Kern will Türkei-Deal auch in anderen Drittstaaten

Kern bei seinem ersten Amtsbesuch in Brüssel.
Kern bei seinem ersten Amtsbesuch in Brüssel.APA/AFP/JOHN THYS
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Der Kanzler sieht sich in der Flüchtlingsfrage zum Teil einer Meinung mit Juncker. Er fürchtet bei einem Brexit keine Auswirkung auf die Stimmung in Österreich.

Bundeskanzler Christian Kern hat sich in der Flüchtlingsfrage für ein "absolut behutsames" Vorgehen bei Grenzkontrollen ausgesprochen. Der SPÖ-Politiker erklärte bei einem Besuch bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel, er habe "in vielen Fragen Konsens" mit Juncker finden können. Der Kommissionspräsident stellte jedoch klar: Die österreichische Asyl-Obergrenze halte er nach wie vor nicht für europarechtskonform.

Zur Frage der Grenzkontrollen fügte Kern am Mittwoch an, bei der "neuralgischen Diskussion rund um den Brenner" würden sich "die Zahl der Flüchtlinge tatsächlich an den Fingern einer oder zwei Händen abzählen" lassen. Der Kanzler: "Im Moment sehe ich keine Belastung, weil Italien ein vorbildliches Management der Flüchtlingsströme vornimmt."

Kern sagte, ähnlich wie mit der Türkei sollte es ermöglicht werden, potenzielle Flüchtlinge in Drittstaaten zu beherbergen. Dabei sei man auf gutem Weg und "das ist absolut in Linie mit den österreichischen Vorstellungen". Das zurückschicken von Flüchtlingen "ist eine sehr sensitive Frage". Dies gehe nur mit entsprechenden Rückführungsabkommen. "Nachdem das heute nicht ausreichend der Fall ist, ist das ein großer Arbeitsauftrag". Man müsse hier aber den ersten Schritt vor dem zweiten gehen. Mit der EU-Kommission sollten die Ressortminister "menschenrechtskonforme Lösungen finden".

Kern: Ständig Vorteile der EU klar machen

Juncker stellte dazu fest, die Kommission sei bemüht, eine möglichst große Zahl an Rückführungsabkommen zu verabreden. "Aber verwechseln sie nicht Rückführung aufgrund eines Abkommens mit brutalem Zurückschicken. Das sind zwei verschiedene Wege".

Dass ein mögliches "Ja" der Briten für einen Brexit Auswirkungen auf die Stimmung in Österreich haben könnte, glaubt der Kanzler nicht. Er habe diesbezüglich "keine Sorge".  Kern argumentierte, dass es zur "Brexit-Diskussion" mehrere Blickwinkel gebe. Einer davon sei, dass in der "vergangenen Dekade" kein Politiker in Großbritannien "pro EU" argumentiert und erklärt habe, welchen Nutzen eine EU-Mitgliedschaft habe. Die Lehre für Österreich sei daher: "Wir müssen ständig klar machen, welche Vorteile die Zugehörigkeit unseres Landes zur EU hat".

Im Grunde seien derzeit zwei Fragestellungen in Europa vorrangig, so Kern. "Wie schaffen wir Beschäftigung und stärken den Wirtschaftsstandort Europa?" Zudem müsse in der Migrationsfrage gezeigt werden, dass "Kooperation in Europa einen Mehrwert bringt".

Kanzler will China thematisieren

Als demnächst abzuarbeitende Themen nannte er unter anderem den Umgang mit China, das beispielsweise dank einer Überproduktion Stahl zu Dumpingpreisen in die EU bringe. Hier müsste man auch die geltenden Zollbestimmungen überdenken. Ähnliches treffe für Aluminium, Glas und Papier zu.

"Das soll jetzt kein China-Bashing sein", so Kern. Allerdings stehe gegen Jahresende die Entscheidung an, ob China als Marktwirtschaft einzustufen sei. Daher müssten entsprechende Entscheidungen schneller getroffen werden als bisher. Eine Einstufung Chinas als Marktwirtschaft durch die WTO würde Maßnahmen zum Schutz der europäischen Wirtschaft erschweren.

Auch bei den Arbeitsmarktregelungen für EU-Bürger müssten einige Themen geklärt werden, meinte Kern. So dürfe bei der Entsenderichtlinie nicht nur das Prinzip "gleicher Lohn am gleichen Ort" gelten, vielmehr müssten zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit etwa auch Fragen wie gleiche Sozialversicherungsbeiträge geregelt werden.

(APA)

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