Frauenministerin: „SPÖ ist eine stark männerdominierte Partei“

Sabine Oberhauser (SPÖ)
Sabine Oberhauser (SPÖ)(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Dass ihre Partei die eigene Frauenquote nicht erfüllt, sei "ein Stachel im Fleisch jeder Sozialdemokratin", sagt SP-Frauenministerin Oberhauser.

Die Presse: Sie bezeichnen sich als Feministin. Viele Frauen wollen dies nicht tun. Der Begriff ist negativ konnotiert. Warum?

Sabine Oberhauser: Für viele Männer ist der Feminismus ein Angriff auf aus ihrer Sicht wohlerworbene Positionen. Bei Frauen könnte der Begriff negativ besetzt sein, weil sie ihn mit einem Konflikt verbinden – einem Konflikt, in den sie nicht treten möchten. Sie denken: Wenn man sich ruhig verhält, kommt man leichter weiter.

Autorin Ronja von Rönne stieß mit dem Text „Der Feminismus ekelt mich an“ auf viel Resonanz. Ist das Image so schlecht?

Das wundert mich ein bisschen. Diejenigen, die es heute anekelt, profitieren von denen, die mit dem Einsatz ihrer Identität dafür eingetreten sind. Hätte es in Österreich Johanna Dohnal (erste Frauenministerin, Anm.) nicht gegeben, hätten wir diese Rechte nicht. Man muss die Geschichte mitbedenken.

Was ist Frauenpolitik heute überhaupt?

Nicht viel anderes als das, was Johanna Dohnal gemacht hat: das Bohren harter Bretter. Man sagt das über die Politik allgemein, aber bei Frauenpolitik kommt noch eine Stahlplatte hinzu.

Zum Beispiel?

Ein Problem zeigt die Lehrlingsbefragung: Mehr Mädchen wollen nun wieder Kinder kriegen, vom Mann versorgt werden. Sie sehen die schlechten Bedingungen auf dem Arbeitsplatz, die finanziellen Krisen. Man muss Frauen stärken: Familie und Beruf, das geht beides. Dafür braucht es aber auch mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Diese Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt gibt es nun seit Jahren – ebenso wie eine SPÖ-Frauenministerin.

Es wurden viele kleine Schritte gesetzt, die man zu wenig wahrnimmt. Unter Gabriele Heinisch-Hosek (Ex-Frauenministerin, Anm.) wurden Einkommensberichte eingeführt.

Bei der SPÖ-Frauenkonferenz wird ein Antrag auf Errichtung eines eigenen Frauenministeriums eingebracht, auch um mehr gehört zu werden. Sind Sie dafür?

Vielleicht würde man eine alleinige Frauenministerin stärker wahrnehmen. Wichtiger ist eine ausreichende budgetäre Ausstattung.

Was wäre ein ausreichendes Budget?

Wir haben derzeit 10,15 Millionen Euro Budget. Vieles davon ist für Förderungen fix verplant. Es bleiben nur 2,3 Euro pro österreichische Frau und pro Jahr. Das muss mehr sein.

Haben Sie darüber mit Finanzminister Hans Jörg Schelling schon gesprochen?

Nein – mir ist auch bewusst, dass es in Zeiten von Budgetknappheit schwierig ist. Ich rechne aber damit, dass beide Regierungsparteien wollen, dass die Frauen gut vertreten sind.

Apropos: Im Nationalrat gibt es bei der SPÖ eine Frauenquote von rund 36 statt 40 Prozent.

Das ist ein Stachel im Fleisch jeder Sozialdemokratin. In der vergangenen Legislaturperiode wurde beschlossen, dass wir den Ländern auf die Finger klopfen können, wenn sie die Quote nicht erfüllen.

An Regelungen hat es aber nicht gemangelt. In den ersten Reihen der SPÖ stehen dennoch fast ausschließlich Männer.

Das stimmt. Wir haben nur eine Frau als Landesvorsitzende. Wir müssen Frauen vor Entscheidungen bereits im Vorfeld positionieren. Die SPÖ ist sicher eine sehr stark männerdominierte Partei. Aber mit sehr starken Frauen.

Die SPÖ arbeitet an einem Kriterienkatalog für eine Koalition mit der FPÖ. Wird Frauenpolitik ein Punkt sein?

Ich sitze nicht in der Strategiegruppe.

Wären Sie dafür?

Ja. Ich möchte mich nicht ununterbrochen über Genderwahnsinn, wie die FPÖ Frauenpolitik bezeichnet, unterhalten.

Gibt es auch inhaltliche Bedingungen?

Eine Partei, die sagt, dass Frauenhäuser der Tod jeglicher Ehe sind, ist für mich fern jeglicher Realität. Als Frauenpolitikerin hätte ich extreme Probleme, mich mit denen auf eine Bank zu setzen.

Der Gender Pay Gap beträgt knapp 23 Prozent. Wie kann man das ändern?

Es sind viele kleine Schritte, die man hier angehen muss. Die Einführung der Einkommensberichte war wichtig. Diese zeigen den klassischen Fall auf: In einem Betrieb gibt es zwei idente Arbeitsplätze – einmal weiblich, einmal männlich besetzt. Der Posten der Frau ist deutlich niedriger dotiert, weil Zulagen und Überstunden fehlen.

Aber Zulagen scheinen vielfach nicht auf.

Es kommt darauf an, wie detailliert ein Bericht ist. Man muss gemeinsam mit der Wirtschaft die Berichte vergleichbar machen. Zulagen müssen enthalten sein. Auch die Frage der Teilzeit müssen wir angehen.

Heinisch-Hosek hat immer wieder vor der Teilzeitfalle gewarnt. Der Anteil von Frauen in Teilzeit steigt stetig.

Wenn Frauen gut aufgeklärt sind, muss man ihnen die Entscheidung überlassen. Aber man muss Frauen informieren: Teilzeit heißt weniger Geld in der Pension. Teilzeit kann gewollt sein. Für die, die es nicht wollen, braucht es Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Sollte es einen Schwangerschaftsabbruch auf Krankenkassakosten geben?

Wenn man, wie es nun 55.000 Menschen in einer Petition fordern, eine Statistik über Abtreibungen will, wird das der einzige Weg sein, wie man dazu kommt. Dazu müsste man einen Abbruch aber als Krankenbehandlung sehen. Das ist derzeit kein Thema.

Verhütung auf Krankenkassakosten?

Auch das ist keine Krankenbehandlung. Aber kostenlose Verhütung ist eine Forderung der jungen Sozialdemokraten. Wir müssen uns die finanziellen Möglichkeiten ansehen. Wir werden an dem Thema dranbleiben.

Viele fürchten, dass man durch die Abtreibungsstatistik an der Fristenlösung kratzen könnte . . .

Bei 55.000 Unterschriften fürchte ich das auch. Es wird aber keine Änderungen geben.

Will die ÖVP daran kratzen?

Ich glaube, dass Österreich prinzipiell ein konservatives Land ist und die Fristenlösung daher ein Thema ist. Das möchte ich nicht an einer Partei festmachen.

Aber glauben Sie es?

Sagen wir so: Sie versichern uns, dass sie das nicht wollen. Wir wollen es ihnen glauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.