstag der „Presse“-Bericht, dass die Vorwürfe bei der Auszählung der Stichwahlergebnisse für Van der Bellen und Hofer eine Wiederholung näherrücken lassen, am Rande des Nationalratssitzungstags, der von der Neuwahl der Rechnungshofspitze geprägt war, auf ganz besonderes Interesse bei den Abgeordneten und in den Klubs gestoßen. In den Reihen der Parlamentarier, vor allem bei jenen der rot-schwarzen Regierungsfraktionen, herrschte Kopfschütteln darüber, wie schlampig und fahrlässig bei der Auszählung in manchen Gemeinden vorgegangen wurde.